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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Zahlung der versprochnen Zuschüsse. Daher mußten sich die Fürsten 1438
entschließen, diese sicherer zu fundiren. Damit verbanden sie aber zugleich An¬
sprüche auf größeren Einfluß auf die Angelegenheiten der Corporation, und es
wurden Reformvorschläge gemacht, die in Leipzig starker Mißbilligung begegneten,
schließlich aber doch durchgingen. Erst nach länger als einem Menschenalter
traten die sächsische Regierung und der Bischof von Merseburg. letzterer als
geistlicher Vorgesetzter der leipziger Hochschule, mit der Aufforderung'zu durch-
greifender Revision der Statuten auf, und jene ernannte einige Doctoren zur
Empfangnahme der Nevisionsvorschläge von Seiten der Corporation. Als diese
Commission die Vorschläge, nachdem sie vom Fürsten zurückgekommen, im Januar
1446 sofort als Gesetz proclamirte, erhob sich die Majorität der Universität, die
sich die definitive Beschlußnahme gewahrt wissen wollte, mit Ungestüm dagegen
und verfocht ihre Ansprüche mit größter Schroffheit. Der Fürst kam selbst in
die Universitätsversammlung, in der die Angelegenheit, wie üblich, von den
vier Nationen gemeinsam verhandelt werden sollte, und hier sagte ihm einer
der Professoren -- Johann Kore hieß der unerschrockne Herr -- kühn ins
Gesicht:

"Item, unsre Universität ist in Freiheiten und Privilegien nach dem Muster
der pariser Universität gegründet, in welche Freiheiten sich niemand zu mischen
hat, weder der König (rsx) noch der Kanzler, sondern sie hat diese Statuten
für sich zu entwerfen, zu ändern und zu verbessern nach Bedürfniß der Zeit
und Beschaffenheit der Geschäfte, und deshalb heißt sie eben eine privilegirte
Universität. Wenn daher zwei oder drei von ihren Häuptern hinter dem Rücken
der Gesammtheit und ohne deren Wissen Statuten machen sollen und können,
wie das jetzt angefangen hat, so sind wir ganz wie die Knaben unter der
Ruthe."

Die Sache wurde damals scheinbar zu Gunsten der Universität erledigt,
formell aber zu Gunsten des Fürsten -- für die Zukunft die Hauptsache. Die
Universität mußte die Statuten annehmen, bekam indeß unter der Hand die
Erlaubniß, zu verändern. was darin ihren Privilegien widerspräche. Wir werden
später sehen, wie in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts diese
Freiheit mehr und mehr eingeschränkt wurde und zuletzt fast ganz verloren ging.
In den letzten Reformationen dieses Säculums und noch mehr in denen des
nächsten befiehlt die gewachsene Fürstengewalt, und die Universität gehorcht.

Zunächst fahren wir fort in unsern Beispielen von der Fürsorge der Re-
rungen für die Wohlfahrt und Bequemlichkeit der Angehörigen ihrer Ani'
verspäten.

Erzherzog Rudolf der Vierte wies seine Amtleute an. die Angehörigen der
von ihm gegründeten hohen Schule zu Wien auf deren Ansuchen von Ort zu
Ort zu geleiten, und verpflichtete sich, jedweden durch Verzögerung entstandenen


Grenzboten I. ISSS. S7

Zahlung der versprochnen Zuschüsse. Daher mußten sich die Fürsten 1438
entschließen, diese sicherer zu fundiren. Damit verbanden sie aber zugleich An¬
sprüche auf größeren Einfluß auf die Angelegenheiten der Corporation, und es
wurden Reformvorschläge gemacht, die in Leipzig starker Mißbilligung begegneten,
schließlich aber doch durchgingen. Erst nach länger als einem Menschenalter
traten die sächsische Regierung und der Bischof von Merseburg. letzterer als
geistlicher Vorgesetzter der leipziger Hochschule, mit der Aufforderung'zu durch-
greifender Revision der Statuten auf, und jene ernannte einige Doctoren zur
Empfangnahme der Nevisionsvorschläge von Seiten der Corporation. Als diese
Commission die Vorschläge, nachdem sie vom Fürsten zurückgekommen, im Januar
1446 sofort als Gesetz proclamirte, erhob sich die Majorität der Universität, die
sich die definitive Beschlußnahme gewahrt wissen wollte, mit Ungestüm dagegen
und verfocht ihre Ansprüche mit größter Schroffheit. Der Fürst kam selbst in
die Universitätsversammlung, in der die Angelegenheit, wie üblich, von den
vier Nationen gemeinsam verhandelt werden sollte, und hier sagte ihm einer
der Professoren — Johann Kore hieß der unerschrockne Herr — kühn ins
Gesicht:

„Item, unsre Universität ist in Freiheiten und Privilegien nach dem Muster
der pariser Universität gegründet, in welche Freiheiten sich niemand zu mischen
hat, weder der König (rsx) noch der Kanzler, sondern sie hat diese Statuten
für sich zu entwerfen, zu ändern und zu verbessern nach Bedürfniß der Zeit
und Beschaffenheit der Geschäfte, und deshalb heißt sie eben eine privilegirte
Universität. Wenn daher zwei oder drei von ihren Häuptern hinter dem Rücken
der Gesammtheit und ohne deren Wissen Statuten machen sollen und können,
wie das jetzt angefangen hat, so sind wir ganz wie die Knaben unter der
Ruthe."

