Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Auch die Physiognomie vieler Maoris weist darauf hin, doch ist bis jetzt in dieser
Beziehung nichts mit Sicherheit zu behaupten.

Die ersten Europäer, welche die Neuseeländer näher kennen lernten, fanden
ein Volk von kräftigem Bau und großer Statur, welches in verschiedene Stämme
unter Häuptlingen zerfiel, Letztere bildeten eine Art hohen Adel, unter dem
ein niederer Adel und Gemeine, vermuthlich jene Neste der Ureingebornen.
lebten. Das Volk wohnte in Dörfern beisammen, die meist auf steilen Höhen
gelegen und mit Palissaden und Gräben umgeben waren. Ihre Hütten waren
von Holz gebaut, mit Schilf gedeckt und häufig mit Schnitzerei und bunten
Arabesken verziert, die auch ihre Kähne schmückten und sehr groteske Phantasien
darstellten. Der Gebrauch des Eisens war unbekannt, alle Zimmermanns- und
Bildhauerarbeit wurde mit Steinwerkzeugen verrichtet. Dagegen trieben die
Maori schon damals Ackerbau in ziemlicher Ausdehnung, der ihnen in süßen
Kartoffeln, Melonen und Taro einen Theil ihrer Nahrung lieferte. Außerdem
beschäftigte man sich mit der Jagd, die indeß nur Vögel und Ratten darbot,
und mit Fischerei an den Küsten und in den Flüssen der beiden Inseln. Männer
wie Frauen tättowirten sich. Zu ihren Sitten gehörte die seltsame Gewohn¬
heit, sich als Zeichen der Freundschaft mit der Nasenspitze zu begrüßen, wie
civilisirte Völker sich küssen. Ihre Kleidung bestand in gewebten Mänteln aus
der Faser einer Art Schwertlilie, die man zu färben verstand. Die Vornehmen
hatten gewöhnlich mehre Weiber. Der Grund und Boden war gemeinschaft¬
licher Besitz jedes einzelnen Stammes. Die Sprache des Volkes war sehr
vokalreich und folglich außerordentlich wohlklingend. Außer den erwähnten
Mythen hatte man Sagen, Märchen und Lieder, von denen Hochstetter Ueber¬
setzungen mittheilt. Einige davon würde", falls die Uebertragung treu und
nicht, wie wir vermuthen, von dem Dolmetscher stark eurvpaisirt ist, auf
ein sehr ausgebildetes, an Sentimentalität grenzendes Gefühlsleben schließen
lassen.

Auffallend erschien, daß dieses verhältnißmäßig intelligente und aus sich
selbst heraus bis zu einem gewissen Grade von Cultur gelangte Volk in der
Achtung vor dem Menschenleben auf ebenso tiefer Stufe stand, wie die rohen
Bewohner der Fidschiinseln, die ihre alten Leute lebendig begraben und deren
Sklaven nur vorhanden sind, um fett gemacht und zum Fraß geröstet zu werden.
Die Mehrzahl der neugebornen Mädchen unter den Maori wurden sofort nach
ihrer Geburt von den eignen Müttern erwürgt, man tödtete seine Feinde nicht
nur. sondern briet und verzehrte sie, ja man unternahm eigne Kriegszüge, um
sich mit Menschenfleisch, welches allen als Delikatesse galt, zu versorgen. Die
Köpfe der Geschlachteten räucherte man. um sein Haus damit zu verzieren.
Die Weisen des Volkes wußten über diese greuelvolle Sitte keine andere Aus¬
kunft zu geben, als daß sie althergebracht und natürlich sei. "Der große Fisch,"


Auch die Physiognomie vieler Maoris weist darauf hin, doch ist bis jetzt in dieser
Beziehung nichts mit Sicherheit zu behaupten.

Die ersten Europäer, welche die Neuseeländer näher kennen lernten, fanden
ein Volk von kräftigem Bau und großer Statur, welches in verschiedene Stämme
unter Häuptlingen zerfiel, Letztere bildeten eine Art hohen Adel, unter dem
ein niederer Adel und Gemeine, vermuthlich jene Neste der Ureingebornen.
lebten. Das Volk wohnte in Dörfern beisammen, die meist auf steilen Höhen
gelegen und mit Palissaden und Gräben umgeben waren. Ihre Hütten waren
von Holz gebaut, mit Schilf gedeckt und häufig mit Schnitzerei und bunten
Arabesken verziert, die auch ihre Kähne schmückten und sehr groteske Phantasien
darstellten. Der Gebrauch des Eisens war unbekannt, alle Zimmermanns- und
Bildhauerarbeit wurde mit Steinwerkzeugen verrichtet. Dagegen trieben die
Maori schon damals Ackerbau in ziemlicher Ausdehnung, der ihnen in süßen
Kartoffeln, Melonen und Taro einen Theil ihrer Nahrung lieferte. Außerdem
beschäftigte man sich mit der Jagd, die indeß nur Vögel und Ratten darbot,
und mit Fischerei an den Küsten und in den Flüssen der beiden Inseln. Männer
wie Frauen tättowirten sich. Zu ihren Sitten gehörte die seltsame Gewohn¬
heit, sich als Zeichen der Freundschaft mit der Nasenspitze zu begrüßen, wie
civilisirte Völker sich küssen. Ihre Kleidung bestand in gewebten Mänteln aus
der Faser einer Art Schwertlilie, die man zu färben verstand. Die Vornehmen
hatten gewöhnlich mehre Weiber. Der Grund und Boden war gemeinschaft¬
licher Besitz jedes einzelnen Stammes. Die Sprache des Volkes war sehr
vokalreich und folglich außerordentlich wohlklingend. Außer den erwähnten
Mythen hatte man Sagen, Märchen und Lieder, von denen Hochstetter Ueber¬
setzungen mittheilt. Einige davon würde», falls die Uebertragung treu und
nicht, wie wir vermuthen, von dem Dolmetscher stark eurvpaisirt ist, auf
ein sehr ausgebildetes, an Sentimentalität grenzendes Gefühlsleben schließen
lassen.

