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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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gerühmten Civilisation ist es nichts. Was man davon sagt, ist eitel Wind
und Aufschneiderei. Sie nehmen unsre Kleidung, unsern Pflug und manches
andere an. weil sie Vortheil davon haben, aber Wilde find und bleiben sie
trotz alledem , und die Barbarei steckt ihnen im Blute. Unsre Missionäre haben
nun seit einem Vierteljahrhundert unter ihnen gearbeitet und viel von ihren
Erfolgen gerühmt, sie müssen aber jetzt mit Betrübniß eingesiedelt, daß die
vermeintlich Bekehrten nicht nur wieder verwildern, sondern daß sie weit
schlimmer sind als zu jener Zeit, da sie noch Heiden waren"*).

Das waren aber doch nur vereinzelte Bemerkungen, die immer nur Ein¬
zelnen zu Gesicht kamen und an der günstigen Meinung von den Maori,
welche die Missionäre in ihrem eignen Interesse und zu Ehren des Missious-
werkcs verbreitet hatten und immer wieder zu Pflegen bemüht waren, nicht viel
änderten. Erst Hochstetter gab. wie er den Engländern und zu gleicher Zeit
den Deutschen die erste gründliche Schilderung von Neuseeland lieferte, die erste
genaue und ausführliche Charakteristik der Maori, welche das Trugbild vor
aller Welt seines täuschenden Glanzes für alle, die sehen wollten, entkleidete.
Zwar weiß auch er zu rühmen, daß die Neuseeländer in guten Schulen mancher¬
lei Nützliches lernen, daß sehr viele von ihnen lesen und schreiben können, daß
manche bewundernswerthe Kenntnisse in Geschichte und Geographie besitzen,
daß das Volk sich an Landbau, Viehzucht, Gewerbe und Handel betheiligt,
daß der Maori fleißig betet, auf Bibelkunde große Stücke hält und den Missio¬
näre" durch die strengste Sabbathsfeier das alltestamcntarische Herz erbaut.
Aber was er weiter sagt, läßt uns von allen diesen schönen Dingen gering
denken.

"Von der Natur mit intellectuellen und physischen Kräften reich begabt,
von lebhaftem Naturell, voll frischen, freien Selbstgefühls und natürlichen Ver¬
standes, ist sich der Maori seiner Fortschritte in besserer Gesittung und Cultur
Wohl bewußt, allein aus die ganze Höbe christlich civilisirten Lebens vermag
er sich nicht zu erheben, und an dieser Halbheit geht er zu Grunde."

"Vielleicht beweist nichts so sehr die Grenze, welche die Natur selbst der
Civilisationsfähigkeit der Eingebornen gesteckt hat, als die merkwürdige Er-
scheinung, daß diese, wenn sie auch Englisch verstehen, es sogar lesen und schreiben
können, es doch nimmermehr zu einer deutlichen Aussprache bringen. Ein
Maori sagte mir: er glaube, die englische Sprache gehe in sein Ohr, aber
er könne sie nicht wieder Herallskriegen. Aus Newzealanb wird im Mavrischen-.
Nuitireni, aus Auckland: Akarcmv, aus Christchurch: Karaitihati; Gold ver¬
wandelt sich in Kaura, Doctor in Terata, die Quee" Victoria of England in



") Vgl. Karl Andrea, Geographische Wanderungen, Dresden, 1859; 2. Band, S. 319.

gerühmten Civilisation ist es nichts. Was man davon sagt, ist eitel Wind
und Aufschneiderei. Sie nehmen unsre Kleidung, unsern Pflug und manches
andere an. weil sie Vortheil davon haben, aber Wilde find und bleiben sie
trotz alledem , und die Barbarei steckt ihnen im Blute. Unsre Missionäre haben
nun seit einem Vierteljahrhundert unter ihnen gearbeitet und viel von ihren
Erfolgen gerühmt, sie müssen aber jetzt mit Betrübniß eingesiedelt, daß die
vermeintlich Bekehrten nicht nur wieder verwildern, sondern daß sie weit
schlimmer sind als zu jener Zeit, da sie noch Heiden waren"*).

Das waren aber doch nur vereinzelte Bemerkungen, die immer nur Ein¬
zelnen zu Gesicht kamen und an der günstigen Meinung von den Maori,
welche die Missionäre in ihrem eignen Interesse und zu Ehren des Missious-
werkcs verbreitet hatten und immer wieder zu Pflegen bemüht waren, nicht viel
änderten. Erst Hochstetter gab. wie er den Engländern und zu gleicher Zeit
den Deutschen die erste gründliche Schilderung von Neuseeland lieferte, die erste
genaue und ausführliche Charakteristik der Maori, welche das Trugbild vor
aller Welt seines täuschenden Glanzes für alle, die sehen wollten, entkleidete.
Zwar weiß auch er zu rühmen, daß die Neuseeländer in guten Schulen mancher¬
lei Nützliches lernen, daß sehr viele von ihnen lesen und schreiben können, daß
manche bewundernswerthe Kenntnisse in Geschichte und Geographie besitzen,
daß das Volk sich an Landbau, Viehzucht, Gewerbe und Handel betheiligt,
daß der Maori fleißig betet, auf Bibelkunde große Stücke hält und den Missio¬
näre» durch die strengste Sabbathsfeier das alltestamcntarische Herz erbaut.
Aber was er weiter sagt, läßt uns von allen diesen schönen Dingen gering
denken.