Die Sache wurde damals scheinbar zu Gunsten der Universität erledigt,
formell aber zu Gunsten des Fürsten — für die Zukunft die Hauptsache. Die
Universität mußte die Statuten annehmen, bekam indeß unter der Hand die
Erlaubniß, zu verändern. was darin ihren Privilegien widerspräche. Wir werden
später sehen, wie in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts diese
Freiheit mehr und mehr eingeschränkt wurde und zuletzt fast ganz verloren ging.
In den letzten Reformationen dieses Säculums und noch mehr in denen des
nächsten befiehlt die gewachsene Fürstengewalt, und die Universität gehorcht.

Zunächst fahren wir fort in unsern Beispielen von der Fürsorge der Re-
rungen für die Wohlfahrt und Bequemlichkeit der Angehörigen ihrer Ani'
verspäten.

Erzherzog Rudolf der Vierte wies seine Amtleute an. die Angehörigen der
von ihm gegründeten hohen Schule zu Wien auf deren Ansuchen von Ort zu
Ort zu geleiten, und verpflichtete sich, jedweden durch Verzögerung entstandenen


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[0477] Zahlung der versprochnen Zuschüsse. Daher mußten sich die Fürsten 1438 entschließen, diese sicherer zu fundiren. Damit verbanden sie aber zugleich An¬ sprüche auf größeren Einfluß auf die Angelegenheiten der Corporation, und es wurden Reformvorschläge gemacht, die in Leipzig starker Mißbilligung begegneten, schließlich aber doch durchgingen. Erst nach länger als einem Menschenalter traten die sächsische Regierung und der Bischof von Merseburg. letzterer als geistlicher Vorgesetzter der leipziger Hochschule, mit der Aufforderung'zu durch- greifender Revision der Statuten auf, und jene ernannte einige Doctoren zur Empfangnahme der Nevisionsvorschläge von Seiten der Corporation. Als diese Commission die Vorschläge, nachdem sie vom Fürsten zurückgekommen, im Januar 1446 sofort als Gesetz proclamirte, erhob sich die Majorität der Universität, die sich die definitive Beschlußnahme gewahrt wissen wollte, mit Ungestüm dagegen und verfocht ihre Ansprüche mit größter Schroffheit. Der Fürst kam selbst in die Universitätsversammlung, in der die Angelegenheit, wie üblich, von den vier Nationen gemeinsam verhandelt werden sollte, und hier sagte ihm einer der Professoren — Johann Kore hieß der unerschrockne Herr — kühn ins Gesicht: „Item, unsre Universität ist in Freiheiten und Privilegien nach dem Muster der pariser Universität gegründet, in welche Freiheiten sich niemand zu mischen hat, weder der König (rsx) noch der Kanzler, sondern sie hat diese Statuten für sich zu entwerfen, zu ändern und zu verbessern nach Bedürfniß der Zeit und Beschaffenheit der Geschäfte, und deshalb heißt sie eben eine privilegirte Universität. Wenn daher zwei oder drei von ihren Häuptern hinter dem Rücken der Gesammtheit und ohne deren Wissen Statuten machen sollen und können, wie das jetzt angefangen hat, so sind wir ganz wie die Knaben unter der Ruthe." Die Sache wurde damals scheinbar zu Gunsten der Universität erledigt, formell aber zu Gunsten des Fürsten — für die Zukunft die Hauptsache. Die Universität mußte die Statuten annehmen, bekam indeß unter der Hand die Erlaubniß, zu verändern. was darin ihren Privilegien widerspräche. Wir werden später sehen, wie in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts diese Freiheit mehr und mehr eingeschränkt wurde und zuletzt fast ganz verloren ging. In den letzten Reformationen dieses Säculums und noch mehr in denen des nächsten befiehlt die gewachsene Fürstengewalt, und die Universität gehorcht. Zunächst fahren wir fort in unsern Beispielen von der Fürsorge der Re- rungen für die Wohlfahrt und Bequemlichkeit der Angehörigen ihrer Ani' verspäten. Erzherzog Rudolf der Vierte wies seine Amtleute an. die Angehörigen der von ihm gegründeten hohen Schule zu Wien auf deren Ansuchen von Ort zu Ort zu geleiten, und verpflichtete sich, jedweden durch Verzögerung entstandenen Grenzboten I. ISSS. S7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/477>, abgerufen am 01.07.2024.