Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.Schatten eins seinem Wege. Er wußte, daß dergleichen gaukelnde Täuschung des Unter den größten Schwierigkeiten rang sich sein Talent herauf. Enge Schatten eins seinem Wege. Er wußte, daß dergleichen gaukelnde Täuschung des Unter den größten Schwierigkeiten rang sich sein Talent herauf. Enge <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284520"/> <p xml:id="ID_107" prev="#ID_106"> Schatten eins seinem Wege. Er wußte, daß dergleichen gaukelnde Täuschung des<lb/> erregten Sinnes war und fertigte es, wo sichs einmal im Verkehr mit<lb/> andern eindrängte, mit leichtem Lächeln ab. Aber in stiller Nacht, wenn er<lb/> träumte, oder wenn er wachend auf seinem Lager nachsann, erhielten solche<lb/> Gebilde eine quälende Deutlichkeit, er schaute sie greifbar in tragischen Situa¬<lb/> tionen, und die Stimmung, welche diesen Momenten seiner Poesie zum Grunde<lb/> lag, wurde ihm so übermächtig, daß sie ihn quälte. Dabei war er nichts<lb/> weniger als ein phantastischer Mann, viel erwog sein Geist über der Arbeit,<lb/> und spähend beobachtete er den Proceß des Werdens, ja allzu kritisch gegen<lb/> die stürmische Empfindung, welche in ihm wogte. Unablässig war er be¬<lb/> müht, die Kunstgesetze, die er sich vorzugsweise »us Dramen Anderer con-<lb/> struirte, gegen seine eigenen feurigen Träume geltend zu machen. Immer<lb/> wieder mahnte er sich in schriftlichen Aufzeichnungen so und so zu schreiben,<lb/> er exponirte sehr sorgfältig und weitläufig, und verfaßte sich selbst zur Richt¬<lb/> schnur ästhetische Abhandlungen, wie die Charaktere zu halten, wie die Hand¬<lb/> lung kunstmäßig zu fügen sei. Nie konnte er sich darin genugthun, er änderte<lb/> an Charakteren und Plan immer wieder; was er niedergeschrieben, verwarf er<lb/> leicht, weil es ihm nur matter und farbloser Abglanz der prachtvollen An¬<lb/> schauungen erschien, welche sein Jnners füllten. Massenhaft wurde in langen<lb/> Jahren körperlichen Leidens dies Plänemachen und Reflectiren über die Arbeit,<lb/> ohne entsprechende Ausführung.</p><lb/> <p xml:id="ID_108" next="#ID_109"> Unter den größten Schwierigkeiten rang sich sein Talent herauf. Enge<lb/> Verhältnisse, ein harter Kampf um die Existenz, machten dem fränkischen Thüringer<lb/> nur langsam möglich, die Grundlagen einer freien humanen Bildung zu ge¬<lb/> winnen. Auf Seitenwegen, durch Nachtarbeit, unter harten Entbehrungen erwarb<lb/> er sich das Wissen, welches auf der gebahnten Heerstraße unseres Gymnasial-<lb/> und Univcrsitätöunterrichts mit unvergleichlich geringerem Aufwand an Geistes¬<lb/> und Körperkraft gewonnen wird. Wahrscheinlich sank schon in dieser Lehrzeit<lb/> der Keim des Leidens in seinen Körper, der kräftige Mann hatte damals Zeiten,<lb/> wo er in völliger Waldeinsamkeit Heilung für die durch übergroße Arbeit krankhaft<lb/> gereizten Nerven suchte. Wild und chaotisch war in dieser Periode auch sein Drang<lb/> zu schaffen. Er hielt sein Talent für ein musikalisches und verlebte einige<lb/> Jahre sehr zurückgezogen in Leipzig, wo er ernsthaft Musik trieb. Schon in<lb/> dieser Zeit dichtete er Lyrisches, Episches, auch Dramatisches; er schrieb sich<lb/> Operntexte, Lieder und einige Gedichte nach alten Sagenstoffen, stark angezogen<lb/> von den nordgermanischen Klängen, welche ihm durch die spätern Romantiker<lb/> zugänglich geworden waren. Von den zahlreichen dramatischen Entwürfen dieser<lb/> Zeit sind mehre ausgeführt, fast alles aus den Jahren vor 1848 noch »«gedruckt.<lb/> Daß er endlich in die Nähe Dresdens übersiedelte und in Verbindung mit<lb/> Eduard Devrient und der dresdner Bühne trat, wurde für sein Schaffen ent></p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
