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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Grenzen des bluttriefenden Wydah, seine Stärke und Bedeutung.*) Endlich hat
die Thätigkeit der Missionsgesellschafteu allerdings auch bisweilen Resultate
aufzuweisen gehabt, die eine Zeit lang wie mächtige Eroberungen für die Civi¬
lisation erschienen: die Christianisirung eines beträchtlichen Theils der Südsee¬
inseln und die Taufe der Neuseeländer zum Beispiel. Aber wie den Unter¬
thanen der Königin Pomare und ihrer Nachbarn mit dieser Metamorphose
gedient worden ist, weiß die Welt jetzt zur Genüge, und der rasche und fast
allgemeine Rückfall der Maoris in die alte wüste Menschenfresserei und den
grauenvollen Aberglauben der Väter ist ebenfalls kein erbauliches Zeugniß für
den Werth der auf ihre Bekehrung gerichteten Bemühungen.

Wir untersuchen die Gründe des geringen Erfolgs der Missionen unter
den Wilden hier nicht näher. Sie laufen im Wesentlichen, soweit sie auf
Seiten der Missionäre zu suchen sind, auf einen Fehler der Methode hinaus,
mit der man verfährt. Man führt gewissermaßen ein Seitenstück zu dem Thun
jener wohlthätigen englischen Misses auf, die für die armen Negerkinder im
heißen Südafrika wollene Strümpfe strickten. Statt den braunen oder schwarzen
Naturmenschen zunächst mit den Vortheilen bekannt zu machen, welche europäi¬
sche Cultur, den Verhältnissen seiner Heimath angepaßt, dem materiellen Be¬
finden gewährt, und dann mit dem allen Menschenherzen mehr oder minder
verständlichen Gebot der Liebe die Predigt des Evangeliums zu beginnen, fängt
man in der Regel -- die Missionsberichte aller Gesellschaften bezeugen es --
mit dem an, was vielleicht der dritten Generation und auch dieser noch mit
Vorsicht und möglichst einfach vorzutragen wäre, mit den Dogmen von der
Sünde, der Menschwerdung und Versöhnung, Dingen, für welche die Sprachen,
in denen man zu reden hat, erst wohl oder übel gezwungen werden müssen,
einigermaßen adäquate Ausdrücke herzugeben. Die Folge ist, daß man, wenn
es recht gut gelingt, einige Taufen für das Register erzielt, in seltnen Fällen
aber Bekehrungen, in noch seltneren Beglückungen.

Unter den alten Culturvölkern des Morgenlandes fällt die zuletzterwähnte
Schwierigkeit bis zu einem gewissen Grade weg. Dafür aber treten andere auf.
Welche, wird das weiterhin Folgende zeigen. An dieser Stelle genüge, daß
die katholische Kirche mit ihrer Sinnlichkeit, ihrem magischen Cultus, ihrer
dem Heidenthum nahestehenden Heiligenverehrung und mit der Accommodations-
Politik der Jesuiten, welche die Mission vorzüglich in die Hände nahmen, hier
an einigen Punkten der Heidenwelt außerordentliche Triumphe feierte, wie sie
denn einst viele Tausende der intelligenten Bevölkerung von Japan das Kreuz
und die Mutter Gottes verehren lehrte und sich ein Vierteljahrhundert hindurch
am Hofe der Mantschukaiser von Peking in Gunst behauptete; daß aber alle



") Besonders Deutsche, z. B. Gollmer, Schön und Hinterer zeichneten sich.hier aus.

Grenzen des bluttriefenden Wydah, seine Stärke und Bedeutung.*) Endlich hat
die Thätigkeit der Missionsgesellschafteu allerdings auch bisweilen Resultate
aufzuweisen gehabt, die eine Zeit lang wie mächtige Eroberungen für die Civi¬
lisation erschienen: die Christianisirung eines beträchtlichen Theils der Südsee¬
inseln und die Taufe der Neuseeländer zum Beispiel. Aber wie den Unter¬
thanen der Königin Pomare und ihrer Nachbarn mit dieser Metamorphose
gedient worden ist, weiß die Welt jetzt zur Genüge, und der rasche und fast
allgemeine Rückfall der Maoris in die alte wüste Menschenfresserei und den
grauenvollen Aberglauben der Väter ist ebenfalls kein erbauliches Zeugniß für
den Werth der auf ihre Bekehrung gerichteten Bemühungen.

Wir untersuchen die Gründe des geringen Erfolgs der Missionen unter
den Wilden hier nicht näher. Sie laufen im Wesentlichen, soweit sie auf
Seiten der Missionäre zu suchen sind, auf einen Fehler der Methode hinaus,
mit der man verfährt. Man führt gewissermaßen ein Seitenstück zu dem Thun
jener wohlthätigen englischen Misses auf, die für die armen Negerkinder im
heißen Südafrika wollene Strümpfe strickten. Statt den braunen oder schwarzen
Naturmenschen zunächst mit den Vortheilen bekannt zu machen, welche europäi¬
sche Cultur, den Verhältnissen seiner Heimath angepaßt, dem materiellen Be¬
finden gewährt, und dann mit dem allen Menschenherzen mehr oder minder
verständlichen Gebot der Liebe die Predigt des Evangeliums zu beginnen, fängt
man in der Regel — die Missionsberichte aller Gesellschaften bezeugen es —
mit dem an, was vielleicht der dritten Generation und auch dieser noch mit
Vorsicht und möglichst einfach vorzutragen wäre, mit den Dogmen von der
Sünde, der Menschwerdung und Versöhnung, Dingen, für welche die Sprachen,
in denen man zu reden hat, erst wohl oder übel gezwungen werden müssen,
einigermaßen adäquate Ausdrücke herzugeben. Die Folge ist, daß man, wenn
es recht gut gelingt, einige Taufen für das Register erzielt, in seltnen Fällen
aber Bekehrungen, in noch seltneren Beglückungen.

