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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Hauptstadt, um Frieden zu stiften, und wieder wies man ihn barsch zurück. Er
hatte seine Krieger von einem Ueberfall der unbeschützten Stadt abgehalten, um
seinen guten Willen zu zeigen. Zum Dank dafür überfielen bald darauf englische
Truppen die benachbarten Maoridörfer und trieben die Bewohner mitten im
Winter fort, Weiber und Kinder kamen elend um. und seitdem war Tamehana der
erbittertste Feind der Pakehas. Der Krieg währte fort, mit wechselndem Glück,
bald weite Districte ergreifend, bald auf einen kleineren Kreis beschränkt, immer
durch neue Unehrlichkeit der Colonialbehörden wieder angefacht. So namentlich
im Sommer 1863, wo Gouverneur Grey sich überzeugt hatte, daß letztere kein
Recht gehabt. Ländereien des Bezirks Waitara zu confisciren, und dieselben
deshalb zurückgeben wollte. Die Eingebornen hatten dafür den Bezirk Tatarai-
maka besetzt, als ein Pfand, welches sie nach Wiedererstattung jener Ländereien
zurückgeben wollten. Die Regierung aber ließ ohne Weiteres, ehe sie dieselben
von dem Beschluß des Gouverneurs benachrichtigt, Truppen gegen sie marschiren.
Bei Ahuaha entspann sich ein Gefecht, und die Soldaten zogen den Kürzeren,
sie ließen außer Andern ihren Anführer, Capitän Llovd, auf dem Platze.

Zu Anfang des Jahres 1864 hatte die Bewegung fast alle Maoristämme
ergriffen, und die Colonie schwebte in großer Gefahr. Allenthalben, wo es
noch ruhig war, erwartete man einen Ausbruch. Freiwillige wurden aufgerufen,
von Australien Hilfe geholt, jeder Bürger in den Städten stand in Waffen
In vorderster Reihe der Maoristämme befanden sich die Waikatos, die an dem
gleichnamigen Flusse, etwa 12 deutsche Meilen südlich von Auckland wohnen.
Am 17. Juli nahmen die Engländer eines der Pa's derselben bei Kohiroa mit
Sturm, aber der Gewinn war nicht viel werth; denn weit und breit hatten
die Maori das Land mit Schießgruben und andern Befestigungen bedeckt, auf
jedem geeigneten Gipfel stand ein Pa, und an allen diesen Punkten ver¬
theidigten sich die wilden Krieger mit gewohnter Unerschrockenheit. Vergebens,
bombardirte man einige der Burgen und Schanzen mit Hilfe von Dampfern.
Die meisten Angriffe der Engländer schlugen fehl, und wurde ein Pa einmal
mit starkem Menschenverlust genommen, so hatten die Vertheidiger desselben sich
den Rückzug gesichert, und bei dem nächsten Pa wiederholte sich das alte Spiel.
Eine Zeit lang schien England sich nicht anders die Colonie sichern zu können
als durch ein System von Militärcolonien, jeder Kolonist sollte zugleich
Soldat sein.

Inzwischen hatte die Bewegung im April 1864 auch eine religiöse Färbung
angenommen. Wie der Schlangencultus der christlichen Neger in Haiti, so war
auch diese Elscheinung ein Rückfall des Volkes in das alte Heidenthum. nur
mit christlicher Verbrämung und einem wunderbar sanften Namen für den wil¬
desten Ausdruck von Haß und bestialischem Aberglauben. "Pai Marire" nannte
sich die neue Religion, d. h. Güte und Friedlichkeit, aber ihr Wesen war nichts


Hauptstadt, um Frieden zu stiften, und wieder wies man ihn barsch zurück. Er
hatte seine Krieger von einem Ueberfall der unbeschützten Stadt abgehalten, um
seinen guten Willen zu zeigen. Zum Dank dafür überfielen bald darauf englische
Truppen die benachbarten Maoridörfer und trieben die Bewohner mitten im
Winter fort, Weiber und Kinder kamen elend um. und seitdem war Tamehana der
erbittertste Feind der Pakehas. Der Krieg währte fort, mit wechselndem Glück,
bald weite Districte ergreifend, bald auf einen kleineren Kreis beschränkt, immer
durch neue Unehrlichkeit der Colonialbehörden wieder angefacht. So namentlich
im Sommer 1863, wo Gouverneur Grey sich überzeugt hatte, daß letztere kein
Recht gehabt. Ländereien des Bezirks Waitara zu confisciren, und dieselben
deshalb zurückgeben wollte. Die Eingebornen hatten dafür den Bezirk Tatarai-
maka besetzt, als ein Pfand, welches sie nach Wiedererstattung jener Ländereien
zurückgeben wollten. Die Regierung aber ließ ohne Weiteres, ehe sie dieselben
von dem Beschluß des Gouverneurs benachrichtigt, Truppen gegen sie marschiren.
Bei Ahuaha entspann sich ein Gefecht, und die Soldaten zogen den Kürzeren,
sie ließen außer Andern ihren Anführer, Capitän Llovd, auf dem Platze.