Schatten eins seinem Wege. Er wußte, daß dergleichen gaukelnde Täuschung des
erregten Sinnes war und fertigte es, wo sichs einmal im Verkehr mit
andern eindrängte, mit leichtem Lächeln ab. Aber in stiller Nacht, wenn er
träumte, oder wenn er wachend auf seinem Lager nachsann, erhielten solche
Gebilde eine quälende Deutlichkeit, er schaute sie greifbar in tragischen Situa¬
tionen, und die Stimmung, welche diesen Momenten seiner Poesie zum Grunde
lag, wurde ihm so übermächtig, daß sie ihn quälte. Dabei war er nichts
weniger als ein phantastischer Mann, viel erwog sein Geist über der Arbeit,
und spähend beobachtete er den Proceß des Werdens, ja allzu kritisch gegen
die stürmische Empfindung, welche in ihm wogte. Unablässig war er be¬
müht, die Kunstgesetze, die er sich vorzugsweise »us Dramen Anderer con-
struirte, gegen seine eigenen feurigen Träume geltend zu machen. Immer
wieder mahnte er sich in schriftlichen Aufzeichnungen so und so zu schreiben,
er exponirte sehr sorgfältig und weitläufig, und verfaßte sich selbst zur Richt¬
schnur ästhetische Abhandlungen, wie die Charaktere zu halten, wie die Hand¬
lung kunstmäßig zu fügen sei. Nie konnte er sich darin genugthun, er änderte
an Charakteren und Plan immer wieder; was er niedergeschrieben, verwarf er
leicht, weil es ihm nur matter und farbloser Abglanz der prachtvollen An¬
schauungen erschien, welche sein Jnners füllten. Massenhaft wurde in langen
Jahren körperlichen Leidens dies Plänemachen und Reflectiren über die Arbeit,
ohne entsprechende Ausführung.
Unter den größten Schwierigkeiten rang sich sein Talent herauf. Enge
Verhältnisse, ein harter Kampf um die Existenz, machten dem fränkischen Thüringer
nur langsam möglich, die Grundlagen einer freien humanen Bildung zu ge¬
winnen. Auf Seitenwegen, durch Nachtarbeit, unter harten Entbehrungen erwarb
er sich das Wissen, welches auf der gebahnten Heerstraße unseres Gymnasial-
und Univcrsitätöunterrichts mit unvergleichlich geringerem Aufwand an Geistes¬
und Körperkraft gewonnen wird. Wahrscheinlich sank schon in dieser Lehrzeit
der Keim des Leidens in seinen Körper, der kräftige Mann hatte damals Zeiten,
wo er in völliger Waldeinsamkeit Heilung für die durch übergroße Arbeit krankhaft
gereizten Nerven suchte. Wild und chaotisch war in dieser Periode auch sein Drang
zu schaffen. Er hielt sein Talent für ein musikalisches und verlebte einige
Jahre sehr zurückgezogen in Leipzig, wo er ernsthaft Musik trieb. Schon in
dieser Zeit dichtete er Lyrisches, Episches, auch Dramatisches; er schrieb sich
Operntexte, Lieder und einige Gedichte nach alten Sagenstoffen, stark angezogen
von den nordgermanischen Klängen, welche ihm durch die spätern Romantiker
zugänglich geworden waren. Von den zahlreichen dramatischen Entwürfen dieser
Zeit sind mehre ausgeführt, fast alles aus den Jahren vor 1848 noch »«gedruckt.
Daß er endlich in die Nähe Dresdens übersiedelte und in Verbindung mit
Eduard Devrient und der dresdner Bühne trat, wurde für sein Schaffen ent>
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