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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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lassung: 1) weil der Aussprache in der ersten Zeit noch Unvollkommensten
ankleben; denn das Wort hat oft eine ganz andere Bedeutung, wenn man den
Vocal lang oder kurz, den Consonanten hart oder weich ausspricht; 2) weil
der Orientale in Bildern und Gleichnissen zu sprechen liebt, was der Missionär
nicht gewöhnt ist. Die älteren Herren aus den Missionen wissen dies. Es
wird ihnen deshalb, wenn sie die Rede ihres jüngern Mitarbeiters zu verdeut¬
lichen suchen, von den Hindus auch das Lob zu Theil: "M) has hotta Hai",
d. h. dieser spricht rein".

In Ghazipur richtete man sich mit der Bequemlichkeit ein, die unter den mo¬
dernen Nachfolgern des heiligen Paulus, namentlich unter den im Orient wir¬
kenden üblich und bis zu einem gewissen Grade auch unumgänglich ist. Sehen
wir auch hier unserm Missionär einmal in die Wirthschaft. Er miethet mit
den College" ein europäisch eingerichtetes Haus vor der Stadt, um nicht von
dem Rauch der letzteren belästigt zu werden. Dasselbe ist einstöckig und mit
Stroh gedeckt, sowie ringsherum mit einer von Säulen getragenen Veranda
versehen, in der die Bewohner am Morgen und Abend verweilen. Die Zim¬
mer, unter denen Räume zum Baden und Stuben für einsprechende Fremde
nicht fehlen, sind hoch und geräumig und an der Decke mit dem Pankha, einem
großen, mit weißem Kattun beschlagenen und unten mit einer Kattunfalbel be¬
setzten Fächer versehen, der, von einem Diener in der Veranda fortwährend an
einer Leine gezogen, die Hitze zu mildern bestimmt ist. Ein anderes Mittel
gegen die Hitze, welches namentlich in der Zeit, wo die heißen Winde wehen,
viel gebraucht wird, sind die Tallis, Vorsetzer oder Schirme von Bambus¬
stäben, die so groß wie eine Thür und mit langen, wohlriechenden Graswur¬
zeln zwei Finger dick belegt sind. Der Schirm wird an eine geöffnete Thür gestellt
und tüchtig mit Wasser begossen, welches dann rasch verdunstet und dadurch
die Zunmer kühl macht. Möbel hat man nur wenige, und damit man beim
Herantreten gleich alles übersehen kann, was des häufig in das Haus hinein¬
schleichenden giftigen Gewürms wegen nöthig ist, stehen Tische, Sophas und
Bettstellen mitten in den Zimmern. Die Decke der letzteren ist nichts als ein
Stück Baumwollenzeug, welches von Wand zu Wand gespannt und weiß an¬
gestrichen ist. der Fußboden, der weißen Ameisen wegen, welche alles Holzwerk zer¬
stören, nicht gedielt, sondern von Mörtel und Stein gemacht und mit feinen Matten
und Teppichen belegt. Die Fenster haben Jalousien, die zahlreichen Thüren
des Hauses stehen, des nothwendigen Luftzugs halber, stets offen und sind nur
mit einer hübschen Gardine oder einem niedrigen Schirm geschlossen. Bor dem
Hause befindet sich ein Garten mit Rasenplätzen, durch welchen mit wilder
Myrrhe eingefaßte Wege führen, und eme Anzahl von Nebengebäuden, Küche,
Pferdestall, Vorrathskammer und Dienerwohnungen, Das ganze Gehöft schließt
ein hoher dichter Kakiuszaun ein. Im Garten giebts allerlei Gemüse: Bin-


lassung: 1) weil der Aussprache in der ersten Zeit noch Unvollkommensten
ankleben; denn das Wort hat oft eine ganz andere Bedeutung, wenn man den
Vocal lang oder kurz, den Consonanten hart oder weich ausspricht; 2) weil
der Orientale in Bildern und Gleichnissen zu sprechen liebt, was der Missionär
nicht gewöhnt ist. Die älteren Herren aus den Missionen wissen dies. Es
wird ihnen deshalb, wenn sie die Rede ihres jüngern Mitarbeiters zu verdeut¬
lichen suchen, von den Hindus auch das Lob zu Theil: „M) has hotta Hai",
d. h. dieser spricht rein".

