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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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gleimscher und gotterscher Dichtung hätte das naive Volkslied nicht für ein
Aschenbrödel geachtet. Was wir meinen ist die Verschiedenheit der einzelnen
Stücke nach der Begabung und Tendenz ihrer Autoren. Für gute Gesellschaft
hält der Herausgeber, wie die Majorität seiner Lieder zeigt, solche Poesien,
die schwärmerische Freundschaft, Natmschwelgerei. enthusiastische Tugendliebe
und bardenhafte Begeisterung für Deutschland - Wolkenkukuksheim athmen, sich
für weise Mäßigung im Genuß der Lebensfreuden in Stil von Papa Gleim
aussprechen und die "Menschenwürde" zu feiern bestrebt sind. Daneben spielen
Melodien der Logenorgel in das Concert. Endlich aber befinden sich nament¬
lich unter den Trivklindern auch einige gute derbe Producte. die mit ihrer ehr¬
lichen Sinnlichkeit und aufrichtigen Zechersreude recht erfreulich von der Sü߬
lichkeit und Nebelhaftigkeit der übrigen abstechen.

Sehen wir uns die Einzelnheiten an. so stoßen wir nach verschiedenen
schwachen Leistungen, die mehr nach der Oellampe als dem von ihnen geprie¬
senen Becher mit Rebensaft duften, auf unser schönes "Bekränzt mit Laub
den lieben vollen Becher". Dann wieder Mattes und Schales, unter anderm
ein Rundgesang "Das Glas der männlichen Hraft und Tugend", dessen erster
Vers recht bezeichnend für die vom Herausgeber angestrebte Reform der akade¬
mischen Freuden folgendermaßen lautet:

Man sieht, die in Reime gebrachte Schwindsucht, die eine um so traurigere
Figur spielt, als auf sie eine Aufforderung folgt, auf das, "was wir lieben"
anzustoßen. Weiter wiederum Besseres, wie Eberts hübsches Lied: "Ich höre
gern beim Weine singen, zumal wenn man vom Weine singt", das erwähnte
"Mdi est proxosiwlii" und Bürgers wohlgelungne Uebersetzung desselben:
"Ich will einst bei Ja und Nein". Darauf von neuem trockne pedantische
sacht auftretende Vergnügtheit mit langem moralischen Zopf: "Jugendweisheit".
"Ermahnung zur weisen Fröhlichkeit", "Ermunterung zur jugendlichen Fröhlich¬
keit" (die unter gesunden Gesellen überflüssig gewesen wäre), "Ruhelied nach
dem Fleiß" und ähnliches schulmeisterlich-Docirliches, welches wir auf sich be¬
ruhen lassen wollen, um Zeit zu einem Blicke in den zweiten Abschnitt der
Sammlung zu behalten, der "Vaterlandsgesänge und freundschaftliche Lieder"
enthält.

Hier treffen wir zunächst auf Claudius mit dem Weihelied: "Stimmt an
mit Hellem hohen Klang", in. welchem wir den jetzt vergessenen Versen begegnen:


gleimscher und gotterscher Dichtung hätte das naive Volkslied nicht für ein
Aschenbrödel geachtet. Was wir meinen ist die Verschiedenheit der einzelnen
Stücke nach der Begabung und Tendenz ihrer Autoren. Für gute Gesellschaft
hält der Herausgeber, wie die Majorität seiner Lieder zeigt, solche Poesien,
die schwärmerische Freundschaft, Natmschwelgerei. enthusiastische Tugendliebe
und bardenhafte Begeisterung für Deutschland - Wolkenkukuksheim athmen, sich
für weise Mäßigung im Genuß der Lebensfreuden in Stil von Papa Gleim
aussprechen und die „Menschenwürde" zu feiern bestrebt sind. Daneben spielen
Melodien der Logenorgel in das Concert. Endlich aber befinden sich nament¬
lich unter den Trivklindern auch einige gute derbe Producte. die mit ihrer ehr¬
lichen Sinnlichkeit und aufrichtigen Zechersreude recht erfreulich von der Sü߬
lichkeit und Nebelhaftigkeit der übrigen abstechen.

