persieae in vier Nationen*): die meißnische, sächsische, bayerische und polnische, die vollkommen gleichberechtigt sind, von denen jede ihre besondern Collegiat" stellen, Bursen. Berathungen, Feste und einen Senior an der Spitze hat, und deren oberster Bevollmächtigter der Rector ist. Dieser führt den Vorsitz in allen das bürgerliche Leben, die Rechte, Einkünfte u. s. w. der Corporation betreffen¬ den Instituten, ist oberster Richter der Gesammtheit und vermittelt die aus. waldigen Angelegenheiten derselben. Nur durch Eintritt in die Zahl der zum Lehren Befugten wird die Mitgliedschaft bei der politischen Gemeinde erworben. Als lehrende Körperschaft gliedert sich die Universität in die vier Facultäten des pariser Systems, von denen jede einen Dekan zum Präses hat. Die Zweige des Ganzen stehn aber nicht in gleichem Verhältniß neben einander. Die artistische oder philosophische Facultät gilt vielmehr als Stamm oder gemein¬ schaftliche Grundlage der drei andern; ja sie fällt ideell mit dem Umfang der uviversitas, d. h. mit der Gesammtheit aller hier Lehrenden zusammen, denn eben nur dadurch, daß man die Magisterwürde in ihr und damit das Recht, in ihr Vorträge zu halten, erlangt, kann man Mitglied der Universität werden. Die übrigen Facultäten sind mehr etwas Beiläufiges, nicht zum Charakter der Universitätsbildung Gehöriges, eine Auffassung, die noch jetzt das Wesen der englischen Hochschulen bestimmt. "Rector, irmgistri et cloetores" lautet die Formel für die Gesammtheit der Lehrkräfte im alten Leipzig, nicht cloewres et og-gistri. Allerdings ist sonst der Dekan der Artisten erst der Vierte in der Rangordnung der College", aber seine Bedeutung ist statutenmäßig größer als die der drei andern. Während diese nur Privatbeamte ihrer Facultäten sind und mit der Universität als solcher nichts zu schaffen haben, ist das philo¬ sophische Dekanat eine Würde, welche die Gesammtheit aller betrifft und selbst in die Eigenschaft der uirivcü-Lilas als politische Gemeinde hinübergreife. Der Artistendekan wird mit bestimmter Abwechselung aus den vier Nationen gewählt, er ist nothwendiges Glied bei der Rectorwahl, er hat mit den Senioren der Nationen die Pflicht, bei Abgang deS Rectors sein Urtheil über dessen Amts¬ führung abzugeben, er vertritt überhaupt die ganze Corporation, sofern sie eine lehrende ist, während der Rector sie in ihrer Eigenschaft als politische Gemeinde rcprcisentirt. Mit jenem verknüpft sich, wie Zarncke, dem diese Darstellung vorzüglich folgte, treffend bemerkt, die Vorstellung der moralischen und wissen¬ schaftlichen Würde, mit diesem die der Macht.
Vergleichen wir die hier besprochene Universität mit einem mittelalterlichen Städtewesen, so können wir ungefähr sagen: jene beiden Würdenträger sind die beiden obersten Magistrate, der Rector der erste Bürgermeister, der philo-
") Die Vielzahl, welche bei den nach pariser Muster geordneten deutschen Universitäten immer wiederkehrt, war anderwärts nicht überall Norm; Orleans z, B, hatte zehn, Padua sogar fünfundzwanzig Nationen, Oxford dagegen nur zwei.
persieae in vier Nationen*): die meißnische, sächsische, bayerische und polnische, die vollkommen gleichberechtigt sind, von denen jede ihre besondern Collegiat« stellen, Bursen. Berathungen, Feste und einen Senior an der Spitze hat, und deren oberster Bevollmächtigter der Rector ist. Dieser führt den Vorsitz in allen das bürgerliche Leben, die Rechte, Einkünfte u. s. w. der Corporation betreffen¬ den Instituten, ist oberster Richter der Gesammtheit und vermittelt die aus. waldigen Angelegenheiten derselben. Nur durch Eintritt in die Zahl der zum Lehren Befugten wird die Mitgliedschaft bei der politischen Gemeinde erworben. Als lehrende Körperschaft gliedert sich die Universität in die vier Facultäten des pariser Systems, von denen jede einen Dekan zum Präses hat. Die Zweige des Ganzen stehn aber nicht in gleichem Verhältniß neben einander. Die artistische oder philosophische Facultät gilt vielmehr als Stamm oder gemein¬ schaftliche Grundlage der drei andern; ja sie fällt ideell mit dem Umfang der uviversitas, d. h. mit der Gesammtheit aller hier Lehrenden zusammen, denn eben nur dadurch, daß man die Magisterwürde in ihr und damit das Recht, in ihr Vorträge zu halten, erlangt, kann man Mitglied der Universität werden. Die übrigen Facultäten sind mehr etwas Beiläufiges, nicht zum Charakter der Universitätsbildung Gehöriges, eine Auffassung, die noch jetzt das Wesen der englischen Hochschulen bestimmt. „Rector, irmgistri et cloetores" lautet die Formel für die Gesammtheit der Lehrkräfte im alten Leipzig, nicht cloewres et og-gistri. Allerdings ist sonst der Dekan der Artisten erst der Vierte in der Rangordnung der College«, aber seine Bedeutung ist statutenmäßig größer als die der drei andern. Während diese nur Privatbeamte ihrer Facultäten sind und mit der Universität als solcher nichts zu schaffen haben, ist das philo¬ sophische Dekanat eine Würde, welche die Gesammtheit aller betrifft und selbst in die Eigenschaft der uirivcü-Lilas als politische Gemeinde hinübergreife. Der Artistendekan wird mit bestimmter Abwechselung aus den vier Nationen gewählt, er ist nothwendiges Glied bei der Rectorwahl, er hat mit den Senioren der Nationen die Pflicht, bei Abgang deS Rectors sein Urtheil über dessen Amts¬ führung abzugeben, er vertritt überhaupt die ganze Corporation, sofern sie eine lehrende ist, während der Rector sie in ihrer Eigenschaft als politische Gemeinde rcprcisentirt. Mit jenem verknüpft sich, wie Zarncke, dem diese Darstellung vorzüglich folgte, treffend bemerkt, die Vorstellung der moralischen und wissen¬ schaftlichen Würde, mit diesem die der Macht.
