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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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umtobt. Melonen, Yamswurzeln, süße Zwiebeln. Salat und Erbsen, ferner
Obstbäume, wie Bananen, Orangen, Feigen, Pfirsiche, Lukats. den gelben
Pflaumen ähnlich, Aprikosen und Bombay-Mangos, die eine gelbgrüne, bis zu
einem Pfund schwere und im Geschmack den Duft der Ananas mit dem'der
Apfelsine vereinigende Frucht tragen. Die indischen Blumen sind nicht man¬
nigfaltig und haben selten einen Geruch, doch gedeihen Myrrhe, Rose, Oleander
und Balsamine sehr wohl.

Man steht sehr früh vor Sonnenaufgang auf, um seine Geschäfte außer
Hause zu besorgen. Gegen vier Uhr geht man aus, um neun Uhr ist man
wieder zurück, um die Wohnung vor Abend nicht wieder zu verlassen, da es
nach Tagwerden unerträglich heiß wird. Um neun Uhr wird das erste Mal,
um ein Uhr das zweite Mal gefrühstückt, um fünf Uhr findet die Hauptmahl¬
zeit statt.

Jeder Europäer von Rang braucht viele Diener, und so auch der Missio¬
när, doch, wie unsere Schrift meint, nicht um zu prunken, sondern "weil es
die Umstände, das heiße Klima und das Kastenwesen der Hindus erfordern".
Alle Diener, die man hat, gehören verschiedenen Kasten an, und keiner der¬
selben darf eine andere Arbeit als die seiner Kaste gebührende verrichten, ohne
letztere zu verlieren, auch kann der Missionär bei der großen Hitze, die im
Sommer 30 bis 40 Grad im Freien erreicht, "seiner Frau nicht zumuthen, sich
häuslichen Arbeiten wie dem Kochen oder Waschen zu unterziehen". So hält
man sich denn einen Koch, einen Wasserträger, einen Ausfeger, einen "Bearcr"
(Portier und Bote), einen Wäscher, einen Nachtwächter und einen oder zwei
Pankhazieher. Letztere sind durchaus nöthig; denn der große Fächer, den sie
bewegen, und unter dessen Kühlung man bei Tage arbeitet, bei Nacht schläft,
ist in Indien ebenso Bedürfniß wie in kalten Ländern der Ofen. Sobald der
Pankha still steht, bricht der Schweiß aus allen Poren hervor. Ein anderes
nothwendiges Stück Hausrath, auch für den Missionär, ist ein Palankin oder
ein Wagen, weil man nur in diesen auch am hellen Tage ohne.Gefahr vor
Gehirnentzündung oder Sonnenstich von einem Ort zum andern gelangen kann.
Zum Palankin aber gehören Träger, zum Wagen ein Pferdeknecht und ein
Grasstecher, und so bedarf denn auch der Missionär, wie sehr er sich einschränke,
in der heißen Jahreszeit, April, Mai und Juni, allermindestens 10 bis 11, in
der kalten 8 bis 9 Diener.

Niemand geht in jener Periode des Jahres ohne die größte Noth bei
'Tage aus; muß es geschehen, so bedeckt man den Kopf mit einem Hut von in¬
dischem Kork, der mit Kattun oder Seide bezogen ist, zieht leichte, meist weiße
Kleidung an und spannt einen starken Regenschirm über sich aus, der einen
weißen Ueberzug hat. Reisen werden dann nur des Nachts unternommen, aber
auch dann ist die Lust meist noch sehr schwül. Selbst die Thierwelt sinkt vor


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umtobt. Melonen, Yamswurzeln, süße Zwiebeln. Salat und Erbsen, ferner
Obstbäume, wie Bananen, Orangen, Feigen, Pfirsiche, Lukats. den gelben
Pflaumen ähnlich, Aprikosen und Bombay-Mangos, die eine gelbgrüne, bis zu
einem Pfund schwere und im Geschmack den Duft der Ananas mit dem'der
Apfelsine vereinigende Frucht tragen. Die indischen Blumen sind nicht man¬
nigfaltig und haben selten einen Geruch, doch gedeihen Myrrhe, Rose, Oleander
und Balsamine sehr wohl.

Man steht sehr früh vor Sonnenaufgang auf, um seine Geschäfte außer
Hause zu besorgen. Gegen vier Uhr geht man aus, um neun Uhr ist man
wieder zurück, um die Wohnung vor Abend nicht wieder zu verlassen, da es
nach Tagwerden unerträglich heiß wird. Um neun Uhr wird das erste Mal,
um ein Uhr das zweite Mal gefrühstückt, um fünf Uhr findet die Hauptmahl¬
zeit statt.

