Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.formtragern glücklicherweise auch. Das entschiedne Bestreben, sich möglichst von Eine harmonische, höchst bedeutsam wirkungsvolle, reich und organisch Wir kümmern uns schließlich wenig darum, was dieselben grade an jener formtragern glücklicherweise auch. Das entschiedne Bestreben, sich möglichst von Eine harmonische, höchst bedeutsam wirkungsvolle, reich und organisch Wir kümmern uns schließlich wenig darum, was dieselben grade an jener <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0373" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284843"/> <p xml:id="ID_1232" prev="#ID_1231"> formtragern glücklicherweise auch. Das entschiedne Bestreben, sich möglichst von<lb/> der durch jenes Muster ausgeübten Beherrschung der bildnerischen Phantasie<lb/> zu befreien, wird sehr ersichtlich darin und führt zu Resultaten, die wir aufrich¬<lb/> tig willkommen heißen wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1233"> Eine harmonische, höchst bedeutsam wirkungsvolle, reich und organisch<lb/> entwickelte Gesammtform des ganzen Monuments, Reiter und Piedestal als<lb/> Einheit betrachtet, zeichnet den gegenwärtigen Entwurf sehr vortheilhaft aus<lb/> und stellt ihn, wenn ich den grandiosen, leider auch nur Skizze gebliebenen von<lb/> Reinhold Begas für das kölner Denkmal desselben Königs modellirten ausnehme,<lb/> hoch über die zahlreichen Königsreitermonumente der letzten Jahrzehnte. Wolfs<lb/> gliedert seine Aufgabe in den rein realistischen und in den rein ideal - sym¬<lb/> bolischen Theil. Jenen bildet das Standbild selbst, diesen das Postament.<lb/> Der König ist porträtgctrcu gegeben, sogar bis auf den unglücklichen dreieckigen<lb/> Federhut seiner Zeit, den er auf dem Haupte trägt. Nur die segnend und<lb/> grüßend seinem Volk entgegengestreckte Handbewegung geht in ihrer allgemeineren<lb/> Bedeutsamkeit etwas über den in allem Uebrigen festgehaltnen realistischen Bild-<lb/> nißcharakter hinaus. Am Postament dagegen keine Generale als Simsträger,<lb/> keine Soldaten und kein „Volk" — und wir beklagen es wahrlich nicht! Ge¬<lb/> danklich ließe sich gegen die ziemlich willkürlichen Zusammenstellungen von ihrer<lb/> innersten Natur nach nicht zusammenpassenden Begriffen manches einwenden,<lb/> welche in den mächtigen theils Hautrelief theils ganz rund herausgearbeiteten<lb/> Figuren dieses Postaments verkörpert wurden. Dort auf der einen Langseite<lb/> die zum Kampf aufstehende Borussia in der Mitte, an den beiden Ecken die<lb/> sitzenden Gestalten des „Niemen" und des „Rhein" mit ihren Attributen; auf<lb/> der gegenüberliegenden die „Gesetzgebung" und an den betreffenden Ecken eben¬<lb/> falls sitzend hier Gewerbe und Kunst, dort die Wissenschaft und Lehre in Gruppen<lb/> bon je einer Männer- und je einer Krähengestalt. An der vordern Schmalseite<lb/> die Klio, des Königs Namen und Thaten an die Piedestalwand zeichnend; an<lb/> der entgegengesetzten der religiöse Glaube, eine zugleich als Repräsentantin der<lb/> ^nion aufgefaßte edle weibliche Erscheinung. Wie sich nun diese Flüsse, Av-<lb/> stracta, Klio, Borussia begrifflich unter einander vertragen, wird immer unklar<lb/> bleiben. Aber es giebt dieses Arrangement zu einer reichen Wechselwirkung so<lb/> herrlicher, großartig, einfach und schwungvoll bewegter Gestalten idealen Charak-<lb/> ^rs Veranlassung, daß wir gern über jenen Mangel der Berechtigung, die von<lb/> U)nen repräsentirten Begriffe in solcher Weise zusammenzustellen, hinwegsehn<lb/> wollen. Es ist etwas Aehnliches, wie mit den „Sklaven" am Postament des<lb/> Schlüterschen Kurfürsten oder der „Nacht" und dem „Tage" an Michelangelos<lb/> Grabmal der Medicäer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1234" next="#ID_1235"> Wir kümmern uns schließlich wenig darum, was dieselben grade an jener<lb/> stelle thun und „bedeuten" wollen; genug, daß uns die Pracht, Fülle und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0373]
formtragern glücklicherweise auch. Das entschiedne Bestreben, sich möglichst von
der durch jenes Muster ausgeübten Beherrschung der bildnerischen Phantasie
zu befreien, wird sehr ersichtlich darin und führt zu Resultaten, die wir aufrich¬
tig willkommen heißen wollen.