Unter den alten Culturvölkern des Morgenlandes fällt die zuletzterwähnte
Schwierigkeit bis zu einem gewissen Grade weg. Dafür aber treten andere auf.
Welche, wird das weiterhin Folgende zeigen. An dieser Stelle genüge, daß
die katholische Kirche mit ihrer Sinnlichkeit, ihrem magischen Cultus, ihrer
dem Heidenthum nahestehenden Heiligenverehrung und mit der Accommodations-
Politik der Jesuiten, welche die Mission vorzüglich in die Hände nahmen, hier
an einigen Punkten der Heidenwelt außerordentliche Triumphe feierte, wie sie
denn einst viele Tausende der intelligenten Bevölkerung von Japan das Kreuz
und die Mutter Gottes verehren lehrte und sich ein Vierteljahrhundert hindurch
am Hofe der Mantschukaiser von Peking in Gunst behauptete; daß aber alle



") Besonders Deutsche, z. B. Gollmer, Schön und Hinterer zeichneten sich.hier aus.
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[0281] Grenzen des bluttriefenden Wydah, seine Stärke und Bedeutung.*) Endlich hat die Thätigkeit der Missionsgesellschafteu allerdings auch bisweilen Resultate aufzuweisen gehabt, die eine Zeit lang wie mächtige Eroberungen für die Civi¬ lisation erschienen: die Christianisirung eines beträchtlichen Theils der Südsee¬ inseln und die Taufe der Neuseeländer zum Beispiel. Aber wie den Unter¬ thanen der Königin Pomare und ihrer Nachbarn mit dieser Metamorphose gedient worden ist, weiß die Welt jetzt zur Genüge, und der rasche und fast allgemeine Rückfall der Maoris in die alte wüste Menschenfresserei und den grauenvollen Aberglauben der Väter ist ebenfalls kein erbauliches Zeugniß für den Werth der auf ihre Bekehrung gerichteten Bemühungen. Wir untersuchen die Gründe des geringen Erfolgs der Missionen unter den Wilden hier nicht näher. Sie laufen im Wesentlichen, soweit sie auf Seiten der Missionäre zu suchen sind, auf einen Fehler der Methode hinaus, mit der man verfährt. Man führt gewissermaßen ein Seitenstück zu dem Thun jener wohlthätigen englischen Misses auf, die für die armen Negerkinder im heißen Südafrika wollene Strümpfe strickten. Statt den braunen oder schwarzen Naturmenschen zunächst mit den Vortheilen bekannt zu machen, welche europäi¬ sche Cultur, den Verhältnissen seiner Heimath angepaßt, dem materiellen Be¬ finden gewährt, und dann mit dem allen Menschenherzen mehr oder minder verständlichen Gebot der Liebe die Predigt des Evangeliums zu beginnen, fängt man in der Regel — die Missionsberichte aller Gesellschaften bezeugen es — mit dem an, was vielleicht der dritten Generation und auch dieser noch mit Vorsicht und möglichst einfach vorzutragen wäre, mit den Dogmen von der Sünde, der Menschwerdung und Versöhnung, Dingen, für welche die Sprachen, in denen man zu reden hat, erst wohl oder übel gezwungen werden müssen, einigermaßen adäquate Ausdrücke herzugeben. Die Folge ist, daß man, wenn es recht gut gelingt, einige Taufen für das Register erzielt, in seltnen Fällen aber Bekehrungen, in noch seltneren Beglückungen. Unter den alten Culturvölkern des Morgenlandes fällt die zuletzterwähnte Schwierigkeit bis zu einem gewissen Grade weg. Dafür aber treten andere auf. Welche, wird das weiterhin Folgende zeigen. An dieser Stelle genüge, daß die katholische Kirche mit ihrer Sinnlichkeit, ihrem magischen Cultus, ihrer dem Heidenthum nahestehenden Heiligenverehrung und mit der Accommodations- Politik der Jesuiten, welche die Mission vorzüglich in die Hände nahmen, hier an einigen Punkten der Heidenwelt außerordentliche Triumphe feierte, wie sie denn einst viele Tausende der intelligenten Bevölkerung von Japan das Kreuz und die Mutter Gottes verehren lehrte und sich ein Vierteljahrhundert hindurch am Hofe der Mantschukaiser von Peking in Gunst behauptete; daß aber alle ") Besonders Deutsche, z. B. Gollmer, Schön und Hinterer zeichneten sich.hier aus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/281>, abgerufen am 24.08.2024.