„Von der Natur mit intellectuellen und physischen Kräften reich begabt,
von lebhaftem Naturell, voll frischen, freien Selbstgefühls und natürlichen Ver¬
standes, ist sich der Maori seiner Fortschritte in besserer Gesittung und Cultur
Wohl bewußt, allein aus die ganze Höbe christlich civilisirten Lebens vermag
er sich nicht zu erheben, und an dieser Halbheit geht er zu Grunde."

„Vielleicht beweist nichts so sehr die Grenze, welche die Natur selbst der
Civilisationsfähigkeit der Eingebornen gesteckt hat, als die merkwürdige Er-
scheinung, daß diese, wenn sie auch Englisch verstehen, es sogar lesen und schreiben
können, es doch nimmermehr zu einer deutlichen Aussprache bringen. Ein
Maori sagte mir: er glaube, die englische Sprache gehe in sein Ohr, aber
er könne sie nicht wieder Herallskriegen. Aus Newzealanb wird im Mavrischen-.
Nuitireni, aus Auckland: Akarcmv, aus Christchurch: Karaitihati; Gold ver¬
wandelt sich in Kaura, Doctor in Terata, die Quee« Victoria of England in



") Vgl. Karl Andrea, Geographische Wanderungen, Dresden, 1859; 2. Band, S. 319.
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[0447] gerühmten Civilisation ist es nichts. Was man davon sagt, ist eitel Wind und Aufschneiderei. Sie nehmen unsre Kleidung, unsern Pflug und manches andere an. weil sie Vortheil davon haben, aber Wilde find und bleiben sie trotz alledem , und die Barbarei steckt ihnen im Blute. Unsre Missionäre haben nun seit einem Vierteljahrhundert unter ihnen gearbeitet und viel von ihren Erfolgen gerühmt, sie müssen aber jetzt mit Betrübniß eingesiedelt, daß die vermeintlich Bekehrten nicht nur wieder verwildern, sondern daß sie weit schlimmer sind als zu jener Zeit, da sie noch Heiden waren"*). Das waren aber doch nur vereinzelte Bemerkungen, die immer nur Ein¬ zelnen zu Gesicht kamen und an der günstigen Meinung von den Maori, welche die Missionäre in ihrem eignen Interesse und zu Ehren des Missious- werkcs verbreitet hatten und immer wieder zu Pflegen bemüht waren, nicht viel änderten. Erst Hochstetter gab. wie er den Engländern und zu gleicher Zeit den Deutschen die erste gründliche Schilderung von Neuseeland lieferte, die erste genaue und ausführliche Charakteristik der Maori, welche das Trugbild vor aller Welt seines täuschenden Glanzes für alle, die sehen wollten, entkleidete. Zwar weiß auch er zu rühmen, daß die Neuseeländer in guten Schulen mancher¬ lei Nützliches lernen, daß sehr viele von ihnen lesen und schreiben können, daß manche bewundernswerthe Kenntnisse in Geschichte und Geographie besitzen, daß das Volk sich an Landbau, Viehzucht, Gewerbe und Handel betheiligt, daß der Maori fleißig betet, auf Bibelkunde große Stücke hält und den Missio¬ näre» durch die strengste Sabbathsfeier das alltestamcntarische Herz erbaut. Aber was er weiter sagt, läßt uns von allen diesen schönen Dingen gering denken. „Von der Natur mit intellectuellen und physischen Kräften reich begabt, von lebhaftem Naturell, voll frischen, freien Selbstgefühls und natürlichen Ver¬ standes, ist sich der Maori seiner Fortschritte in besserer Gesittung und Cultur Wohl bewußt, allein aus die ganze Höbe christlich civilisirten Lebens vermag er sich nicht zu erheben, und an dieser Halbheit geht er zu Grunde." „Vielleicht beweist nichts so sehr die Grenze, welche die Natur selbst der Civilisationsfähigkeit der Eingebornen gesteckt hat, als die merkwürdige Er- scheinung, daß diese, wenn sie auch Englisch verstehen, es sogar lesen und schreiben können, es doch nimmermehr zu einer deutlichen Aussprache bringen. Ein Maori sagte mir: er glaube, die englische Sprache gehe in sein Ohr, aber er könne sie nicht wieder Herallskriegen. Aus Newzealanb wird im Mavrischen-. Nuitireni, aus Auckland: Akarcmv, aus Christchurch: Karaitihati; Gold ver¬ wandelt sich in Kaura, Doctor in Terata, die Quee« Victoria of England in ") Vgl. Karl Andrea, Geographische Wanderungen, Dresden, 1859; 2. Band, S. 319.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/447>, abgerufen am 29.06.2024.