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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Schönheit, welche die betreffenden Monumente aus den so betitelten Gestalten
gewinnen, immer von neuem entzückt; während wir so oft auf einer weise, tief
und unanfechtbar ausgeklügelten gedanklichen Grundlage den armseligsten kunst'
lerischen Bau sich entwickeln sehn, für dessen Dürftigkeit die Klarheit und
Nichtigkeit in der Anordnung des abstracten Ideengehalts dann keineswegs zu
entschädigen vermag.

In dieser Aufzählung des von Albert Wolfs bisher Geleisteten ist natür¬
lich manche kleinere Arbeit, ist die große Zahl seiner Büsten übergangen. Doch
wird das Genannte ungefähr genügen, ein künstlerisches Charakterbild von ihm
zu gewinnen. Wir verlassen ihn bei der Arbeit an dem kleinern Hilfsmodell
des Königsdenkmals. Wenn neben seiner schöpferischen bereits seit Jahren
eine ausgebreitete Lehrthätigkeit hergeht, durch welche er sich jenen für große
plastische Unternehmungen unentbehrlichen Kreis von Schülern und Hilfs¬
arbeitern herangebildet hat, so wird dieselbe bei Ausführung eines Werkes,
wie des genannten, naturgemäß an der großartigeren Praxis auch noch gro߬
artigere Ausdehnung und entsprechende Resultate gewinnen. Durch Per¬
sönlichkeit, wie durch die Art seines Talents ist Wolff vorzugsweis berufen, das
Werk Rauchs auch in Bezug auf die Erhaltung und Fortpflanzung der Schule
des Meisters und die Übertragung der Lehre und Tradition auf ein jüngeres
Geschlecht fortzusetzen.

Ungefähr gleichzeitig mit ihm trat sein Altersgenosse Gustav Bläser bei
Rauch ein, ein geborner Kölner, frühe schon in heimischen Werstätten handwerklich
praktisch geübt, seinem Naturell und Talent nach in den meisten Stücken sehr
abweichend, ja gegensätzlich zu jenem geartet. Leichtblütig und leichtschaffend,
naiv und nie von eines "Gedankens Blässe angekränkelt", besonders zu Dar¬
stellungen von lebhafter Bewegtheit neigend, weniger von classischer Regel in
seiner Gestaltungsweise und Formengebung bedingt, mit offnem frischem Sinn
für die wirkliche Natur und gleichzeitig mit entschiedner Neigung zu pathetisch
gesteigerter Lebensäußerung und zu alledem mit dem technischen Instinkt und
immer zu Gebot stehendem zweifellosen Geschick in jedes Materials Behandlung
ausgerüstet. Nicht so ruhig, stetig, mit gleichmäßiger Ausdauer arbeitend wie
Wolff, wurde er doch für Rauch schnell genug anstellig und verwendbar an den
damaligen großen Arbeiten der Werkstatt. An dem Kolossalmodell des könig¬
lichen Reiters selbst (am Friedrichdenkmal) hat er rüstig mitgearbeitet, zu Zeiten
in einer Art freier Selbständigkeit. Nach dessen Vollendung geht er in
der ersten vierziger Jahren nach Italien. Zunickgekrhrt beginnt er seine ganz
unabhängige Künstlerthätigkeit und eigentliche Laufbahn. Zunächst decorative
Figuren in dem neu aufgeschmückten "weißen Saal" des königlichen Schlosses
und im nach dem Brande neu erbauten Opernhause; der große Entwurf eines
mit einer Menge allegorischer Gestalten stassirten monumentalen Brunnens für


Schönheit, welche die betreffenden Monumente aus den so betitelten Gestalten
gewinnen, immer von neuem entzückt; während wir so oft auf einer weise, tief
und unanfechtbar ausgeklügelten gedanklichen Grundlage den armseligsten kunst'
lerischen Bau sich entwickeln sehn, für dessen Dürftigkeit die Klarheit und
Nichtigkeit in der Anordnung des abstracten Ideengehalts dann keineswegs zu
entschädigen vermag.

In dieser Aufzählung des von Albert Wolfs bisher Geleisteten ist natür¬
lich manche kleinere Arbeit, ist die große Zahl seiner Büsten übergangen. Doch
wird das Genannte ungefähr genügen, ein künstlerisches Charakterbild von ihm
zu gewinnen. Wir verlassen ihn bei der Arbeit an dem kleinern Hilfsmodell
des Königsdenkmals. Wenn neben seiner schöpferischen bereits seit Jahren
eine ausgebreitete Lehrthätigkeit hergeht, durch welche er sich jenen für große
plastische Unternehmungen unentbehrlichen Kreis von Schülern und Hilfs¬
arbeitern herangebildet hat, so wird dieselbe bei Ausführung eines Werkes,
wie des genannten, naturgemäß an der großartigeren Praxis auch noch gro߬
artigere Ausdehnung und entsprechende Resultate gewinnen. Durch Per¬
sönlichkeit, wie durch die Art seines Talents ist Wolff vorzugsweis berufen, das
Werk Rauchs auch in Bezug auf die Erhaltung und Fortpflanzung der Schule
des Meisters und die Übertragung der Lehre und Tradition auf ein jüngeres
Geschlecht fortzusetzen.

