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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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eingeführten Gegenstände seien mit unbilligen Zoll belastet, indem eine ein¬
fache wollene Decke, wie sie jeder Maori zur Bekleidung brauche, nach dem
Gewicht besteuert sei und so mehr Zoll bezahlen müsse als das Seidenkleid,
welches die reiche Stadtdame trage. Man unterwerfe den Verkauf von Waffen
an die Landeskinder strengen Gesetzen, die schädlichen Spirituosen aber lasse
man ohne Einschränkung feilbieten u. s. w.

Die Hauptsache aber war immer die Landfrage, und hier war das Rechts¬
verhältniß allerdings nicht völlig klar. Herrenloses Land gab es nach dem
Herkommen auf Neuseeland nicht, aber auch weder Staats- noch Privatland in
unserm Sinne. Jeder Stamm besaß das Land des Bezirks, in welchem er
wohnte, gemeinschaftlich, der Einzelne, der ein Stück davon bearbeitete, hatte,
so lange er es benutzte, eine Art Eigenthumsrecht auf dasselbe. Als die Eng¬
länder sich hier niederließen, änderte sich das, indem der Landbesitz jetzt auch
Geldeswerth bekam. Zuerst geschah es. daß Häuptlinge, sich als Besitzer der
Ländereien ihres Stammes ansehend, weite Strecken davon für eine Kleinigkeit,
ein paar Pfund Tabak, el" paar Flinten oder Werkzeuge verkauften. Später
machte man von Seiten der Maori größere, oft übertriebene Ansprüche. End¬
lich schloß man den Vertrag von Waitanga, nach welchem sich die Regierung
für jeden Acre einen Schilling zu zahlen verpflichtete. Aber nur ein Theil der
Eingebornen war damit zufrieden, unter den Uebrigen bildete sich eine sogenannte
"I^g-va I^oggue", welche jeden Verkauf von Grund und Boden an Fremde zu
verhindern suchte, während die Regierung ihrerseits für die Einwanderer mög¬
lichst viel Land zu gewinnen strebte. So konnte ein Conflict nicht ausbleiben.

Im Spätjahr 1859 hatte ein Eingeborner bei New-Plymouth in der Pro-
vinz Taranaki 600 AcreS an die Pakehas verkauft. Der Häuptling Wiremu
Kingi widersetzte sich, indem er behauptete, der Betreffende habe dies ohne
seine Erlaubniß nicht thun dürfen, und trieb die Feldmesser von bannen. Im
März 1860 erschienen sie mit Soldaten wieder, und da die Maori inzwischen
sich zum weiteren Widerstand gerüstet und ein Pa (Burg, Schanze) gebaut
hatten, so kam es zum Kampfe, in welchem die Engländer den ersten Schuß
thaten, und der nun schnell größere Dimensionen annahm. Häuptlinge, welche
sich der Bewegung nicht anschlössen und der Regierung ihre Vermittelung an¬
boten, wie der berühmte Krieger Tamehana, von den Engländern Thompson
genannt, wurden schnöde behandelt, vom Gouverneur nicht einmal empfangen
und so in das Lager der Aufständischen getrieben. Wiederholt kam es zu
blutigen Zusammenstößen, und nicht immer blieben die Engländer gegen ihre
gutbewaffneten Gegner im Vortheil.

Endlich schien der größte Theil des Landes beruhigt, als 1861 die Jnsur-
rection von neuem mächtiger wurde, indem die Regierung mit Landcoufiscationen
vorzugehen begonnen hatte. Wieder kam jener Tamehana nach Auckland, der


Grenzboten l. 186K. 54

eingeführten Gegenstände seien mit unbilligen Zoll belastet, indem eine ein¬
fache wollene Decke, wie sie jeder Maori zur Bekleidung brauche, nach dem
Gewicht besteuert sei und so mehr Zoll bezahlen müsse als das Seidenkleid,
welches die reiche Stadtdame trage. Man unterwerfe den Verkauf von Waffen
an die Landeskinder strengen Gesetzen, die schädlichen Spirituosen aber lasse
man ohne Einschränkung feilbieten u. s. w.

Die Hauptsache aber war immer die Landfrage, und hier war das Rechts¬
verhältniß allerdings nicht völlig klar. Herrenloses Land gab es nach dem
Herkommen auf Neuseeland nicht, aber auch weder Staats- noch Privatland in
unserm Sinne. Jeder Stamm besaß das Land des Bezirks, in welchem er
wohnte, gemeinschaftlich, der Einzelne, der ein Stück davon bearbeitete, hatte,
so lange er es benutzte, eine Art Eigenthumsrecht auf dasselbe. Als die Eng¬
länder sich hier niederließen, änderte sich das, indem der Landbesitz jetzt auch
Geldeswerth bekam. Zuerst geschah es. daß Häuptlinge, sich als Besitzer der
Ländereien ihres Stammes ansehend, weite Strecken davon für eine Kleinigkeit,
ein paar Pfund Tabak, el» paar Flinten oder Werkzeuge verkauften. Später
machte man von Seiten der Maori größere, oft übertriebene Ansprüche. End¬
lich schloß man den Vertrag von Waitanga, nach welchem sich die Regierung
für jeden Acre einen Schilling zu zahlen verpflichtete. Aber nur ein Theil der
Eingebornen war damit zufrieden, unter den Uebrigen bildete sich eine sogenannte
„I^g-va I^oggue", welche jeden Verkauf von Grund und Boden an Fremde zu
verhindern suchte, während die Regierung ihrerseits für die Einwanderer mög¬
lichst viel Land zu gewinnen strebte. So konnte ein Conflict nicht ausbleiben.

