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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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"Und unsre Fürsten*) groß und gut!
Und groß und gut die Fürsten!
Uns lieben so wie Josephs) thut,
Nach deutschem Blut nicht dürsten.
Gut sein! Gut sein! ist viel gethan.
Erobern ist nur wenig;
Der König sei der bessre Mann,
Sonst sei der Bessre König."

Dann folgt in einem "Deutschen Vaterlandslied nach Voß" ein mit "Kolbe,
Lanz' und Schwert" um sich schlagendes, von "hoher Freiheitsgluth geröthetes"
Product, welches mit den ungeheuerlichen Phrasenfittichen, mit denen es auf¬
fliegt, selbst die Phraseurs unsrer heutigen Volksversammlungen weit unter sich
läßt. Komisch und charakteristisch ist, daß der Dichter nichts von Friedrich dem
Großen, nichts von Roßbach, nur von Höchstedt weiß. Noch komischer, wenn
er fingt:

"Für uns, für uns wacht Josephs Hand.
Für uns sein Heldenarm.
Er schützt ThuiskonS freies Land
Und haßt den Sklavenschwarm.
Für ihn, für seinen Vater wacht
Der freie deutsche Mann;
Mit hohem Muth fleucht er zur Schlacht,
Mit Siegsgefühl hinan."

So gehts gegen die Franzosen, "Hermann und Teil der Schweizerheld"
und wieder Kaiser Joseph. "Hermanns freier Enkel Lust" voran, so daß der
Kriegszug -- das Lied ist jedenfalls während des bayerischen Erbfolgekriegs
entstanden -- unzweifelhaft gelingen muß. Er gelingt wirklich, und jetzt wirds
gelind kannibalisch: ^

"Auf rothen Wogen wälzt der Rhein
Die Sklavenäser fort,
Und speit sie aus, und schluckt sie ein
Und jauchzt am User fort.
Der Rebenberg am Leichenthal
Tränke seinen Most mit Blut!
Dann trinken wir beim Freudenmahl
Triumph! Tyrannenblut!"



") Aus dem Vorhergehenden ist zu suppliren: "sollen sein".
") Kaiser Joseph der Zweite. Das deutsche Kaiserthum. für welche" hier und in den
folgenden Liedern geschwärmt wird, war todt, ehe es in aller Form starb, lange vor 178S.
Aber unsre Poeten liebten es überhaupt, sich für Schatten zu begeistern.
38 *
„Und unsre Fürsten*) groß und gut!
Und groß und gut die Fürsten!
Uns lieben so wie Josephs) thut,
Nach deutschem Blut nicht dürsten.
Gut sein! Gut sein! ist viel gethan.
Erobern ist nur wenig;
Der König sei der bessre Mann,
Sonst sei der Bessre König."

Dann folgt in einem „Deutschen Vaterlandslied nach Voß" ein mit „Kolbe,
Lanz' und Schwert" um sich schlagendes, von „hoher Freiheitsgluth geröthetes"
Product, welches mit den ungeheuerlichen Phrasenfittichen, mit denen es auf¬
fliegt, selbst die Phraseurs unsrer heutigen Volksversammlungen weit unter sich
läßt. Komisch und charakteristisch ist, daß der Dichter nichts von Friedrich dem
Großen, nichts von Roßbach, nur von Höchstedt weiß. Noch komischer, wenn
er fingt:

„Für uns, für uns wacht Josephs Hand.
Für uns sein Heldenarm.
Er schützt ThuiskonS freies Land
Und haßt den Sklavenschwarm.
Für ihn, für seinen Vater wacht
Der freie deutsche Mann;
Mit hohem Muth fleucht er zur Schlacht,
Mit Siegsgefühl hinan."

So gehts gegen die Franzosen, „Hermann und Teil der Schweizerheld"
und wieder Kaiser Joseph. „Hermanns freier Enkel Lust" voran, so daß der
Kriegszug — das Lied ist jedenfalls während des bayerischen Erbfolgekriegs
entstanden — unzweifelhaft gelingen muß. Er gelingt wirklich, und jetzt wirds
gelind kannibalisch: ^

„Auf rothen Wogen wälzt der Rhein
Die Sklavenäser fort,
Und speit sie aus, und schluckt sie ein
Und jauchzt am User fort.
Der Rebenberg am Leichenthal
Tränke seinen Most mit Blut!
Dann trinken wir beim Freudenmahl
Triumph! Tyrannenblut!"



") Aus dem Vorhergehenden ist zu suppliren: „sollen sein".
") Kaiser Joseph der Zweite. Das deutsche Kaiserthum. für welche« hier und in den
folgenden Liedern geschwärmt wird, war todt, ehe es in aller Form starb, lange vor 178S.
Aber unsre Poeten liebten es überhaupt, sich für Schatten zu begeistern.
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[0319] „Und unsre Fürsten*) groß und gut! Und groß und gut die Fürsten! Uns lieben so wie Josephs) thut, Nach deutschem Blut nicht dürsten. Gut sein! Gut sein! ist viel gethan. Erobern ist nur wenig; Der König sei der bessre Mann, Sonst sei der Bessre König." Dann folgt in einem „Deutschen Vaterlandslied nach Voß" ein mit „Kolbe, Lanz' und Schwert" um sich schlagendes, von „hoher Freiheitsgluth geröthetes" Product, welches mit den ungeheuerlichen Phrasenfittichen, mit denen es auf¬ fliegt, selbst die Phraseurs unsrer heutigen Volksversammlungen weit unter sich läßt. Komisch und charakteristisch ist, daß der Dichter nichts von Friedrich dem Großen, nichts von Roßbach, nur von Höchstedt weiß. Noch komischer, wenn er fingt: „Für uns, für uns wacht Josephs Hand. Für uns sein Heldenarm. Er schützt ThuiskonS freies Land Und haßt den Sklavenschwarm. Für ihn, für seinen Vater wacht Der freie deutsche Mann; Mit hohem Muth fleucht er zur Schlacht, Mit Siegsgefühl hinan." So gehts gegen die Franzosen, „Hermann und Teil der Schweizerheld" und wieder Kaiser Joseph. „Hermanns freier Enkel Lust" voran, so daß der Kriegszug — das Lied ist jedenfalls während des bayerischen Erbfolgekriegs entstanden — unzweifelhaft gelingen muß. Er gelingt wirklich, und jetzt wirds gelind kannibalisch: ^ „Auf rothen Wogen wälzt der Rhein Die Sklavenäser fort, Und speit sie aus, und schluckt sie ein Und jauchzt am User fort. Der Rebenberg am Leichenthal Tränke seinen Most mit Blut! Dann trinken wir beim Freudenmahl Triumph! Tyrannenblut!" ") Aus dem Vorhergehenden ist zu suppliren: „sollen sein". ") Kaiser Joseph der Zweite. Das deutsche Kaiserthum. für welche« hier und in den folgenden Liedern geschwärmt wird, war todt, ehe es in aller Form starb, lange vor 178S. Aber unsre Poeten liebten es überhaupt, sich für Schatten zu begeistern. 38 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/319>, abgerufen am 29.06.2024.