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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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liegen, in die Mitte des Weltverkehrs. Ueberall macht hier das Dampfschiff
seine Eroberungen, allenthalben schießen, wenn auch oft nicht von dem besten
Winde hierhergeführt -- wir denken an die Berbrecherdcportatiouen der frühern
und an die Goldgräbcrcolonien der jetzigen Zeit -- die Samen von Ansiede¬
lungen lustig ins Kraut. Wo vor einem Menschenalter ein einsamer Walftsch-
jäger die weite Wasserwüste durchschweifte, wimmelt es heute von Dampfern
und Seglern mit neuen Zuwandrern aus England und Deutschland, mit Fabri¬
katen des europäischen Nordens und mit den Producten, welche die Welt der
Gegenfüßler uns dafür sendet. Wo vor dreißig Jahren eine stille Bucht sich
streckte, braust jetzt das Treiben und Jagen einer großen Handelsstadt mit dem
Rollen Von Hunderten beladener Lastwagen und dem Getöse von Dutzenden
arbeitender Maschinen. Fast im Nu verwandeln sich einsame Waldidylle in
laute Märkte, von Jahr zu Jahr schneidet der Pflug weite Strecken bisheriger
Jagdgründe mehr für die Civilisation ab, unaufhörlich setzt das Netz von
Dampferlinien, welches die Inseln des Mittelmeers zwischen Asien und Amerika
unter sich und mit den beiden Kontinenten verbindet, neue Maschen an. Schon
bestimmen die Wolle und der Weizen Australiens die Marktpreise in London,

Es ist ein großes Leben, welches sich hier dem Auge zeigt, aber kein ge¬
müthliches Leben. Harter Egoismus regiert mit der Gewalt einer Naturkraft.
Aber nur so wird der Grund gelegt zu höherem Dasein. Die Civilisation ist
mit ihrer Eroberung ein Segen für das Ganze der Menschheit, aber der Tod
alles dessen, was sich ihr nicht unterordnet. Nur der Rasche und der Starke
behauptet sich, der Langsame wird erbarmungslos zurückgelassen, um zu ver¬
kommen, der Schwache im Gedränge niedergetreten, um nicht wieder aufzustehen.
Das gilt von dem Culturmenschen, der sein Glück in dieser neuen Welt sucht,
und das gilt in noch weit höheren Grade von den Naturvölkern, die in diesen
Regionen ihre Heimath haben. Gleichviel, welcher Race, ob dem Affen nahe¬
stehende Australneger, ob höher begabte Menschen brauner Familie, sie können
nur in paradiesischen Zustande fortexistiren. das Paradies aber weicht der Cultur,
und so lichten sich ihre Reihen wie ihre Wälder, auch ohne daß direct Gewalt
gegen sie gebraucht wird. Sie sterben schon an der Unfähigkeit zu ernster
strenger Arbeit. Sie zu solcher zu erziehen, ist versucht worden, und man hat
scheinbare Erfolge damit erzielt, aber zuletzt ist es überall mißlungen, und wo
das noch nicht aller Augen sichtbar ist, wird es über kurz oder lang offenbar
werden auch für die Hoffenden.

Grausame Härte, perfide räuberische Selbstsucht der weißen Ankömmlinge
gegen die autochthone Bevölkerung, wie wir sie im Folgenden zu verzeichnen
haben werden, beschleunigen diesen Proceß nur. Wir beklagen jene Gewalt¬
thätigkeiten der Kolonisten, die in der That aller Gerechtigkeit ins Gesicht
schlagen, aber wegen des Hinschwindens der Nacenvölker vor dem Hauch kau-


liegen, in die Mitte des Weltverkehrs. Ueberall macht hier das Dampfschiff
seine Eroberungen, allenthalben schießen, wenn auch oft nicht von dem besten
Winde hierhergeführt — wir denken an die Berbrecherdcportatiouen der frühern
und an die Goldgräbcrcolonien der jetzigen Zeit — die Samen von Ansiede¬
lungen lustig ins Kraut. Wo vor einem Menschenalter ein einsamer Walftsch-
jäger die weite Wasserwüste durchschweifte, wimmelt es heute von Dampfern
und Seglern mit neuen Zuwandrern aus England und Deutschland, mit Fabri¬
katen des europäischen Nordens und mit den Producten, welche die Welt der
Gegenfüßler uns dafür sendet. Wo vor dreißig Jahren eine stille Bucht sich
streckte, braust jetzt das Treiben und Jagen einer großen Handelsstadt mit dem
Rollen Von Hunderten beladener Lastwagen und dem Getöse von Dutzenden
arbeitender Maschinen. Fast im Nu verwandeln sich einsame Waldidylle in
laute Märkte, von Jahr zu Jahr schneidet der Pflug weite Strecken bisheriger
Jagdgründe mehr für die Civilisation ab, unaufhörlich setzt das Netz von
Dampferlinien, welches die Inseln des Mittelmeers zwischen Asien und Amerika
unter sich und mit den beiden Kontinenten verbindet, neue Maschen an. Schon
bestimmen die Wolle und der Weizen Australiens die Marktpreise in London,