Im Spätjahr 1859 hatte ein Eingeborner bei New-Plymouth in der Pro-
vinz Taranaki 600 AcreS an die Pakehas verkauft. Der Häuptling Wiremu
Kingi widersetzte sich, indem er behauptete, der Betreffende habe dies ohne
seine Erlaubniß nicht thun dürfen, und trieb die Feldmesser von bannen. Im
März 1860 erschienen sie mit Soldaten wieder, und da die Maori inzwischen
sich zum weiteren Widerstand gerüstet und ein Pa (Burg, Schanze) gebaut
hatten, so kam es zum Kampfe, in welchem die Engländer den ersten Schuß
thaten, und der nun schnell größere Dimensionen annahm. Häuptlinge, welche
sich der Bewegung nicht anschlössen und der Regierung ihre Vermittelung an¬
boten, wie der berühmte Krieger Tamehana, von den Engländern Thompson
genannt, wurden schnöde behandelt, vom Gouverneur nicht einmal empfangen
und so in das Lager der Aufständischen getrieben. Wiederholt kam es zu
blutigen Zusammenstößen, und nicht immer blieben die Engländer gegen ihre
gutbewaffneten Gegner im Vortheil.

Endlich schien der größte Theil des Landes beruhigt, als 1861 die Jnsur-
rection von neuem mächtiger wurde, indem die Regierung mit Landcoufiscationen
vorzugehen begonnen hatte. Wieder kam jener Tamehana nach Auckland, der


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[0451] eingeführten Gegenstände seien mit unbilligen Zoll belastet, indem eine ein¬ fache wollene Decke, wie sie jeder Maori zur Bekleidung brauche, nach dem Gewicht besteuert sei und so mehr Zoll bezahlen müsse als das Seidenkleid, welches die reiche Stadtdame trage. Man unterwerfe den Verkauf von Waffen an die Landeskinder strengen Gesetzen, die schädlichen Spirituosen aber lasse man ohne Einschränkung feilbieten u. s. w. Die Hauptsache aber war immer die Landfrage, und hier war das Rechts¬ verhältniß allerdings nicht völlig klar. Herrenloses Land gab es nach dem Herkommen auf Neuseeland nicht, aber auch weder Staats- noch Privatland in unserm Sinne. Jeder Stamm besaß das Land des Bezirks, in welchem er wohnte, gemeinschaftlich, der Einzelne, der ein Stück davon bearbeitete, hatte, so lange er es benutzte, eine Art Eigenthumsrecht auf dasselbe. Als die Eng¬ länder sich hier niederließen, änderte sich das, indem der Landbesitz jetzt auch Geldeswerth bekam. Zuerst geschah es. daß Häuptlinge, sich als Besitzer der Ländereien ihres Stammes ansehend, weite Strecken davon für eine Kleinigkeit, ein paar Pfund Tabak, el» paar Flinten oder Werkzeuge verkauften. Später machte man von Seiten der Maori größere, oft übertriebene Ansprüche. End¬ lich schloß man den Vertrag von Waitanga, nach welchem sich die Regierung für jeden Acre einen Schilling zu zahlen verpflichtete. Aber nur ein Theil der Eingebornen war damit zufrieden, unter den Uebrigen bildete sich eine sogenannte „I^g-va I^oggue", welche jeden Verkauf von Grund und Boden an Fremde zu verhindern suchte, während die Regierung ihrerseits für die Einwanderer mög¬ lichst viel Land zu gewinnen strebte. So konnte ein Conflict nicht ausbleiben. Im Spätjahr 1859 hatte ein Eingeborner bei New-Plymouth in der Pro- vinz Taranaki 600 AcreS an die Pakehas verkauft. Der Häuptling Wiremu Kingi widersetzte sich, indem er behauptete, der Betreffende habe dies ohne seine Erlaubniß nicht thun dürfen, und trieb die Feldmesser von bannen. Im März 1860 erschienen sie mit Soldaten wieder, und da die Maori inzwischen sich zum weiteren Widerstand gerüstet und ein Pa (Burg, Schanze) gebaut hatten, so kam es zum Kampfe, in welchem die Engländer den ersten Schuß thaten, und der nun schnell größere Dimensionen annahm. Häuptlinge, welche sich der Bewegung nicht anschlössen und der Regierung ihre Vermittelung an¬ boten, wie der berühmte Krieger Tamehana, von den Engländern Thompson genannt, wurden schnöde behandelt, vom Gouverneur nicht einmal empfangen und so in das Lager der Aufständischen getrieben. Wiederholt kam es zu blutigen Zusammenstößen, und nicht immer blieben die Engländer gegen ihre gutbewaffneten Gegner im Vortheil. Endlich schien der größte Theil des Landes beruhigt, als 1861 die Jnsur- rection von neuem mächtiger wurde, indem die Regierung mit Landcoufiscationen vorzugehen begonnen hatte. Wieder kam jener Tamehana nach Auckland, der Grenzboten l. 186K. 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/451>, abgerufen am 01.07.2024.