Auffallend erschien, daß dieses verhältnißmäßig intelligente und aus sich
selbst heraus bis zu einem gewissen Grade von Cultur gelangte Volk in der
Achtung vor dem Menschenleben auf ebenso tiefer Stufe stand, wie die rohen
Bewohner der Fidschiinseln, die ihre alten Leute lebendig begraben und deren
Sklaven nur vorhanden sind, um fett gemacht und zum Fraß geröstet zu werden.
Die Mehrzahl der neugebornen Mädchen unter den Maori wurden sofort nach
ihrer Geburt von den eignen Müttern erwürgt, man tödtete seine Feinde nicht
nur. sondern briet und verzehrte sie, ja man unternahm eigne Kriegszüge, um
sich mit Menschenfleisch, welches allen als Delikatesse galt, zu versorgen. Die
Köpfe der Geschlachteten räucherte man. um sein Haus damit zu verzieren.
Die Weisen des Volkes wußten über diese greuelvolle Sitte keine andere Aus¬
kunft zu geben, als daß sie althergebracht und natürlich sei. „Der große Fisch,"


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0444" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284914"/>
          <p xml:id="ID_1440" prev="#ID_1439"> Auch die Physiognomie vieler Maoris weist darauf hin, doch ist bis jetzt in dieser<lb/>
Beziehung nichts mit Sicherheit zu behaupten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1441"> Die ersten Europäer, welche die Neuseeländer näher kennen lernten, fanden<lb/>
ein Volk von kräftigem Bau und großer Statur, welches in verschiedene Stämme<lb/>
unter Häuptlingen zerfiel, Letztere bildeten eine Art hohen Adel, unter dem<lb/>
ein niederer Adel und Gemeine, vermuthlich jene Neste der Ureingebornen.<lb/>
lebten. Das Volk wohnte in Dörfern beisammen, die meist auf steilen Höhen<lb/>
gelegen und mit Palissaden und Gräben umgeben waren. Ihre Hütten waren<lb/>
von Holz gebaut, mit Schilf gedeckt und häufig mit Schnitzerei und bunten<lb/>
Arabesken verziert, die auch ihre Kähne schmückten und sehr groteske Phantasien<lb/>
darstellten. Der Gebrauch des Eisens war unbekannt, alle Zimmermanns- und<lb/>
Bildhauerarbeit wurde mit Steinwerkzeugen verrichtet. Dagegen trieben die<lb/>
Maori schon damals Ackerbau in ziemlicher Ausdehnung, der ihnen in süßen<lb/>
Kartoffeln, Melonen und Taro einen Theil ihrer Nahrung lieferte. Außerdem<lb/>
beschäftigte man sich mit der Jagd, die indeß nur Vögel und Ratten darbot,<lb/>
und mit Fischerei an den Küsten und in den Flüssen der beiden Inseln. Männer<lb/>
wie Frauen tättowirten sich. Zu ihren Sitten gehörte die seltsame Gewohn¬<lb/>
heit, sich als Zeichen der Freundschaft mit der Nasenspitze zu begrüßen, wie<lb/>
civilisirte Völker sich küssen. Ihre Kleidung bestand in gewebten Mänteln aus<lb/>
der Faser einer Art Schwertlilie, die man zu färben verstand. Die Vornehmen<lb/>
hatten gewöhnlich mehre Weiber. Der Grund und Boden war gemeinschaft¬<lb/>
licher Besitz jedes einzelnen Stammes. Die Sprache des Volkes war sehr<lb/>
vokalreich und folglich außerordentlich wohlklingend. Außer den erwähnten<lb/>
Mythen hatte man Sagen, Märchen und Lieder, von denen Hochstetter Ueber¬<lb/>
setzungen mittheilt. Einige davon würde», falls die Uebertragung treu und<lb/>
nicht, wie wir vermuthen, von dem Dolmetscher stark eurvpaisirt ist, auf<lb/>
ein sehr ausgebildetes, an Sentimentalität grenzendes Gefühlsleben schließen<lb/>
lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1442" next="#ID_1443"> Auffallend erschien, daß dieses verhältnißmäßig intelligente und aus sich<lb/>
selbst heraus bis zu einem gewissen Grade von Cultur gelangte Volk in der<lb/>
Achtung vor dem Menschenleben auf ebenso tiefer Stufe stand, wie die rohen<lb/>
Bewohner der Fidschiinseln, die ihre alten Leute lebendig begraben und deren<lb/>
Sklaven nur vorhanden sind, um fett gemacht und zum Fraß geröstet zu werden.<lb/>