In Ghazipur richtete man sich mit der Bequemlichkeit ein, die unter den mo¬
dernen Nachfolgern des heiligen Paulus, namentlich unter den im Orient wir¬
kenden üblich und bis zu einem gewissen Grade auch unumgänglich ist. Sehen
wir auch hier unserm Missionär einmal in die Wirthschaft. Er miethet mit
den College» ein europäisch eingerichtetes Haus vor der Stadt, um nicht von
dem Rauch der letzteren belästigt zu werden. Dasselbe ist einstöckig und mit
Stroh gedeckt, sowie ringsherum mit einer von Säulen getragenen Veranda
versehen, in der die Bewohner am Morgen und Abend verweilen. Die Zim¬
mer, unter denen Räume zum Baden und Stuben für einsprechende Fremde
nicht fehlen, sind hoch und geräumig und an der Decke mit dem Pankha, einem
großen, mit weißem Kattun beschlagenen und unten mit einer Kattunfalbel be¬
setzten Fächer versehen, der, von einem Diener in der Veranda fortwährend an
einer Leine gezogen, die Hitze zu mildern bestimmt ist. Ein anderes Mittel
gegen die Hitze, welches namentlich in der Zeit, wo die heißen Winde wehen,
viel gebraucht wird, sind die Tallis, Vorsetzer oder Schirme von Bambus¬
stäben, die so groß wie eine Thür und mit langen, wohlriechenden Graswur¬
zeln zwei Finger dick belegt sind. Der Schirm wird an eine geöffnete Thür gestellt
und tüchtig mit Wasser begossen, welches dann rasch verdunstet und dadurch
die Zunmer kühl macht. Möbel hat man nur wenige, und damit man beim
Herantreten gleich alles übersehen kann, was des häufig in das Haus hinein¬
schleichenden giftigen Gewürms wegen nöthig ist, stehen Tische, Sophas und
Bettstellen mitten in den Zimmern. Die Decke der letzteren ist nichts als ein
Stück Baumwollenzeug, welches von Wand zu Wand gespannt und weiß an¬
gestrichen ist. der Fußboden, der weißen Ameisen wegen, welche alles Holzwerk zer¬
stören, nicht gedielt, sondern von Mörtel und Stein gemacht und mit feinen Matten
und Teppichen belegt. Die Fenster haben Jalousien, die zahlreichen Thüren
des Hauses stehen, des nothwendigen Luftzugs halber, stets offen und sind nur
mit einer hübschen Gardine oder einem niedrigen Schirm geschlossen. Bor dem
Hause befindet sich ein Garten mit Rasenplätzen, durch welchen mit wilder
Myrrhe eingefaßte Wege führen, und eme Anzahl von Nebengebäuden, Küche,
Pferdestall, Vorrathskammer und Dienerwohnungen, Das ganze Gehöft schließt
ein hoher dichter Kakiuszaun ein. Im Garten giebts allerlei Gemüse: Bin-


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[0284] lassung: 1) weil der Aussprache in der ersten Zeit noch Unvollkommensten ankleben; denn das Wort hat oft eine ganz andere Bedeutung, wenn man den Vocal lang oder kurz, den Consonanten hart oder weich ausspricht; 2) weil der Orientale in Bildern und Gleichnissen zu sprechen liebt, was der Missionär nicht gewöhnt ist. Die älteren Herren aus den Missionen wissen dies. Es wird ihnen deshalb, wenn sie die Rede ihres jüngern Mitarbeiters zu verdeut¬ lichen suchen, von den Hindus auch das Lob zu Theil: „M) has hotta Hai", d. h. dieser spricht rein". In Ghazipur richtete man sich mit der Bequemlichkeit ein, die unter den mo¬ dernen Nachfolgern des heiligen Paulus, namentlich unter den im Orient wir¬ kenden üblich und bis zu einem gewissen Grade auch unumgänglich ist. Sehen wir auch hier unserm Missionär einmal in die Wirthschaft. Er miethet mit den College» ein europäisch eingerichtetes Haus vor der Stadt, um nicht von dem Rauch der letzteren belästigt zu werden. Dasselbe ist einstöckig und mit Stroh gedeckt, sowie ringsherum mit einer von Säulen getragenen Veranda versehen, in der die Bewohner am Morgen und Abend verweilen. Die Zim¬ mer, unter denen Räume zum Baden und Stuben für einsprechende Fremde nicht fehlen, sind hoch und geräumig und an der Decke mit dem Pankha, einem großen, mit weißem Kattun beschlagenen und unten mit einer Kattunfalbel be¬ setzten Fächer versehen, der, von einem Diener in der Veranda fortwährend an einer Leine gezogen, die Hitze zu mildern bestimmt ist. Ein anderes Mittel gegen die Hitze, welches namentlich in der Zeit, wo die heißen Winde wehen, viel gebraucht wird, sind die Tallis, Vorsetzer oder Schirme von Bambus¬ stäben, die so groß wie eine Thür und mit langen, wohlriechenden Graswur¬ zeln zwei Finger dick belegt sind. Der Schirm wird an eine geöffnete Thür gestellt und tüchtig mit Wasser begossen, welches dann rasch verdunstet und dadurch die Zunmer kühl macht. Möbel hat man nur wenige, und damit man beim Herantreten gleich alles übersehen kann, was des häufig in das Haus hinein¬ schleichenden giftigen Gewürms wegen nöthig ist, stehen Tische, Sophas und Bettstellen mitten in den Zimmern. Die Decke der letzteren ist nichts als ein Stück Baumwollenzeug, welches von Wand zu Wand gespannt und weiß an¬ gestrichen ist. der Fußboden, der weißen Ameisen wegen, welche alles Holzwerk zer¬ stören, nicht gedielt, sondern von Mörtel und Stein gemacht und mit feinen Matten und Teppichen belegt. Die Fenster haben Jalousien, die zahlreichen Thüren des Hauses stehen, des nothwendigen Luftzugs halber, stets offen und sind nur mit einer hübschen Gardine oder einem niedrigen Schirm geschlossen. Bor dem Hause befindet sich ein Garten mit Rasenplätzen, durch welchen mit wilder Myrrhe eingefaßte Wege führen, und eme Anzahl von Nebengebäuden, Küche, Pferdestall, Vorrathskammer und Dienerwohnungen, Das ganze Gehöft schließt ein hoher dichter Kakiuszaun ein. Im Garten giebts allerlei Gemüse: Bin-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/284>, abgerufen am 24.08.2024.