Jeder Europäer von Rang braucht viele Diener, und so auch der Missio¬
när, doch, wie unsere Schrift meint, nicht um zu prunken, sondern „weil es
die Umstände, das heiße Klima und das Kastenwesen der Hindus erfordern".
Alle Diener, die man hat, gehören verschiedenen Kasten an, und keiner der¬
selben darf eine andere Arbeit als die seiner Kaste gebührende verrichten, ohne
letztere zu verlieren, auch kann der Missionär bei der großen Hitze, die im
Sommer 30 bis 40 Grad im Freien erreicht, „seiner Frau nicht zumuthen, sich
häuslichen Arbeiten wie dem Kochen oder Waschen zu unterziehen". So hält
man sich denn einen Koch, einen Wasserträger, einen Ausfeger, einen „Bearcr"
(Portier und Bote), einen Wäscher, einen Nachtwächter und einen oder zwei
Pankhazieher. Letztere sind durchaus nöthig; denn der große Fächer, den sie
bewegen, und unter dessen Kühlung man bei Tage arbeitet, bei Nacht schläft,
ist in Indien ebenso Bedürfniß wie in kalten Ländern der Ofen. Sobald der
Pankha still steht, bricht der Schweiß aus allen Poren hervor. Ein anderes
nothwendiges Stück Hausrath, auch für den Missionär, ist ein Palankin oder
ein Wagen, weil man nur in diesen auch am hellen Tage ohne.Gefahr vor
Gehirnentzündung oder Sonnenstich von einem Ort zum andern gelangen kann.
Zum Palankin aber gehören Träger, zum Wagen ein Pferdeknecht und ein
Grasstecher, und so bedarf denn auch der Missionär, wie sehr er sich einschränke,
in der heißen Jahreszeit, April, Mai und Juni, allermindestens 10 bis 11, in
der kalten 8 bis 9 Diener.

Niemand geht in jener Periode des Jahres ohne die größte Noth bei
'Tage aus; muß es geschehen, so bedeckt man den Kopf mit einem Hut von in¬
dischem Kork, der mit Kattun oder Seide bezogen ist, zieht leichte, meist weiße
Kleidung an und spannt einen starken Regenschirm über sich aus, der einen
weißen Ueberzug hat. Reisen werden dann nur des Nachts unternommen, aber
auch dann ist die Lust meist noch sehr schwül. Selbst die Thierwelt sinkt vor


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[0285] umtobt. Melonen, Yamswurzeln, süße Zwiebeln. Salat und Erbsen, ferner Obstbäume, wie Bananen, Orangen, Feigen, Pfirsiche, Lukats. den gelben Pflaumen ähnlich, Aprikosen und Bombay-Mangos, die eine gelbgrüne, bis zu einem Pfund schwere und im Geschmack den Duft der Ananas mit dem'der Apfelsine vereinigende Frucht tragen. Die indischen Blumen sind nicht man¬ nigfaltig und haben selten einen Geruch, doch gedeihen Myrrhe, Rose, Oleander und Balsamine sehr wohl. Man steht sehr früh vor Sonnenaufgang auf, um seine Geschäfte außer Hause zu besorgen. Gegen vier Uhr geht man aus, um neun Uhr ist man wieder zurück, um die Wohnung vor Abend nicht wieder zu verlassen, da es nach Tagwerden unerträglich heiß wird. Um neun Uhr wird das erste Mal, um ein Uhr das zweite Mal gefrühstückt, um fünf Uhr findet die Hauptmahl¬ zeit statt. Jeder Europäer von Rang braucht viele Diener, und so auch der Missio¬ när, doch, wie unsere Schrift meint, nicht um zu prunken, sondern „weil es die Umstände, das heiße Klima und das Kastenwesen der Hindus erfordern". Alle Diener, die man hat, gehören verschiedenen Kasten an, und keiner der¬ selben darf eine andere Arbeit als die seiner Kaste gebührende verrichten, ohne letztere zu verlieren, auch kann der Missionär bei der großen Hitze, die im Sommer 30 bis 40 Grad im Freien erreicht, „seiner Frau nicht zumuthen, sich häuslichen Arbeiten wie dem Kochen oder Waschen zu unterziehen". So hält man sich denn einen Koch, einen Wasserträger, einen Ausfeger, einen „Bearcr" (Portier und Bote), einen Wäscher, einen Nachtwächter und einen oder zwei Pankhazieher. Letztere sind durchaus nöthig; denn der große Fächer, den sie bewegen, und unter dessen Kühlung man bei Tage arbeitet, bei Nacht schläft, ist in Indien ebenso Bedürfniß wie in kalten Ländern der Ofen. Sobald der Pankha still steht, bricht der Schweiß aus allen Poren hervor. Ein anderes nothwendiges Stück Hausrath, auch für den Missionär, ist ein Palankin oder ein Wagen, weil man nur in diesen auch am hellen Tage ohne.Gefahr vor Gehirnentzündung oder Sonnenstich von einem Ort zum andern gelangen kann. Zum Palankin aber gehören Träger, zum Wagen ein Pferdeknecht und ein Grasstecher, und so bedarf denn auch der Missionär, wie sehr er sich einschränke, in der heißen Jahreszeit, April, Mai und Juni, allermindestens 10 bis 11, in der kalten 8 bis 9 Diener. Niemand geht in jener Periode des Jahres ohne die größte Noth bei 'Tage aus; muß es geschehen, so bedeckt man den Kopf mit einem Hut von in¬ dischem Kork, der mit Kattun oder Seide bezogen ist, zieht leichte, meist weiße Kleidung an und spannt einen starken Regenschirm über sich aus, der einen weißen Ueberzug hat. Reisen werden dann nur des Nachts unternommen, aber auch dann ist die Lust meist noch sehr schwül. Selbst die Thierwelt sinkt vor 34*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/285>, abgerufen am 24.08.2024.