Zu Anfang des Jahres 1864 hatte die Bewegung fast alle Maoristämme
ergriffen, und die Colonie schwebte in großer Gefahr. Allenthalben, wo es
noch ruhig war, erwartete man einen Ausbruch. Freiwillige wurden aufgerufen,
von Australien Hilfe geholt, jeder Bürger in den Städten stand in Waffen
In vorderster Reihe der Maoristämme befanden sich die Waikatos, die an dem
gleichnamigen Flusse, etwa 12 deutsche Meilen südlich von Auckland wohnen.
Am 17. Juli nahmen die Engländer eines der Pa's derselben bei Kohiroa mit
Sturm, aber der Gewinn war nicht viel werth; denn weit und breit hatten
die Maori das Land mit Schießgruben und andern Befestigungen bedeckt, auf
jedem geeigneten Gipfel stand ein Pa, und an allen diesen Punkten ver¬
theidigten sich die wilden Krieger mit gewohnter Unerschrockenheit. Vergebens,
bombardirte man einige der Burgen und Schanzen mit Hilfe von Dampfern.
Die meisten Angriffe der Engländer schlugen fehl, und wurde ein Pa einmal
mit starkem Menschenverlust genommen, so hatten die Vertheidiger desselben sich
den Rückzug gesichert, und bei dem nächsten Pa wiederholte sich das alte Spiel.
Eine Zeit lang schien England sich nicht anders die Colonie sichern zu können
als durch ein System von Militärcolonien, jeder Kolonist sollte zugleich
Soldat sein.

Inzwischen hatte die Bewegung im April 1864 auch eine religiöse Färbung
angenommen. Wie der Schlangencultus der christlichen Neger in Haiti, so war
auch diese Elscheinung ein Rückfall des Volkes in das alte Heidenthum. nur
mit christlicher Verbrämung und einem wunderbar sanften Namen für den wil¬
desten Ausdruck von Haß und bestialischem Aberglauben. „Pai Marire" nannte
sich die neue Religion, d. h. Güte und Friedlichkeit, aber ihr Wesen war nichts


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[0452] Hauptstadt, um Frieden zu stiften, und wieder wies man ihn barsch zurück. Er hatte seine Krieger von einem Ueberfall der unbeschützten Stadt abgehalten, um seinen guten Willen zu zeigen. Zum Dank dafür überfielen bald darauf englische Truppen die benachbarten Maoridörfer und trieben die Bewohner mitten im Winter fort, Weiber und Kinder kamen elend um. und seitdem war Tamehana der erbittertste Feind der Pakehas. Der Krieg währte fort, mit wechselndem Glück, bald weite Districte ergreifend, bald auf einen kleineren Kreis beschränkt, immer durch neue Unehrlichkeit der Colonialbehörden wieder angefacht. So namentlich im Sommer 1863, wo Gouverneur Grey sich überzeugt hatte, daß letztere kein Recht gehabt. Ländereien des Bezirks Waitara zu confisciren, und dieselben deshalb zurückgeben wollte. Die Eingebornen hatten dafür den Bezirk Tatarai- maka besetzt, als ein Pfand, welches sie nach Wiedererstattung jener Ländereien zurückgeben wollten. Die Regierung aber ließ ohne Weiteres, ehe sie dieselben von dem Beschluß des Gouverneurs benachrichtigt, Truppen gegen sie marschiren. Bei Ahuaha entspann sich ein Gefecht, und die Soldaten zogen den Kürzeren, sie ließen außer Andern ihren Anführer, Capitän Llovd, auf dem Platze. Zu Anfang des Jahres 1864 hatte die Bewegung fast alle Maoristämme ergriffen, und die Colonie schwebte in großer Gefahr. Allenthalben, wo es noch ruhig war, erwartete man einen Ausbruch. Freiwillige wurden aufgerufen, von Australien Hilfe geholt, jeder Bürger in den Städten stand in Waffen In vorderster Reihe der Maoristämme befanden sich die Waikatos, die an dem gleichnamigen Flusse, etwa 12 deutsche Meilen südlich von Auckland wohnen. Am 17. Juli nahmen die Engländer eines der Pa's derselben bei Kohiroa mit Sturm, aber der Gewinn war nicht viel werth; denn weit und breit hatten die Maori das Land mit Schießgruben und andern Befestigungen bedeckt, auf jedem geeigneten Gipfel stand ein Pa, und an allen diesen Punkten ver¬ theidigten sich die wilden Krieger mit gewohnter Unerschrockenheit. Vergebens, bombardirte man einige der Burgen und Schanzen mit Hilfe von Dampfern. Die meisten Angriffe der Engländer schlugen fehl, und wurde ein Pa einmal mit starkem Menschenverlust genommen, so hatten die Vertheidiger desselben sich den Rückzug gesichert, und bei dem nächsten Pa wiederholte sich das alte Spiel. Eine Zeit lang schien England sich nicht anders die Colonie sichern zu können als durch ein System von Militärcolonien, jeder Kolonist sollte zugleich Soldat sein. Inzwischen hatte die Bewegung im April 1864 auch eine religiöse Färbung angenommen. Wie der Schlangencultus der christlichen Neger in Haiti, so war auch diese Elscheinung ein Rückfall des Volkes in das alte Heidenthum. nur mit christlicher Verbrämung und einem wunderbar sanften Namen für den wil¬ desten Ausdruck von Haß und bestialischem Aberglauben. „Pai Marire" nannte sich die neue Religion, d. h. Güte und Friedlichkeit, aber ihr Wesen war nichts

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/452>, abgerufen am 01.07.2024.