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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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eine Kuini Vikitoria o Jngurangi; aus Hochstetter machten sie einen Hokiteta.
Und so wird alles umgestaltet."

"Vom Christenthum haben sich die Maori nur die äußere Form ange¬
eignet. An die Stelle ihrer alten heidnischen Bräuche und Feierlichkeiten sind
jetzt christliche getreten; die biblische Geschichte ist für den Maori nur eine neue
Auflage von Ueberlieferungen, die er mit seinen alten heidnischen Traditionen
vertauscht und wohl auch vermengt. Viele ließen sich taufen, nur weil sie da¬
durch zugleich materielle Vortheile erreichten." Das Alte und das Neue Testa¬
ment und das Commonprayerbook ist in ihre Sprache übersetzt, viele besitzen
diese Bücher, manche legen eine sehr genaue Kenntniß derselben an den Tag,
bei jeder Gelegenheit hört man Bibelsprüche von ihnen anführen. "Aber das
Christenthum des Maori ist nur eine äußerliche Satzung, die zur Mode ge¬
worden ist. Er betet regelmäßig, aber er lebt unregelmäßig und arbeitet un¬
regelmäßig."

Uebertragung der Civilisation auf Wilde ist für diese nur dann ein Segen,
wenn durch sie zur sittlichen und zur physischen Kräftigung des betreffenden
Volkes beigetragen, wenn durch letztere die Dauerbarkeit und Lebensfähigkeit
desselben erhöht wird, und das trifft bei den Maori im Großen und Ganzen
fo wenig zu, daß man getrost behaupten kann, die Civilisation habe sie ge-
schwächt und zwar sowohl moralisch als körperlich. Man fraß 1862 keine Menschen
mehr, man hörte die Predigt, man bediente sich europäischer Waffen und Werk¬
zeuge. Aber hören wir wieder Hochstetter:

"Die Einführung des Pflugs, der Dreschmaschine und der Mühlen war
eine Wohlthat von sehr zweifelhaften Folgen. Früher arbeiteten die Leute zu
zwanzig und dreißig aus einem Acker; jetzt geht der Pflug, und die zwanzig
oder dreißig sitzen um den Acker, lachen und scherzen, essen und rauchen und
denken, die Europäer haben alle diese Dinge nur erfunden, um nicht arbeiten
zu müssen." Und wie beim Feldbau so verhält sichs auch mit der Schiffahrt,
die früher mit größtem Eifer betrieben wurde. "Die Eingebornen am Tauranga-
Hasen sparten lange, um sich einen Schooner zu kaufen, als sie ihn aber hatten,
machten sie ein paar Fahrten und ließen ihn dann wie ein abgenutztes Spiel¬
zeug liegen. Er gehört vierzig Leuten, somit niemandem, keiner will etwaige
Schäden ausbessern. Wären sie bei ihren alten Kriegskanoes geblieben, es
wäre besser für sie gewesen." Auch in Betreff der Kleidung hat der Einfluß
Europas bis jetzt eher schädlich als förderlich gewirkt. "Die alten Mäntel
der Maori paßten vortrefflich für Umstände und Klima; jetzt sind wollene
Decken an deren Stelle getreten, in denen die Maori wie zerlumpte schmutzige
Proletarier aussehen, und deren Gebrauch bewirkt hat. daß Brustkrankheiten
und rheumatische Uebel sehr überHand genommen haben." Tragen die Ein¬
gebornen unsre Röcke und Beinkleider, so sehen sie steif und unbehilflich aus.


eine Kuini Vikitoria o Jngurangi; aus Hochstetter machten sie einen Hokiteta.
Und so wird alles umgestaltet."

„Vom Christenthum haben sich die Maori nur die äußere Form ange¬
eignet. An die Stelle ihrer alten heidnischen Bräuche und Feierlichkeiten sind
jetzt christliche getreten; die biblische Geschichte ist für den Maori nur eine neue
Auflage von Ueberlieferungen, die er mit seinen alten heidnischen Traditionen
vertauscht und wohl auch vermengt. Viele ließen sich taufen, nur weil sie da¬
durch zugleich materielle Vortheile erreichten." Das Alte und das Neue Testa¬
ment und das Commonprayerbook ist in ihre Sprache übersetzt, viele besitzen
diese Bücher, manche legen eine sehr genaue Kenntniß derselben an den Tag,
bei jeder Gelegenheit hört man Bibelsprüche von ihnen anführen. „Aber das
Christenthum des Maori ist nur eine äußerliche Satzung, die zur Mode ge¬
worden ist. Er betet regelmäßig, aber er lebt unregelmäßig und arbeitet un¬
regelmäßig."

