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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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diese Eroberungen in kurzer Zeit spurlos verschwanden, als die Reaction des
eingebornen Wesens gegen die Eindringlinge ernstlich zu wirken begann. Unter
Muhammedanern haben die Missionäre niemals Nennenswerthes geleistet und
kaum viel mehr unter den Hindus, obwohl ihnen hier die Staatsgewalt nicht
mit dem Schwert die Arbeit verbot, sondern sie im Gegentheil nach Kräften zu
unterstützen bestrebt war.

Das obengenannte Buch giebt darüber, namentlich wenn man zwischen den
Zeilen zu lesen'versteht, hinreichende Auskunft, und wer es mit dem rechten
Verstände durchgegangen hat, wird künftig seinen Misflonsthaler lieber im Lande
bleiben und für einen andern Zweck, etwa für den des Gustav-Adolf-Vereins,
Zinsen werben lassen. Der anonyme Verfasser war sieben Jahre hindurch mit
andern deutschen Glaubensboten in der Gegend von Benares für Ausbreitung
des Christenthums thätig, er war nicht ungeschickt, er scheint sechs haben sauer
werden zu lassen, und als er abberufen wurde, mußte er sich sagen, daß er
umsonst gearbeitet. Was er über Charakter, Sitte und Religion des Volkes
mittheilt, übergehen wir als großentheils bekannt. Dagegen lassen wir uns
von ihm schildern, wie ein Missionär unter den Hindus sich einrichtet, wie er
seine Sendung versteht und zu erfüllen sucht, und was er den Hindernissen
gegenüber, die ihm Religion, Denkart und Brauch der Eingebornen in den
Weg stellen, gewöhnlich vor sich bringt. Wenn wir grade seinen Bericht aus
vielen andern herausgreifen, so geschieht es, weil er Sinn für das Detail hat,
und weil er anschaulich zu beschreiben und gut zu erzählen versteht, mit welcher
Anerkennung wir die Schrift denen, die mehr zu erfahren wünschen, als wir
geben können, bestens empfohlen haben wollen.

Unser Missionär hatte sich anfangs dem Kausman'nsstande gewidmet. Aber
schon seit seiner Kindheit "hatte der Herr- sich an seinem Herzen nicht unbezeugt
gelassen und ihn stets in der Zucht seines Geistes erhalten". Allmälig gelangte
er "durch den Gebrauch der Gnadenmittel zum seligen Bewußtsein der Gottes-
kindschaft", und sobald ihm klar geworden, daß er "aus Gnaden durch den
Glauben an Jesum Christum mit Gott versöhnt sei und durch sein auch für
ihn vergossenes Blut Vergebung der Sünden habe", regte sich in ihm von Tage
zu Tage lebhafter der Wunsch, "den Segen, den er an seinem eignen Herzen,
erfahren, auch den armen Heiden mitzutheilen". Diese fromme Sehnsucht--und
vielleicht auch ein wenig profaner Wandertrieb -- führte ihn endlich, über den
Widerspruch seiner Angehörigen hinweg, 1836 in das berliner Missionshaus
und im April 1842 mit zwei andern Zöglingen dieser Anstalt auf den Weg
nach Ostindien. Hier hielt er sich zunächst ein Vierteljahr in Kalkutta auf,
dann begab er sich mit den beiden "Brüdern" zur Begründung einer Missions¬
station im Innern nach Benares. Von hier wieder wurde zuvörderst ein Aus¬
flug nach Tschuprah gemacht, wo unser Apostel sich zuerst mit der Sprache, in


diese Eroberungen in kurzer Zeit spurlos verschwanden, als die Reaction des
eingebornen Wesens gegen die Eindringlinge ernstlich zu wirken begann. Unter
Muhammedanern haben die Missionäre niemals Nennenswerthes geleistet und
kaum viel mehr unter den Hindus, obwohl ihnen hier die Staatsgewalt nicht
mit dem Schwert die Arbeit verbot, sondern sie im Gegentheil nach Kräften zu
unterstützen bestrebt war.

Das obengenannte Buch giebt darüber, namentlich wenn man zwischen den
Zeilen zu lesen'versteht, hinreichende Auskunft, und wer es mit dem rechten
Verstände durchgegangen hat, wird künftig seinen Misflonsthaler lieber im Lande
bleiben und für einen andern Zweck, etwa für den des Gustav-Adolf-Vereins,
Zinsen werben lassen. Der anonyme Verfasser war sieben Jahre hindurch mit
andern deutschen Glaubensboten in der Gegend von Benares für Ausbreitung
des Christenthums thätig, er war nicht ungeschickt, er scheint sechs haben sauer
werden zu lassen, und als er abberufen wurde, mußte er sich sagen, daß er
umsonst gearbeitet. Was er über Charakter, Sitte und Religion des Volkes
mittheilt, übergehen wir als großentheils bekannt. Dagegen lassen wir uns
von ihm schildern, wie ein Missionär unter den Hindus sich einrichtet, wie er
seine Sendung versteht und zu erfüllen sucht, und was er den Hindernissen
gegenüber, die ihm Religion, Denkart und Brauch der Eingebornen in den
Weg stellen, gewöhnlich vor sich bringt. Wenn wir grade seinen Bericht aus
vielen andern herausgreifen, so geschieht es, weil er Sinn für das Detail hat,
und weil er anschaulich zu beschreiben und gut zu erzählen versteht, mit welcher
Anerkennung wir die Schrift denen, die mehr zu erfahren wünschen, als wir
geben können, bestens empfohlen haben wollen.

Unser Missionär hatte sich anfangs dem Kausman'nsstande gewidmet. Aber
schon seit seiner Kindheit „hatte der Herr- sich an seinem Herzen nicht unbezeugt
gelassen und ihn stets in der Zucht seines Geistes erhalten". Allmälig gelangte
er „durch den Gebrauch der Gnadenmittel zum seligen Bewußtsein der Gottes-
kindschaft", und sobald ihm klar geworden, daß er „aus Gnaden durch den
Glauben an Jesum Christum mit Gott versöhnt sei und durch sein auch für
ihn vergossenes Blut Vergebung der Sünden habe", regte sich in ihm von Tage
zu Tage lebhafter der Wunsch, „den Segen, den er an seinem eignen Herzen,
erfahren, auch den armen Heiden mitzutheilen". Diese fromme Sehnsucht—und
vielleicht auch ein wenig profaner Wandertrieb — führte ihn endlich, über den
Widerspruch seiner Angehörigen hinweg, 1836 in das berliner Missionshaus
und im April 1842 mit zwei andern Zöglingen dieser Anstalt auf den Weg
nach Ostindien. Hier hielt er sich zunächst ein Vierteljahr in Kalkutta auf,
dann begab er sich mit den beiden „Brüdern" zur Begründung einer Missions¬
station im Innern nach Benares. Von hier wieder wurde zuvörderst ein Aus¬
flug nach Tschuprah gemacht, wo unser Apostel sich zuerst mit der Sprache, in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/282>, abgerufen am 24.08.2024.