Eine harmonische, höchst bedeutsam wirkungsvolle, reich und organisch
entwickelte Gesammtform des ganzen Monuments, Reiter und Piedestal als
Einheit betrachtet, zeichnet den gegenwärtigen Entwurf sehr vortheilhaft aus
und stellt ihn, wenn ich den grandiosen, leider auch nur Skizze gebliebenen von
Reinhold Begas für das kölner Denkmal desselben Königs modellirten ausnehme,
hoch über die zahlreichen Königsreitermonumente der letzten Jahrzehnte. Wolfs
gliedert seine Aufgabe in den rein realistischen und in den rein ideal - sym¬
bolischen Theil. Jenen bildet das Standbild selbst, diesen das Postament.
Der König ist porträtgctrcu gegeben, sogar bis auf den unglücklichen dreieckigen
Federhut seiner Zeit, den er auf dem Haupte trägt. Nur die segnend und
grüßend seinem Volk entgegengestreckte Handbewegung geht in ihrer allgemeineren
Bedeutsamkeit etwas über den in allem Uebrigen festgehaltnen realistischen Bild-
nißcharakter hinaus. Am Postament dagegen keine Generale als Simsträger,
keine Soldaten und kein „Volk" — und wir beklagen es wahrlich nicht! Ge¬
danklich ließe sich gegen die ziemlich willkürlichen Zusammenstellungen von ihrer
innersten Natur nach nicht zusammenpassenden Begriffen manches einwenden,
welche in den mächtigen theils Hautrelief theils ganz rund herausgearbeiteten
Figuren dieses Postaments verkörpert wurden. Dort auf der einen Langseite
die zum Kampf aufstehende Borussia in der Mitte, an den beiden Ecken die
sitzenden Gestalten des „Niemen" und des „Rhein" mit ihren Attributen; auf
der gegenüberliegenden die „Gesetzgebung" und an den betreffenden Ecken eben¬
falls sitzend hier Gewerbe und Kunst, dort die Wissenschaft und Lehre in Gruppen
bon je einer Männer- und je einer Krähengestalt. An der vordern Schmalseite
die Klio, des Königs Namen und Thaten an die Piedestalwand zeichnend; an
der entgegengesetzten der religiöse Glaube, eine zugleich als Repräsentantin der
^nion aufgefaßte edle weibliche Erscheinung. Wie sich nun diese Flüsse, Av-
stracta, Klio, Borussia begrifflich unter einander vertragen, wird immer unklar
bleiben. Aber es giebt dieses Arrangement zu einer reichen Wechselwirkung so
herrlicher, großartig, einfach und schwungvoll bewegter Gestalten idealen Charak-
^rs Veranlassung, daß wir gern über jenen Mangel der Berechtigung, die von
U)nen repräsentirten Begriffe in solcher Weise zusammenzustellen, hinwegsehn
wollen. Es ist etwas Aehnliches, wie mit den „Sklaven" am Postament des
Schlüterschen Kurfürsten oder der „Nacht" und dem „Tage" an Michelangelos
Grabmal der Medicäer.
Wir kümmern uns schließlich wenig darum, was dieselben grade an jener
stelle thun und „bedeuten" wollen; genug, daß uns die Pracht, Fülle und
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