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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Der Abt erbittet sich acht Tage Frist, um erst ein Kapitel zu berufen. Da
giebt ihm der Prior den Rath den Müller herbeizuholen, der als Doctor in aller
Büberei solche Dinge gar leicht errathen werde. Nach einigem Widerstreben
folgt der Müller dem -abgesendeten Mönche, erklärt die Beantwortung für kinder¬
leicht und fährt nach reichlich genossener Speise zu Hofe. Im Meere sind nicht
mehr als drei Kufen Wassers, wenn nämlich dieselben nur groß genug gemacht
werden; der Kaiser ist vier Groschen werth, denn wenn der Groschen zu allen
Zeiten sieben Pfennige gehabt hat und Christus für dreißig Pfennige verrathen
ist, so gilt daneben der Kaiser kaum achtundzwanzig. Das Glück habe er selbst
am nächsten gewonnen:

Der Kaiser macht ihn zum Abt, aber acht Tage Frist erbittet er sich, um
seine Mühle zu verkaufen, seiner Frau zu verkünden, daß sie fortan Aebtisstn
sei und seinen Kindern, daß sie einen Mönch zum Vater haben. Indessen darf
der gesunde, praktische Mutterwitz des gemeinen Mannes gegenüber der Unde"
holfenheit des Gelehrten, das selbstgefällige Behagen des neuen Abtes nicht
ohne Strafe und Demüthigung bleiben; denn zuletzt tritt ein Bauer auf. der
ihn darauf hinweist, wie oft er von seinem Korn gestohlen habe. -- Zahlreicher
noch sind die Fragen und treffender die Antworten in dem Spiel von dem
Freiheit (63). Einen Freiheit nämlich nannte man bereits im Mittelalter
einen Landstreicher, eine Art Zigeuner, die aus dem Wahrsagen Professton
machte, frei mit Beziehung auf das Herren- und berufslose Leben solches Ge-
sindels, heit aber männlich und persönlich gebraucht, wie es in ebenheit "der
Genosse" außerdem vorkommt*). Es >se ein Freiheitsbube, den die Dichter auch mit
Eintauschung einer geläufigeren Schlußsilbe Frihart nennen. Dem kecken Burschen
werden von dem Frager eine Menge Fragen gestellt, die er rasch und sicher
beantwortet: eine Probe mag genügen:



') Wackernagel in Haupt" Zeitschr. VIII, S09.
Grenzboten I. 186b.

Der Abt erbittet sich acht Tage Frist, um erst ein Kapitel zu berufen. Da
giebt ihm der Prior den Rath den Müller herbeizuholen, der als Doctor in aller
Büberei solche Dinge gar leicht errathen werde. Nach einigem Widerstreben
folgt der Müller dem -abgesendeten Mönche, erklärt die Beantwortung für kinder¬
leicht und fährt nach reichlich genossener Speise zu Hofe. Im Meere sind nicht
mehr als drei Kufen Wassers, wenn nämlich dieselben nur groß genug gemacht
werden; der Kaiser ist vier Groschen werth, denn wenn der Groschen zu allen
Zeiten sieben Pfennige gehabt hat und Christus für dreißig Pfennige verrathen
ist, so gilt daneben der Kaiser kaum achtundzwanzig. Das Glück habe er selbst
am nächsten gewonnen:

Der Kaiser macht ihn zum Abt, aber acht Tage Frist erbittet er sich, um
seine Mühle zu verkaufen, seiner Frau zu verkünden, daß sie fortan Aebtisstn
sei und seinen Kindern, daß sie einen Mönch zum Vater haben. Indessen darf
der gesunde, praktische Mutterwitz des gemeinen Mannes gegenüber der Unde»
holfenheit des Gelehrten, das selbstgefällige Behagen des neuen Abtes nicht
ohne Strafe und Demüthigung bleiben; denn zuletzt tritt ein Bauer auf. der
ihn darauf hinweist, wie oft er von seinem Korn gestohlen habe. — Zahlreicher
noch sind die Fragen und treffender die Antworten in dem Spiel von dem
Freiheit (63). Einen Freiheit nämlich nannte man bereits im Mittelalter
einen Landstreicher, eine Art Zigeuner, die aus dem Wahrsagen Professton
machte, frei mit Beziehung auf das Herren- und berufslose Leben solches Ge-
sindels, heit aber männlich und persönlich gebraucht, wie es in ebenheit „der
Genosse" außerdem vorkommt*). Es >se ein Freiheitsbube, den die Dichter auch mit
Eintauschung einer geläufigeren Schlußsilbe Frihart nennen. Dem kecken Burschen
werden von dem Frager eine Menge Fragen gestellt, die er rasch und sicher
beantwortet: eine Probe mag genügen:



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Grenzboten I. 186b.
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[0417] Der Abt erbittet sich acht Tage Frist, um erst ein Kapitel zu berufen. Da giebt ihm der Prior den Rath den Müller herbeizuholen, der als Doctor in aller Büberei solche Dinge gar leicht errathen werde. Nach einigem Widerstreben folgt der Müller dem -abgesendeten Mönche, erklärt die Beantwortung für kinder¬ leicht und fährt nach reichlich genossener Speise zu Hofe. Im Meere sind nicht mehr als drei Kufen Wassers, wenn nämlich dieselben nur groß genug gemacht werden; der Kaiser ist vier Groschen werth, denn wenn der Groschen zu allen Zeiten sieben Pfennige gehabt hat und Christus für dreißig Pfennige verrathen ist, so gilt daneben der Kaiser kaum achtundzwanzig. Das Glück habe er selbst am nächsten gewonnen: Der Kaiser macht ihn zum Abt, aber acht Tage Frist erbittet er sich, um seine Mühle zu verkaufen, seiner Frau zu verkünden, daß sie fortan Aebtisstn sei und seinen Kindern, daß sie einen Mönch zum Vater haben. Indessen darf der gesunde, praktische Mutterwitz des gemeinen Mannes gegenüber der Unde» holfenheit des Gelehrten, das selbstgefällige Behagen des neuen Abtes nicht ohne Strafe und Demüthigung bleiben; denn zuletzt tritt ein Bauer auf. der ihn darauf hinweist, wie oft er von seinem Korn gestohlen habe. — Zahlreicher noch sind die Fragen und treffender die Antworten in dem Spiel von dem Freiheit (63). Einen Freiheit nämlich nannte man bereits im Mittelalter einen Landstreicher, eine Art Zigeuner, die aus dem Wahrsagen Professton machte, frei mit Beziehung auf das Herren- und berufslose Leben solches Ge- sindels, heit aber männlich und persönlich gebraucht, wie es in ebenheit „der Genosse" außerdem vorkommt*). Es >se ein Freiheitsbube, den die Dichter auch mit Eintauschung einer geläufigeren Schlußsilbe Frihart nennen. Dem kecken Burschen werden von dem Frager eine Menge Fragen gestellt, die er rasch und sicher beantwortet: eine Probe mag genügen: ') Wackernagel in Haupt« Zeitschr. VIII, S09. Grenzboten I. 186b.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/417>, abgerufen am 29.06.2024.