Vergleichen wir die hier besprochene Universität mit einem mittelalterlichen Städtewesen, so können wir ungefähr sagen: jene beiden Würdenträger sind die beiden obersten Magistrate, der Rector der erste Bürgermeister, der philo-
") Die Vielzahl, welche bei den nach pariser Muster geordneten deutschen Universitäten immer wiederkehrt, war anderwärts nicht überall Norm; Orleans z, B, hatte zehn, Padua sogar fünfundzwanzig Nationen, Oxford dagegen nur zwei.
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persieae in vier Nationen*): die meißnische, sächsische, bayerische und polnische,
die vollkommen gleichberechtigt sind, von denen jede ihre besondern Collegiat«
stellen, Bursen. Berathungen, Feste und einen Senior an der Spitze hat, und
deren oberster Bevollmächtigter der Rector ist. Dieser führt den Vorsitz in allen
das bürgerliche Leben, die Rechte, Einkünfte u. s. w. der Corporation betreffen¬
den Instituten, ist oberster Richter der Gesammtheit und vermittelt die aus.
waldigen Angelegenheiten derselben. Nur durch Eintritt in die Zahl der zum
Lehren Befugten wird die Mitgliedschaft bei der politischen Gemeinde erworben.
Als lehrende Körperschaft gliedert sich die Universität in die vier Facultäten
des pariser Systems, von denen jede einen Dekan zum Präses hat. Die Zweige
des Ganzen stehn aber nicht in gleichem Verhältniß neben einander. Die
artistische oder philosophische Facultät gilt vielmehr als Stamm oder gemein¬
schaftliche Grundlage der drei andern; ja sie fällt ideell mit dem Umfang der
uviversitas, d. h. mit der Gesammtheit aller hier Lehrenden zusammen, denn
eben nur dadurch, daß man die Magisterwürde in ihr und damit das Recht,
in ihr Vorträge zu halten, erlangt, kann man Mitglied der Universität werden.
Die übrigen Facultäten sind mehr etwas Beiläufiges, nicht zum Charakter der
Universitätsbildung Gehöriges, eine Auffassung, die noch jetzt das Wesen der
englischen Hochschulen bestimmt. „Rector, irmgistri et cloetores" lautet die
Formel für die Gesammtheit der Lehrkräfte im alten Leipzig, nicht cloewres et
og-gistri. Allerdings ist sonst der Dekan der Artisten erst der Vierte in der
Rangordnung der College«, aber seine Bedeutung ist statutenmäßig größer als
die der drei andern. Während diese nur Privatbeamte ihrer Facultäten sind
und mit der Universität als solcher nichts zu schaffen haben, ist das philo¬
sophische Dekanat eine Würde, welche die Gesammtheit aller betrifft und selbst
in die Eigenschaft der uirivcü-Lilas als politische Gemeinde hinübergreife. Der
Artistendekan wird mit bestimmter Abwechselung aus den vier Nationen gewählt,
er ist nothwendiges Glied bei der Rectorwahl, er hat mit den Senioren der
Nationen die Pflicht, bei Abgang deS Rectors sein Urtheil über dessen Amts¬
führung abzugeben, er vertritt überhaupt die ganze Corporation, sofern sie eine
lehrende ist, während der Rector sie in ihrer Eigenschaft als politische Gemeinde
rcprcisentirt. Mit jenem verknüpft sich, wie Zarncke, dem diese Darstellung
vorzüglich folgte, treffend bemerkt, die Vorstellung der moralischen und wissen¬
schaftlichen Würde, mit diesem die der Macht.
Vergleichen wir die hier besprochene Universität mit einem mittelalterlichen
Städtewesen, so können wir ungefähr sagen: jene beiden Würdenträger sind
die beiden obersten Magistrate, der Rector der erste Bürgermeister, der philo-
") Die Vielzahl, welche bei den nach pariser Muster geordneten deutschen Universitäten
immer wiederkehrt, war anderwärts nicht überall Norm; Orleans z, B, hatte zehn, Padua
sogar fünfundzwanzig Nationen, Oxford dagegen nur zwei.
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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/475>, abgerufen am 03.01.2025.
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