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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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sophische Dekan der zweite. die Seniorc-n der Nationen sind die Viertelsmeister,
die Dekane der Theologen, Juristen und Mediciner die Obermeister ihrer Zünfte,
die Magisterschaft entspricht der Vollbürgerschaft nach der einen, der Meister¬
schaft nach der andern Seite, die Studenten endlich sind fremde Zunftgesellen,
resp. Lehrlinge.

Die Stellung unsrer mittelalterlichen Universitäten zum Staat war an"
fänglich wohl in den meisten Fällen eine sehr freie. Nach vielen Beziehungen
bildeten sie, durch weitgehende Privilegien begünstigt, welche ihnen der Wunsch
oder die Freude der Fürsten, eine solche Licht und Glanz um sich verbreitende
Anstalt zu besitzen, bereitwillig verliehen, gradezu eine Art Staat im Staate,
wobei freilich daran erinnert werden muß, daß damals auch andere Körper¬
schaften sich in wesentlichen Dingen selbst regierten und daß die Staaten des
Mutelalters überhaupt nicht entfernt so centralisirt waren als die heutigen.
In der Regel stellte ein Stiftungsbrief die Grundzüge der Verfassung für die
Hochschule fest, aber die ferneren Statuten und Satzungen entwarf diese ge¬
wöhnlich aus die eine oder die andere Weise selbst, und dieselben traten dann
meist ohne Mitwirkung andrer Gewalten ins Leben.

Die Universitäten hatten sodann eigne Gerichtsbarkeit und Polizei, ihre
Professoren und Studenten genossen sicheres Geleit, soweit es unter den Ver¬
hältnissen einer gewaltthätigen und häufig von Fehden heimgesuchten Zeit ge¬
währt werden konnte; sie waren von allen öffentlichen Abgaben und Lasten be¬
freit und hatten zuweilen auch das Recht der Jagd und Fischerei. Die Lehrer
beschickten Kirchenversammlungen und Reichstage mit Abgeordneten aus ihrer
Mitte und waren befugt, akademische Titel zu verleihen, welche in Fragen der
Etiquette dem Adel gleich geachtet wurden. Die Professoren bekamen vom
Staate gewöhnlich keine Gehalte, sondern lebten von den Honoraren, welche
ihnen die Studenten zahlten, und von dem Ertrag der Güter, Häuser und
sonstigen Besitztümer, mit welchen die Universität bei ihrer Gründung dotirt
und sonst im Laufe der Zeit, auch von Privatwohlthätern, beschenkt worden
war. In Leipzig bezogen, wie wir sehen werden, die Professoren gleich anfäng¬
lich Gehalte von der Regierung. Ob dies letztere auch anderswo der Fall ge¬
wesen, ist dem Verf. unbekannt.

Einige Beispiele mögen diese Angaben bestätigen.

Wie frei manche Universitäten dem Staate gegenüberstanden, zeigt unter
andern vornehmlich Leipzig. Die fürstlichen Gründer hatten dieser Hochschule
bereitwillig die größte Selbständigkeit gewährt; selbst zu der Fundation und
Dotation wurde die Zustimmung der Universität eingeholt. Später bekümmerte
man sich jahrelang so gut wie gar nicht um ihre Verwaltung und Gesetzgebung,
obwohl man sich das Recht zu Veränderungen ausdrücklich gewahrt hatte. Diese
Freiheit war sehr bequem, aber freilich wurde man auch nachlässig in der


sophische Dekan der zweite. die Seniorc-n der Nationen sind die Viertelsmeister,
die Dekane der Theologen, Juristen und Mediciner die Obermeister ihrer Zünfte,
die Magisterschaft entspricht der Vollbürgerschaft nach der einen, der Meister¬
schaft nach der andern Seite, die Studenten endlich sind fremde Zunftgesellen,
resp. Lehrlinge.

Die Stellung unsrer mittelalterlichen Universitäten zum Staat war an»
fänglich wohl in den meisten Fällen eine sehr freie. Nach vielen Beziehungen
bildeten sie, durch weitgehende Privilegien begünstigt, welche ihnen der Wunsch
oder die Freude der Fürsten, eine solche Licht und Glanz um sich verbreitende
Anstalt zu besitzen, bereitwillig verliehen, gradezu eine Art Staat im Staate,
wobei freilich daran erinnert werden muß, daß damals auch andere Körper¬
schaften sich in wesentlichen Dingen selbst regierten und daß die Staaten des
Mutelalters überhaupt nicht entfernt so centralisirt waren als die heutigen.
In der Regel stellte ein Stiftungsbrief die Grundzüge der Verfassung für die
Hochschule fest, aber die ferneren Statuten und Satzungen entwarf diese ge¬
wöhnlich aus die eine oder die andere Weise selbst, und dieselben traten dann
meist ohne Mitwirkung andrer Gewalten ins Leben.