Es ist ein großes Leben, welches sich hier dem Auge zeigt, aber kein ge¬
müthliches Leben. Harter Egoismus regiert mit der Gewalt einer Naturkraft.
Aber nur so wird der Grund gelegt zu höherem Dasein. Die Civilisation ist
mit ihrer Eroberung ein Segen für das Ganze der Menschheit, aber der Tod
alles dessen, was sich ihr nicht unterordnet. Nur der Rasche und der Starke
behauptet sich, der Langsame wird erbarmungslos zurückgelassen, um zu ver¬
kommen, der Schwache im Gedränge niedergetreten, um nicht wieder aufzustehen.
Das gilt von dem Culturmenschen, der sein Glück in dieser neuen Welt sucht,
und das gilt in noch weit höheren Grade von den Naturvölkern, die in diesen
Regionen ihre Heimath haben. Gleichviel, welcher Race, ob dem Affen nahe¬
stehende Australneger, ob höher begabte Menschen brauner Familie, sie können
nur in paradiesischen Zustande fortexistiren. das Paradies aber weicht der Cultur,
und so lichten sich ihre Reihen wie ihre Wälder, auch ohne daß direct Gewalt
gegen sie gebraucht wird. Sie sterben schon an der Unfähigkeit zu ernster
strenger Arbeit. Sie zu solcher zu erziehen, ist versucht worden, und man hat
scheinbare Erfolge damit erzielt, aber zuletzt ist es überall mißlungen, und wo
das noch nicht aller Augen sichtbar ist, wird es über kurz oder lang offenbar
werden auch für die Hoffenden.

Grausame Härte, perfide räuberische Selbstsucht der weißen Ankömmlinge
gegen die autochthone Bevölkerung, wie wir sie im Folgenden zu verzeichnen
haben werden, beschleunigen diesen Proceß nur. Wir beklagen jene Gewalt¬
thätigkeiten der Kolonisten, die in der That aller Gerechtigkeit ins Gesicht
schlagen, aber wegen des Hinschwindens der Nacenvölker vor dem Hauch kau-


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[0440] liegen, in die Mitte des Weltverkehrs. Ueberall macht hier das Dampfschiff seine Eroberungen, allenthalben schießen, wenn auch oft nicht von dem besten Winde hierhergeführt — wir denken an die Berbrecherdcportatiouen der frühern und an die Goldgräbcrcolonien der jetzigen Zeit — die Samen von Ansiede¬ lungen lustig ins Kraut. Wo vor einem Menschenalter ein einsamer Walftsch- jäger die weite Wasserwüste durchschweifte, wimmelt es heute von Dampfern und Seglern mit neuen Zuwandrern aus England und Deutschland, mit Fabri¬ katen des europäischen Nordens und mit den Producten, welche die Welt der Gegenfüßler uns dafür sendet. Wo vor dreißig Jahren eine stille Bucht sich streckte, braust jetzt das Treiben und Jagen einer großen Handelsstadt mit dem Rollen Von Hunderten beladener Lastwagen und dem Getöse von Dutzenden arbeitender Maschinen. Fast im Nu verwandeln sich einsame Waldidylle in laute Märkte, von Jahr zu Jahr schneidet der Pflug weite Strecken bisheriger Jagdgründe mehr für die Civilisation ab, unaufhörlich setzt das Netz von Dampferlinien, welches die Inseln des Mittelmeers zwischen Asien und Amerika unter sich und mit den beiden Kontinenten verbindet, neue Maschen an. Schon bestimmen die Wolle und der Weizen Australiens die Marktpreise in London, Es ist ein großes Leben, welches sich hier dem Auge zeigt, aber kein ge¬ müthliches Leben. Harter Egoismus regiert mit der Gewalt einer Naturkraft. Aber nur so wird der Grund gelegt zu höherem Dasein. Die Civilisation ist mit ihrer Eroberung ein Segen für das Ganze der Menschheit, aber der Tod alles dessen, was sich ihr nicht unterordnet. Nur der Rasche und der Starke behauptet sich, der Langsame wird erbarmungslos zurückgelassen, um zu ver¬ kommen, der Schwache im Gedränge niedergetreten, um nicht wieder aufzustehen. Das gilt von dem Culturmenschen, der sein Glück in dieser neuen Welt sucht, und das gilt in noch weit höheren Grade von den Naturvölkern, die in diesen Regionen ihre Heimath haben. Gleichviel, welcher Race, ob dem Affen nahe¬ stehende Australneger, ob höher begabte Menschen brauner Familie, sie können nur in paradiesischen Zustande fortexistiren. das Paradies aber weicht der Cultur, und so lichten sich ihre Reihen wie ihre Wälder, auch ohne daß direct Gewalt gegen sie gebraucht wird. Sie sterben schon an der Unfähigkeit zu ernster strenger Arbeit. Sie zu solcher zu erziehen, ist versucht worden, und man hat scheinbare Erfolge damit erzielt, aber zuletzt ist es überall mißlungen, und wo das noch nicht aller Augen sichtbar ist, wird es über kurz oder lang offenbar werden auch für die Hoffenden. Grausame Härte, perfide räuberische Selbstsucht der weißen Ankömmlinge gegen die autochthone Bevölkerung, wie wir sie im Folgenden zu verzeichnen haben werden, beschleunigen diesen Proceß nur. Wir beklagen jene Gewalt¬ thätigkeiten der Kolonisten, die in der That aller Gerechtigkeit ins Gesicht schlagen, aber wegen des Hinschwindens der Nacenvölker vor dem Hauch kau-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/440>, abgerufen am 29.06.2024.