Uebertragung der Civilisation auf Wilde ist für diese nur dann ein Segen,
wenn durch sie zur sittlichen und zur physischen Kräftigung des betreffenden
Volkes beigetragen, wenn durch letztere die Dauerbarkeit und Lebensfähigkeit
desselben erhöht wird, und das trifft bei den Maori im Großen und Ganzen
fo wenig zu, daß man getrost behaupten kann, die Civilisation habe sie ge-
schwächt und zwar sowohl moralisch als körperlich. Man fraß 1862 keine Menschen
mehr, man hörte die Predigt, man bediente sich europäischer Waffen und Werk¬
zeuge. Aber hören wir wieder Hochstetter:

„Die Einführung des Pflugs, der Dreschmaschine und der Mühlen war
eine Wohlthat von sehr zweifelhaften Folgen. Früher arbeiteten die Leute zu
zwanzig und dreißig aus einem Acker; jetzt geht der Pflug, und die zwanzig
oder dreißig sitzen um den Acker, lachen und scherzen, essen und rauchen und
denken, die Europäer haben alle diese Dinge nur erfunden, um nicht arbeiten
zu müssen." Und wie beim Feldbau so verhält sichs auch mit der Schiffahrt,
die früher mit größtem Eifer betrieben wurde. „Die Eingebornen am Tauranga-
Hasen sparten lange, um sich einen Schooner zu kaufen, als sie ihn aber hatten,
machten sie ein paar Fahrten und ließen ihn dann wie ein abgenutztes Spiel¬
zeug liegen. Er gehört vierzig Leuten, somit niemandem, keiner will etwaige
Schäden ausbessern. Wären sie bei ihren alten Kriegskanoes geblieben, es
wäre besser für sie gewesen." Auch in Betreff der Kleidung hat der Einfluß
Europas bis jetzt eher schädlich als förderlich gewirkt. „Die alten Mäntel
der Maori paßten vortrefflich für Umstände und Klima; jetzt sind wollene
Decken an deren Stelle getreten, in denen die Maori wie zerlumpte schmutzige
Proletarier aussehen, und deren Gebrauch bewirkt hat. daß Brustkrankheiten
und rheumatische Uebel sehr überHand genommen haben." Tragen die Ein¬
gebornen unsre Röcke und Beinkleider, so sehen sie steif und unbehilflich aus.


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[0448] eine Kuini Vikitoria o Jngurangi; aus Hochstetter machten sie einen Hokiteta. Und so wird alles umgestaltet." „Vom Christenthum haben sich die Maori nur die äußere Form ange¬ eignet. An die Stelle ihrer alten heidnischen Bräuche und Feierlichkeiten sind jetzt christliche getreten; die biblische Geschichte ist für den Maori nur eine neue Auflage von Ueberlieferungen, die er mit seinen alten heidnischen Traditionen vertauscht und wohl auch vermengt. Viele ließen sich taufen, nur weil sie da¬ durch zugleich materielle Vortheile erreichten." Das Alte und das Neue Testa¬ ment und das Commonprayerbook ist in ihre Sprache übersetzt, viele besitzen diese Bücher, manche legen eine sehr genaue Kenntniß derselben an den Tag, bei jeder Gelegenheit hört man Bibelsprüche von ihnen anführen. „Aber das Christenthum des Maori ist nur eine äußerliche Satzung, die zur Mode ge¬ worden ist. Er betet regelmäßig, aber er lebt unregelmäßig und arbeitet un¬ regelmäßig." Uebertragung der Civilisation auf Wilde ist für diese nur dann ein Segen, wenn durch sie zur sittlichen und zur physischen Kräftigung des betreffenden Volkes beigetragen, wenn durch letztere die Dauerbarkeit und Lebensfähigkeit desselben erhöht wird, und das trifft bei den Maori im Großen und Ganzen fo wenig zu, daß man getrost behaupten kann, die Civilisation habe sie ge- schwächt und zwar sowohl moralisch als körperlich. Man fraß 1862 keine Menschen mehr, man hörte die Predigt, man bediente sich europäischer Waffen und Werk¬ zeuge. Aber hören wir wieder Hochstetter: „Die Einführung des Pflugs, der Dreschmaschine und der Mühlen war eine Wohlthat von sehr zweifelhaften Folgen. Früher arbeiteten die Leute zu zwanzig und dreißig aus einem Acker; jetzt geht der Pflug, und die zwanzig oder dreißig sitzen um den Acker, lachen und scherzen, essen und rauchen und denken, die Europäer haben alle diese Dinge nur erfunden, um nicht arbeiten zu müssen." Und wie beim Feldbau so verhält sichs auch mit der Schiffahrt, die früher mit größtem Eifer betrieben wurde. „Die Eingebornen am Tauranga- Hasen sparten lange, um sich einen Schooner zu kaufen, als sie ihn aber hatten, machten sie ein paar Fahrten und ließen ihn dann wie ein abgenutztes Spiel¬ zeug liegen. Er gehört vierzig Leuten, somit niemandem, keiner will etwaige Schäden ausbessern. Wären sie bei ihren alten Kriegskanoes geblieben, es wäre besser für sie gewesen." Auch in Betreff der Kleidung hat der Einfluß Europas bis jetzt eher schädlich als förderlich gewirkt. „Die alten Mäntel der Maori paßten vortrefflich für Umstände und Klima; jetzt sind wollene Decken an deren Stelle getreten, in denen die Maori wie zerlumpte schmutzige Proletarier aussehen, und deren Gebrauch bewirkt hat. daß Brustkrankheiten und rheumatische Uebel sehr überHand genommen haben." Tragen die Ein¬ gebornen unsre Röcke und Beinkleider, so sehen sie steif und unbehilflich aus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/448>, abgerufen am 29.06.2024.