Die Universitäten hatten sodann eigne Gerichtsbarkeit und Polizei, ihre
Professoren und Studenten genossen sicheres Geleit, soweit es unter den Ver¬
hältnissen einer gewaltthätigen und häufig von Fehden heimgesuchten Zeit ge¬
währt werden konnte; sie waren von allen öffentlichen Abgaben und Lasten be¬
freit und hatten zuweilen auch das Recht der Jagd und Fischerei. Die Lehrer
beschickten Kirchenversammlungen und Reichstage mit Abgeordneten aus ihrer
Mitte und waren befugt, akademische Titel zu verleihen, welche in Fragen der
Etiquette dem Adel gleich geachtet wurden. Die Professoren bekamen vom
Staate gewöhnlich keine Gehalte, sondern lebten von den Honoraren, welche
ihnen die Studenten zahlten, und von dem Ertrag der Güter, Häuser und
sonstigen Besitztümer, mit welchen die Universität bei ihrer Gründung dotirt
und sonst im Laufe der Zeit, auch von Privatwohlthätern, beschenkt worden
war. In Leipzig bezogen, wie wir sehen werden, die Professoren gleich anfäng¬
lich Gehalte von der Regierung. Ob dies letztere auch anderswo der Fall ge¬
wesen, ist dem Verf. unbekannt.

Einige Beispiele mögen diese Angaben bestätigen.

Wie frei manche Universitäten dem Staate gegenüberstanden, zeigt unter
andern vornehmlich Leipzig. Die fürstlichen Gründer hatten dieser Hochschule
bereitwillig die größte Selbständigkeit gewährt; selbst zu der Fundation und
Dotation wurde die Zustimmung der Universität eingeholt. Später bekümmerte
man sich jahrelang so gut wie gar nicht um ihre Verwaltung und Gesetzgebung,
obwohl man sich das Recht zu Veränderungen ausdrücklich gewahrt hatte. Diese
Freiheit war sehr bequem, aber freilich wurde man auch nachlässig in der


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[0476] sophische Dekan der zweite. die Seniorc-n der Nationen sind die Viertelsmeister, die Dekane der Theologen, Juristen und Mediciner die Obermeister ihrer Zünfte, die Magisterschaft entspricht der Vollbürgerschaft nach der einen, der Meister¬ schaft nach der andern Seite, die Studenten endlich sind fremde Zunftgesellen, resp. Lehrlinge. Die Stellung unsrer mittelalterlichen Universitäten zum Staat war an» fänglich wohl in den meisten Fällen eine sehr freie. Nach vielen Beziehungen bildeten sie, durch weitgehende Privilegien begünstigt, welche ihnen der Wunsch oder die Freude der Fürsten, eine solche Licht und Glanz um sich verbreitende Anstalt zu besitzen, bereitwillig verliehen, gradezu eine Art Staat im Staate, wobei freilich daran erinnert werden muß, daß damals auch andere Körper¬ schaften sich in wesentlichen Dingen selbst regierten und daß die Staaten des Mutelalters überhaupt nicht entfernt so centralisirt waren als die heutigen. In der Regel stellte ein Stiftungsbrief die Grundzüge der Verfassung für die Hochschule fest, aber die ferneren Statuten und Satzungen entwarf diese ge¬ wöhnlich aus die eine oder die andere Weise selbst, und dieselben traten dann meist ohne Mitwirkung andrer Gewalten ins Leben. Die Universitäten hatten sodann eigne Gerichtsbarkeit und Polizei, ihre Professoren und Studenten genossen sicheres Geleit, soweit es unter den Ver¬ hältnissen einer gewaltthätigen und häufig von Fehden heimgesuchten Zeit ge¬ währt werden konnte; sie waren von allen öffentlichen Abgaben und Lasten be¬ freit und hatten zuweilen auch das Recht der Jagd und Fischerei. Die Lehrer beschickten Kirchenversammlungen und Reichstage mit Abgeordneten aus ihrer Mitte und waren befugt, akademische Titel zu verleihen, welche in Fragen der Etiquette dem Adel gleich geachtet wurden. Die Professoren bekamen vom Staate gewöhnlich keine Gehalte, sondern lebten von den Honoraren, welche ihnen die Studenten zahlten, und von dem Ertrag der Güter, Häuser und sonstigen Besitztümer, mit welchen die Universität bei ihrer Gründung dotirt und sonst im Laufe der Zeit, auch von Privatwohlthätern, beschenkt worden war. In Leipzig bezogen, wie wir sehen werden, die Professoren gleich anfäng¬ lich Gehalte von der Regierung. Ob dies letztere auch anderswo der Fall ge¬ wesen, ist dem Verf. unbekannt. Einige Beispiele mögen diese Angaben bestätigen. Wie frei manche Universitäten dem Staate gegenüberstanden, zeigt unter andern vornehmlich Leipzig. Die fürstlichen Gründer hatten dieser Hochschule bereitwillig die größte Selbständigkeit gewährt; selbst zu der Fundation und Dotation wurde die Zustimmung der Universität eingeholt. Später bekümmerte man sich jahrelang so gut wie gar nicht um ihre Verwaltung und Gesetzgebung, obwohl man sich das Recht zu Veränderungen ausdrücklich gewahrt hatte. Diese Freiheit war sehr bequem, aber freilich wurde man auch nachlässig in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/476>, abgerufen am 01.07.2024.