Die Mehrzahl der neugebornen Mädchen unter den Maori wurden sofort nach<lb/>
ihrer Geburt von den eignen Müttern erwürgt, man tödtete seine Feinde nicht<lb/>
nur. sondern briet und verzehrte sie, ja man unternahm eigne Kriegszüge, um<lb/>
sich mit Menschenfleisch, welches allen als Delikatesse galt, zu versorgen. Die<lb/>
Köpfe der Geschlachteten räucherte man. um sein Haus damit zu verzieren.<lb/>
Die Weisen des Volkes wußten über diese greuelvolle Sitte keine andere Aus¬<lb/>
kunft zu geben, als daß sie althergebracht und natürlich sei. &#x201E;Der große Fisch,"</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0444] Auch die Physiognomie vieler Maoris weist darauf hin, doch ist bis jetzt in dieser Beziehung nichts mit Sicherheit zu behaupten. Die ersten Europäer, welche die Neuseeländer näher kennen lernten, fanden ein Volk von kräftigem Bau und großer Statur, welches in verschiedene Stämme unter Häuptlingen zerfiel, Letztere bildeten eine Art hohen Adel, unter dem ein niederer Adel und Gemeine, vermuthlich jene Neste der Ureingebornen. lebten. Das Volk wohnte in Dörfern beisammen, die meist auf steilen Höhen gelegen und mit Palissaden und Gräben umgeben waren. Ihre Hütten waren von Holz gebaut, mit Schilf gedeckt und häufig mit Schnitzerei und bunten Arabesken verziert, die auch ihre Kähne schmückten und sehr groteske Phantasien darstellten. Der Gebrauch des Eisens war unbekannt, alle Zimmermanns- und Bildhauerarbeit wurde mit Steinwerkzeugen verrichtet. Dagegen trieben die Maori schon damals Ackerbau in ziemlicher Ausdehnung, der ihnen in süßen Kartoffeln, Melonen und Taro einen Theil ihrer Nahrung lieferte. Außerdem beschäftigte man sich mit der Jagd, die indeß nur Vögel und Ratten darbot, und mit Fischerei an den Küsten und in den Flüssen der beiden Inseln. Männer wie Frauen tättowirten sich. Zu ihren Sitten gehörte die seltsame Gewohn¬ heit, sich als Zeichen der Freundschaft mit der Nasenspitze zu begrüßen, wie civilisirte Völker sich küssen. Ihre Kleidung bestand in gewebten Mänteln aus der Faser einer Art Schwertlilie, die man zu färben verstand. Die Vornehmen hatten gewöhnlich mehre Weiber. Der Grund und Boden war gemeinschaft¬ licher Besitz jedes einzelnen Stammes. Die Sprache des Volkes war sehr vokalreich und folglich außerordentlich wohlklingend. Außer den erwähnten Mythen hatte man Sagen, Märchen und Lieder, von denen Hochstetter Ueber¬ setzungen mittheilt. Einige davon würde», falls die Uebertragung treu und nicht, wie wir vermuthen, von dem Dolmetscher stark eurvpaisirt ist, auf ein sehr ausgebildetes, an Sentimentalität grenzendes Gefühlsleben schließen lassen. Auffallend erschien, daß dieses verhältnißmäßig intelligente und aus sich selbst heraus bis zu einem gewissen Grade von Cultur gelangte Volk in der Achtung vor dem Menschenleben auf ebenso tiefer Stufe stand, wie die rohen Bewohner der Fidschiinseln, die ihre alten Leute lebendig begraben und deren Sklaven nur vorhanden sind, um fett gemacht und zum Fraß geröstet zu werden. Die Mehrzahl der neugebornen Mädchen unter den Maori wurden sofort nach ihrer Geburt von den eignen Müttern erwürgt, man tödtete seine Feinde nicht nur. sondern briet und verzehrte sie, ja man unternahm eigne Kriegszüge, um sich mit Menschenfleisch, welches allen als Delikatesse galt, zu versorgen. Die Köpfe der Geschlachteten räucherte man. um sein Haus damit zu verzieren. Die Weisen des Volkes wußten über diese greuelvolle Sitte keine andere Aus¬ kunft zu geben, als daß sie althergebracht und natürlich sei. „Der große Fisch,"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/444
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/444>, abgerufen am 29.06.2024.