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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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verschieden. Jene, zu denen außer den Maori vorzüglich die Bewohner der
Fidschi- und Sandwichsinseln zählen, haben hellere Farbe, reden nur verschiedene
Mundarten einer und derselben Sprache, haben eine und dieselbe Sage von
der Schöpfung und kennen sammt und sonders die Ceremonie, nach welcher
unter Umständen ein Gegenstand oder eine Person für "tabu", d. h. für heilig,
unantastbar oder unverletzlich erklärt wird. Die Maoris sind ohne Zweifel körper¬
lich wie geistig der am höchsten stehende Stamm der Polynesier, und sie sind
sich dessen, so lange man sie näher kennt, bewußt gewesen; denn immer sahen
sie auf ihre Nachbarn mit Geringschätzung herab. Tapfer im Kampfe und nicht
ohne Züge von Großmuth, sind sie zugleich bis zu einem gewissen Grade in¬
telligent zu nennen. Vor allem zeigen sie große Neigung und Anlage zur Schiff-
fahrt. Sie scheinen vor einigen Jahrhunderten von Nordosten her eingewandert
zu sein und sich durch Vermischung mit dunkelfarbigen Ureinwohnern, von denen
man Spuren noch jetzt antrifft, theilweise verwandelt zu haben. Ihre ursprüng¬
liche Religion war ein düsteres Traumwesen mit einem Cultus von Elementar¬
geistern und Ahnenverehrung. Hauptgottheit war Mani, welcher Neuseeland
aus dem Meere hob, weshalb die nördliche der beiden Inseln Eena- oder Jkana-
Maui, d. i. der Fisch des Maui heißt. Diesem Gott liegt ohne Zweifel die
Vorstellung der Sonne als höheren Wesens zu Grunde, an die sich später die
des Erfinders und Lehrers nützlicher Künste, wie der Benutzung des Feuers,
der Verwendung des Flachses und des Häuser- und Schiffbaus knüpfte. Wer aus¬
führlicheren Bericht über diese und andere Mythen der Maoris wünscht, sei
auf Hochstetters vortreffliches Werk über Neuseelands verwiesen, welches seinen
Gegenstand auch nach andern Richtungen hin erschöpfend behandelt. Hier sei
nur noch bemerkt, daß die Maoris von einer Insel Hawaiki eingewandert sein
wollen, und daß sie sogar die Namen der Kriegskähne noch zu nennen wissen,
mit denen die ersten achthundert Mann des Volkes vor ungefähr zwanzig
Menschenaltern den Zug von dort nach Neuseeland unternommen hätten. Auch
geht die Sage, daß diese erste Ansicdlerschaar gewisse Pflanzen, wie die süße
Kartoffel, den Karakabaum, den Tarv und verschiedene Thiergattungen. wie
den Papagei Kakeriki und die Ratte Kiore mitgebracht hätte", und in der That
weichen diese Gewächse und Thiere wesentlich von dem Charakter der Flora und
Fauna Neuseelands ab. Vielleicht läßt sich durch Vergleich derselben mit ähn¬
lichen Gestaltungen tropischer Länder, an die sie erinnern. Näheres über die
Herkunft des Volkes ermitteln, und nicht unmöglich ist, daß sich die Vermuthung
bestätigt, die Urheimath der Maoris sei der Westen Mittel- oder Südamerikas.



*) Neuseeland. Von Dr, Ferdinand v, Hochstetter, Mit 2 Karten, v Farbenstahl-
stiche", ö großen und 89 kleinen in den Text gedruckten Holzschnitten. Stuttgart, Cottascher
Verlag. 18t>3.
GrenzKote" I. 18"'.6. öZ

verschieden. Jene, zu denen außer den Maori vorzüglich die Bewohner der
Fidschi- und Sandwichsinseln zählen, haben hellere Farbe, reden nur verschiedene
Mundarten einer und derselben Sprache, haben eine und dieselbe Sage von
der Schöpfung und kennen sammt und sonders die Ceremonie, nach welcher
unter Umständen ein Gegenstand oder eine Person für „tabu", d. h. für heilig,
unantastbar oder unverletzlich erklärt wird. Die Maoris sind ohne Zweifel körper¬
lich wie geistig der am höchsten stehende Stamm der Polynesier, und sie sind
sich dessen, so lange man sie näher kennt, bewußt gewesen; denn immer sahen
sie auf ihre Nachbarn mit Geringschätzung herab. Tapfer im Kampfe und nicht
ohne Züge von Großmuth, sind sie zugleich bis zu einem gewissen Grade in¬
telligent zu nennen. Vor allem zeigen sie große Neigung und Anlage zur Schiff-
fahrt. Sie scheinen vor einigen Jahrhunderten von Nordosten her eingewandert
zu sein und sich durch Vermischung mit dunkelfarbigen Ureinwohnern, von denen
man Spuren noch jetzt antrifft, theilweise verwandelt zu haben. Ihre ursprüng¬
liche Religion war ein düsteres Traumwesen mit einem Cultus von Elementar¬
geistern und Ahnenverehrung. Hauptgottheit war Mani, welcher Neuseeland
aus dem Meere hob, weshalb die nördliche der beiden Inseln Eena- oder Jkana-
Maui, d. i. der Fisch des Maui heißt. Diesem Gott liegt ohne Zweifel die
Vorstellung der Sonne als höheren Wesens zu Grunde, an die sich später die
des Erfinders und Lehrers nützlicher Künste, wie der Benutzung des Feuers,
der Verwendung des Flachses und des Häuser- und Schiffbaus knüpfte. Wer aus¬
führlicheren Bericht über diese und andere Mythen der Maoris wünscht, sei
auf Hochstetters vortreffliches Werk über Neuseelands verwiesen, welches seinen
Gegenstand auch nach andern Richtungen hin erschöpfend behandelt. Hier sei
nur noch bemerkt, daß die Maoris von einer Insel Hawaiki eingewandert sein
wollen, und daß sie sogar die Namen der Kriegskähne noch zu nennen wissen,
mit denen die ersten achthundert Mann des Volkes vor ungefähr zwanzig
Menschenaltern den Zug von dort nach Neuseeland unternommen hätten. Auch
geht die Sage, daß diese erste Ansicdlerschaar gewisse Pflanzen, wie die süße
Kartoffel, den Karakabaum, den Tarv und verschiedene Thiergattungen. wie
den Papagei Kakeriki und die Ratte Kiore mitgebracht hätte», und in der That
weichen diese Gewächse und Thiere wesentlich von dem Charakter der Flora und
Fauna Neuseelands ab. Vielleicht läßt sich durch Vergleich derselben mit ähn¬
lichen Gestaltungen tropischer Länder, an die sie erinnern. Näheres über die
Herkunft des Volkes ermitteln, und nicht unmöglich ist, daß sich die Vermuthung
bestätigt, die Urheimath der Maoris sei der Westen Mittel- oder Südamerikas.



*) Neuseeland. Von Dr, Ferdinand v, Hochstetter, Mit 2 Karten, v Farbenstahl-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/443>, abgerufen am 29.06.2024.