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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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gefallen sei, wenn man vielleicht auch sehr lange auf die Frucht warten muß."
Besonders empfänglich schienen die Landleute, welche von April bis Juli in
die Stadt kamen, um das von ihnen gewonnene Opium an die britische Factorei
in Ghazipur abzuliefern, und die sich dann mehre Tage auf der Station der
Missionäre aufhielten. Ueber einen "tiefen Eindruck von der Predigt des
Evangeliums" gelangte man aber auch bei ihnen nicht hinaus. Aehnliches meldet
unser Heidenbote von den Bettlerschaaren, die sich an einem bestimmten Tage
in der Woche im Missionshause einstellten, um Reis, Salz. Dhal und im
Winter Wolldecken in Empfang zu nehmen. "Daß wir mit unsern heidnischen
Dienstboten Hausandacht hielten, versteht sich von selbst. Manche wollten an¬
fänglich nicht kommen, wenn wir ihnen jedoch sagten, daß sie sich in unsre
Hausordnung zu schicken hätten, es aber ihrem Gewissen überlassen bliebe, ob
sie Christen werden wollten oder nicht, so fügten sie sich.

Nächst der Predigt und der Vertheilung von Büchern waren es vorzüglich
Schulen, durch welche die Missionäre zu wirken suchten. Man hatte drei Bazar-
schulen, die in der offnen Veranda eines Hauses der Marktstraße gehalten wurden,
und in welchen man, da Europäer ihrer Gesundheit wegen hier nicht lange
verweilen dürfen, durch Lalas, heidnische Lehrer, unterrichten ließ. Letztere
müssen die Kinder jeden Tag vom elterlichen Hause zur Schule abholen. Sie
sollen nur das lehren, was ihre christlichen Brodherren, die ihnen für ihre
Bemühungen monatlich fünf Rupien zahlen, für gut finden: Lesen, wobei man
Matthäus. Lukas, das erste Buch Mosis und die Psalmen benutzte, Schreiben,
Rechnen nach der Weise der Hindus und den Katechismus. Hauptzweck war
letzterer: "die Heiden sollten schon in ihrer Jugend mit den Heilswahrheiten
bekannt gemacht und die Zahl derer, welche lesen und das gepredigte Wort
besser verstehen können, vermehrt werden". Zwei bis drei Mal die Woche er¬
schienen die Missionäre in der Schule, um sich von dem Stande derselben zu
überzeugen, "und da war es recht erfreulich zu bemerken, welche schöne Kenntnisse
einige Knaben sich erworben hatten. Sie waren mit der Schöpfungsgeschichte,
dem Sündenfall, dem Leben des Heilands, mit seiner Geburt zu Bethlehem,
seinen Wunderwerken, der Geschichte seines Todes, Begräbnisses, seiner Auf¬
erstehung und Himmelfahrt, von dannen er kommen wird, zu richten die Leben¬
digen und die Todten, vertraut geworden und blieben uns nur wenige Fragen
schuldig."

Aber auch an üblen Erfahrungen fehlte es nicht. Zunächst hatte man
seine Noth mit den Lalas, die sich häusig träge zeigten oder gar die Kinder
statt in..den ihnen vorgeschriebenen christlichen in heidnischen oder muham-
Medanischen Büchern lesen ließen, "die meist so voll Greuel und Unzucht sind,
daß nur verworfene Gemüther dieselben ohne Scham ansehen können". Ferner
schicken die Eltern nicht ungern ihre Kinder zur Schule, weil sie nichts für den


Grenjboten I. 1866. 35

gefallen sei, wenn man vielleicht auch sehr lange auf die Frucht warten muß."
Besonders empfänglich schienen die Landleute, welche von April bis Juli in
die Stadt kamen, um das von ihnen gewonnene Opium an die britische Factorei
in Ghazipur abzuliefern, und die sich dann mehre Tage auf der Station der
Missionäre aufhielten. Ueber einen „tiefen Eindruck von der Predigt des
Evangeliums" gelangte man aber auch bei ihnen nicht hinaus. Aehnliches meldet
unser Heidenbote von den Bettlerschaaren, die sich an einem bestimmten Tage
in der Woche im Missionshause einstellten, um Reis, Salz. Dhal und im
Winter Wolldecken in Empfang zu nehmen. „Daß wir mit unsern heidnischen
Dienstboten Hausandacht hielten, versteht sich von selbst. Manche wollten an¬
fänglich nicht kommen, wenn wir ihnen jedoch sagten, daß sie sich in unsre
Hausordnung zu schicken hätten, es aber ihrem Gewissen überlassen bliebe, ob
sie Christen werden wollten oder nicht, so fügten sie sich.

Nächst der Predigt und der Vertheilung von Büchern waren es vorzüglich
Schulen, durch welche die Missionäre zu wirken suchten. Man hatte drei Bazar-
schulen, die in der offnen Veranda eines Hauses der Marktstraße gehalten wurden,
und in welchen man, da Europäer ihrer Gesundheit wegen hier nicht lange
verweilen dürfen, durch Lalas, heidnische Lehrer, unterrichten ließ. Letztere
müssen die Kinder jeden Tag vom elterlichen Hause zur Schule abholen. Sie
sollen nur das lehren, was ihre christlichen Brodherren, die ihnen für ihre
Bemühungen monatlich fünf Rupien zahlen, für gut finden: Lesen, wobei man
Matthäus. Lukas, das erste Buch Mosis und die Psalmen benutzte, Schreiben,
Rechnen nach der Weise der Hindus und den Katechismus. Hauptzweck war
letzterer: „die Heiden sollten schon in ihrer Jugend mit den Heilswahrheiten
bekannt gemacht und die Zahl derer, welche lesen und das gepredigte Wort
besser verstehen können, vermehrt werden". Zwei bis drei Mal die Woche er¬
schienen die Missionäre in der Schule, um sich von dem Stande derselben zu
überzeugen, „und da war es recht erfreulich zu bemerken, welche schöne Kenntnisse
einige Knaben sich erworben hatten. Sie waren mit der Schöpfungsgeschichte,
dem Sündenfall, dem Leben des Heilands, mit seiner Geburt zu Bethlehem,
seinen Wunderwerken, der Geschichte seines Todes, Begräbnisses, seiner Auf¬
erstehung und Himmelfahrt, von dannen er kommen wird, zu richten die Leben¬
digen und die Todten, vertraut geworden und blieben uns nur wenige Fragen
schuldig."

Aber auch an üblen Erfahrungen fehlte es nicht. Zunächst hatte man
seine Noth mit den Lalas, die sich häusig träge zeigten oder gar die Kinder
statt in..den ihnen vorgeschriebenen christlichen in heidnischen oder muham-
Medanischen Büchern lesen ließen, „die meist so voll Greuel und Unzucht sind,
daß nur verworfene Gemüther dieselben ohne Scham ansehen können". Ferner
schicken die Eltern nicht ungern ihre Kinder zur Schule, weil sie nichts für den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/291>, abgerufen am 24.08.2024.