Sehen wir uns die Einzelnheiten an. so stoßen wir nach verschiedenen
schwachen Leistungen, die mehr nach der Oellampe als dem von ihnen geprie¬
senen Becher mit Rebensaft duften, auf unser schönes „Bekränzt mit Laub
den lieben vollen Becher". Dann wieder Mattes und Schales, unter anderm
ein Rundgesang „Das Glas der männlichen Hraft und Tugend", dessen erster
Vers recht bezeichnend für die vom Herausgeber angestrebte Reform der akade¬
mischen Freuden folgendermaßen lautet:

Man sieht, die in Reime gebrachte Schwindsucht, die eine um so traurigere
Figur spielt, als auf sie eine Aufforderung folgt, auf das, „was wir lieben"
anzustoßen. Weiter wiederum Besseres, wie Eberts hübsches Lied: „Ich höre
gern beim Weine singen, zumal wenn man vom Weine singt", das erwähnte
„Mdi est proxosiwlii" und Bürgers wohlgelungne Uebersetzung desselben:
„Ich will einst bei Ja und Nein". Darauf von neuem trockne pedantische
sacht auftretende Vergnügtheit mit langem moralischen Zopf: „Jugendweisheit".
„Ermahnung zur weisen Fröhlichkeit", „Ermunterung zur jugendlichen Fröhlich¬
keit" (die unter gesunden Gesellen überflüssig gewesen wäre), „Ruhelied nach
dem Fleiß" und ähnliches schulmeisterlich-Docirliches, welches wir auf sich be¬
ruhen lassen wollen, um Zeit zu einem Blicke in den zweiten Abschnitt der
Sammlung zu behalten, der „Vaterlandsgesänge und freundschaftliche Lieder"
enthält.

Hier treffen wir zunächst auf Claudius mit dem Weihelied: „Stimmt an
mit Hellem hohen Klang", in. welchem wir den jetzt vergessenen Versen begegnen:


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[0318] gleimscher und gotterscher Dichtung hätte das naive Volkslied nicht für ein Aschenbrödel geachtet. Was wir meinen ist die Verschiedenheit der einzelnen Stücke nach der Begabung und Tendenz ihrer Autoren. Für gute Gesellschaft hält der Herausgeber, wie die Majorität seiner Lieder zeigt, solche Poesien, die schwärmerische Freundschaft, Natmschwelgerei. enthusiastische Tugendliebe und bardenhafte Begeisterung für Deutschland - Wolkenkukuksheim athmen, sich für weise Mäßigung im Genuß der Lebensfreuden in Stil von Papa Gleim aussprechen und die „Menschenwürde" zu feiern bestrebt sind. Daneben spielen Melodien der Logenorgel in das Concert. Endlich aber befinden sich nament¬ lich unter den Trivklindern auch einige gute derbe Producte. die mit ihrer ehr¬ lichen Sinnlichkeit und aufrichtigen Zechersreude recht erfreulich von der Sü߬ lichkeit und Nebelhaftigkeit der übrigen abstechen. Sehen wir uns die Einzelnheiten an. so stoßen wir nach verschiedenen schwachen Leistungen, die mehr nach der Oellampe als dem von ihnen geprie¬ senen Becher mit Rebensaft duften, auf unser schönes „Bekränzt mit Laub den lieben vollen Becher". Dann wieder Mattes und Schales, unter anderm ein Rundgesang „Das Glas der männlichen Hraft und Tugend", dessen erster Vers recht bezeichnend für die vom Herausgeber angestrebte Reform der akade¬ mischen Freuden folgendermaßen lautet: Man sieht, die in Reime gebrachte Schwindsucht, die eine um so traurigere Figur spielt, als auf sie eine Aufforderung folgt, auf das, „was wir lieben" anzustoßen. Weiter wiederum Besseres, wie Eberts hübsches Lied: „Ich höre gern beim Weine singen, zumal wenn man vom Weine singt", das erwähnte „Mdi est proxosiwlii" und Bürgers wohlgelungne Uebersetzung desselben: „Ich will einst bei Ja und Nein". Darauf von neuem trockne pedantische sacht auftretende Vergnügtheit mit langem moralischen Zopf: „Jugendweisheit". „Ermahnung zur weisen Fröhlichkeit", „Ermunterung zur jugendlichen Fröhlich¬ keit" (die unter gesunden Gesellen überflüssig gewesen wäre), „Ruhelied nach dem Fleiß" und ähnliches schulmeisterlich-Docirliches, welches wir auf sich be¬ ruhen lassen wollen, um Zeit zu einem Blicke in den zweiten Abschnitt der Sammlung zu behalten, der „Vaterlandsgesänge und freundschaftliche Lieder" enthält. Hier treffen wir zunächst auf Claudius mit dem Weihelied: „Stimmt an mit Hellem hohen Klang", in. welchem wir den jetzt vergessenen Versen begegnen:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/318>, abgerufen am 28.09.2024.