Ungefähr gleichzeitig mit ihm trat sein Altersgenosse Gustav Bläser bei
Rauch ein, ein geborner Kölner, frühe schon in heimischen Werstätten handwerklich
praktisch geübt, seinem Naturell und Talent nach in den meisten Stücken sehr
abweichend, ja gegensätzlich zu jenem geartet. Leichtblütig und leichtschaffend,
naiv und nie von eines „Gedankens Blässe angekränkelt", besonders zu Dar¬
stellungen von lebhafter Bewegtheit neigend, weniger von classischer Regel in
seiner Gestaltungsweise und Formengebung bedingt, mit offnem frischem Sinn
für die wirkliche Natur und gleichzeitig mit entschiedner Neigung zu pathetisch
gesteigerter Lebensäußerung und zu alledem mit dem technischen Instinkt und
immer zu Gebot stehendem zweifellosen Geschick in jedes Materials Behandlung
ausgerüstet. Nicht so ruhig, stetig, mit gleichmäßiger Ausdauer arbeitend wie
Wolff, wurde er doch für Rauch schnell genug anstellig und verwendbar an den
damaligen großen Arbeiten der Werkstatt. An dem Kolossalmodell des könig¬
lichen Reiters selbst (am Friedrichdenkmal) hat er rüstig mitgearbeitet, zu Zeiten
in einer Art freier Selbständigkeit. Nach dessen Vollendung geht er in
der ersten vierziger Jahren nach Italien. Zunickgekrhrt beginnt er seine ganz
unabhängige Künstlerthätigkeit und eigentliche Laufbahn. Zunächst decorative
Figuren in dem neu aufgeschmückten „weißen Saal" des königlichen Schlosses
und im nach dem Brande neu erbauten Opernhause; der große Entwurf eines
mit einer Menge allegorischer Gestalten stassirten monumentalen Brunnens für


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[0374] Schönheit, welche die betreffenden Monumente aus den so betitelten Gestalten gewinnen, immer von neuem entzückt; während wir so oft auf einer weise, tief und unanfechtbar ausgeklügelten gedanklichen Grundlage den armseligsten kunst' lerischen Bau sich entwickeln sehn, für dessen Dürftigkeit die Klarheit und Nichtigkeit in der Anordnung des abstracten Ideengehalts dann keineswegs zu entschädigen vermag. In dieser Aufzählung des von Albert Wolfs bisher Geleisteten ist natür¬ lich manche kleinere Arbeit, ist die große Zahl seiner Büsten übergangen. Doch wird das Genannte ungefähr genügen, ein künstlerisches Charakterbild von ihm zu gewinnen. Wir verlassen ihn bei der Arbeit an dem kleinern Hilfsmodell des Königsdenkmals. Wenn neben seiner schöpferischen bereits seit Jahren eine ausgebreitete Lehrthätigkeit hergeht, durch welche er sich jenen für große plastische Unternehmungen unentbehrlichen Kreis von Schülern und Hilfs¬ arbeitern herangebildet hat, so wird dieselbe bei Ausführung eines Werkes, wie des genannten, naturgemäß an der großartigeren Praxis auch noch gro߬ artigere Ausdehnung und entsprechende Resultate gewinnen. Durch Per¬ sönlichkeit, wie durch die Art seines Talents ist Wolff vorzugsweis berufen, das Werk Rauchs auch in Bezug auf die Erhaltung und Fortpflanzung der Schule des Meisters und die Übertragung der Lehre und Tradition auf ein jüngeres Geschlecht fortzusetzen. Ungefähr gleichzeitig mit ihm trat sein Altersgenosse Gustav Bläser bei Rauch ein, ein geborner Kölner, frühe schon in heimischen Werstätten handwerklich praktisch geübt, seinem Naturell und Talent nach in den meisten Stücken sehr abweichend, ja gegensätzlich zu jenem geartet. Leichtblütig und leichtschaffend, naiv und nie von eines „Gedankens Blässe angekränkelt", besonders zu Dar¬ stellungen von lebhafter Bewegtheit neigend, weniger von classischer Regel in seiner Gestaltungsweise und Formengebung bedingt, mit offnem frischem Sinn für die wirkliche Natur und gleichzeitig mit entschiedner Neigung zu pathetisch gesteigerter Lebensäußerung und zu alledem mit dem technischen Instinkt und immer zu Gebot stehendem zweifellosen Geschick in jedes Materials Behandlung ausgerüstet. Nicht so ruhig, stetig, mit gleichmäßiger Ausdauer arbeitend wie Wolff, wurde er doch für Rauch schnell genug anstellig und verwendbar an den damaligen großen Arbeiten der Werkstatt. An dem Kolossalmodell des könig¬ lichen Reiters selbst (am Friedrichdenkmal) hat er rüstig mitgearbeitet, zu Zeiten in einer Art freier Selbständigkeit. Nach dessen Vollendung geht er in der ersten vierziger Jahren nach Italien. Zunickgekrhrt beginnt er seine ganz unabhängige Künstlerthätigkeit und eigentliche Laufbahn. Zunächst decorative Figuren in dem neu aufgeschmückten „weißen Saal" des königlichen Schlosses und im nach dem Brande neu erbauten Opernhause; der große Entwurf eines mit einer Menge allegorischer Gestalten stassirten monumentalen Brunnens für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/374>, abgerufen am 22.07.2024.