Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.entsprechendste und doch dabei von ewiger, keiner Zeit ""gehöriger reiner Grenzboten I. 1866. 30
entsprechendste und doch dabei von ewiger, keiner Zeit ««gehöriger reiner Grenzboten I. 1866. 30
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0249" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284719"/> <p xml:id="ID_865" prev="#ID_864" next="#ID_866"> entsprechendste und doch dabei von ewiger, keiner Zeit ««gehöriger reiner<lb/> Kunstschönheit beseelte und geweihte Schöpfung der bisherigen Monumentalbild-<lb/> nerei. Weder die Schule Rauchs, noch die Werke der großen Vergangenheit<lb/> haben Drake das Vorbild einer ähnlichen BeHandlungsweise einer Aufgabe wie<lb/> die hier vorliegende gegeben. Schon die architektonische Grundform zeigt, daß<lb/> der Künstler ganz seinen eigenen Weg einschlug. Die strengere vierseitige und kan¬<lb/> tige Form ist verlassen; in cylindrischer. weich gerundeter, in sich lebendig bewegter<lb/> Gestalt erhebt sich sein leuchtender Marmorkörper aus dem grünen Gebüsch, von<lb/> der dichten Wand der als schönster Hintergrund abschließenden höheren Bäume«<lb/> des Parks. In mäßiger Höhe trägt das so geformte, von einem Kranz von<lb/> Reliefs umgebene Postament die Marmorstatue des Königs, die ihn ohne irgend¬<lb/> einen Anlauf zu einer höheren, idealeren Stilisirung des von der Natur Gege¬<lb/> benen, ganz einfach so darstellt, wie er unter den Seinigen erschien und wan¬<lb/> delte im schlichten Militärüberrock ohne Epaulcts, ohne Degen, ohne jedes Ab¬<lb/> zeichen soldatisch-königlicher Würde und Herrschermacht, ruhig dastehend, leicht<lb/> gestützt auf das bekränzte kleine Denkmal mit dem Reliefporträt seiner nie ver¬<lb/> gessenen Gattin Königin Luise, wie es ähnlich in Wirklichkeit, nahe bei dieser<lb/> Stelle die sogenannte Luiseninsel im Thiergarten schmückt. Wenn eine derartige<lb/> ungeschminkte treue Porträtdarstellung einer ihrem Wesen, wie allen Theilen ihrer<lb/> äußeren Erscheinung nach „nüchternen" Persönlichkeit nicht selbst nüchtern, kahl<lb/> und trocken werden soll, so muß sie schon von einem sehr distinguirten Talent<lb/> ausgeführt werden, das uns die gänzlich unkünstlcrische. reizlose Form vergessen<lb/> läßt, indem es sie mit dem feinern geistig gemüthlichen Reiz beseelt, welcher sich, nur<lb/> dem minder Tiefblickenden weniger erkenntlich, in dieser Umhüllung birgt. Während<lb/> die schlichte Treue gegen die gegebene Wirklichkeit das Einzige zu sein scheint,<lb/> was den Meister bei der Statue leitete, so bot sich ihm in der Komposition<lb/> der das Postament umgebenden Reliefs der erwünschte Anlaß, hier unbehindert<lb/> von solchen Rücksichten auf die Realität der Erscheinung die rein poetische<lb/> Seite der vorliegenden Aufgabe auch in rein poetisch-idealer Form zu gestalten<lb/> und in der allverständlichen Sprache der bildenden Kunst eine Idylle zu dich¬<lb/> ten, wie sie lieblicher von keines der begnadigtsten Poeten Seele erzeugt wurde.<lb/> Das Grundthema ist von der Bestimmung, dem Grundgedanken des ganzen<lb/> Denkmals selbst gegeben: die Freuden, welche der Park mit seinen Bäumen,<lb/> seinen Teichen, seinen umbuschten Wegen der Bevölkerung gewährt. Diesem<lb/> Thema hat Drake ungesucht all die heitern glücklichen Motive abgewonnen.<lb/> Welche offen darin zu Tage zu liegen scheinen: das Spiel der Kinder mit<lb/> Schwänen und Goldfischen, das Suchen Nach Eichkätzchen und Vogelnest, der<lb/> Tanz und der Gesang, die Lust der Jugend und die freundliche Antheilnahme<lb/> des Alters an ihren Freuden. Für diesen Inhalt aber hat er sich seine ganz<lb/> eigenartige Ausdrucksweise erst gefunden. Diese jungen Mütter, diese Mädchen,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1866. 30</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0249]
entsprechendste und doch dabei von ewiger, keiner Zeit ««gehöriger reiner
Kunstschönheit beseelte und geweihte Schöpfung der bisherigen Monumentalbild-
nerei. Weder die Schule Rauchs, noch die Werke der großen Vergangenheit
haben Drake das Vorbild einer ähnlichen BeHandlungsweise einer Aufgabe wie
die hier vorliegende gegeben. Schon die architektonische Grundform zeigt, daß
der Künstler ganz seinen eigenen Weg einschlug. Die strengere vierseitige und kan¬
tige Form ist verlassen; in cylindrischer. weich gerundeter, in sich lebendig bewegter
Gestalt erhebt sich sein leuchtender Marmorkörper aus dem grünen Gebüsch, von
der dichten Wand der als schönster Hintergrund abschließenden höheren Bäume«
des Parks. In mäßiger Höhe trägt das so geformte, von einem Kranz von
Reliefs umgebene Postament die Marmorstatue des Königs, die ihn ohne irgend¬
einen Anlauf zu einer höheren, idealeren Stilisirung des von der Natur Gege¬
benen, ganz einfach so darstellt, wie er unter den Seinigen erschien und wan¬
delte im schlichten Militärüberrock ohne Epaulcts, ohne Degen, ohne jedes Ab¬
zeichen soldatisch-königlicher Würde und Herrschermacht, ruhig dastehend, leicht
gestützt auf das bekränzte kleine Denkmal mit dem Reliefporträt seiner nie ver¬
gessenen Gattin Königin Luise, wie es ähnlich in Wirklichkeit, nahe bei dieser
Stelle die sogenannte Luiseninsel im Thiergarten schmückt. Wenn eine derartige
ungeschminkte treue Porträtdarstellung einer ihrem Wesen, wie allen Theilen ihrer
äußeren Erscheinung nach „nüchternen" Persönlichkeit nicht selbst nüchtern, kahl
und trocken werden soll, so muß sie schon von einem sehr distinguirten Talent
ausgeführt werden, das uns die gänzlich unkünstlcrische. reizlose Form vergessen
läßt, indem es sie mit dem feinern geistig gemüthlichen Reiz beseelt, welcher sich, nur
dem minder Tiefblickenden weniger erkenntlich, in dieser Umhüllung birgt. Während
die schlichte Treue gegen die gegebene Wirklichkeit das Einzige zu sein scheint,
was den Meister bei der Statue leitete, so bot sich ihm in der Komposition
der das Postament umgebenden Reliefs der erwünschte Anlaß, hier unbehindert
von solchen Rücksichten auf die Realität der Erscheinung die rein poetische
Seite der vorliegenden Aufgabe auch in rein poetisch-idealer Form zu gestalten
und in der allverständlichen Sprache der bildenden Kunst eine Idylle zu dich¬
ten, wie sie lieblicher von keines der begnadigtsten Poeten Seele erzeugt wurde.
Das Grundthema ist von der Bestimmung, dem Grundgedanken des ganzen
Denkmals selbst gegeben: die Freuden, welche der Park mit seinen Bäumen,
seinen Teichen, seinen umbuschten Wegen der Bevölkerung gewährt. Diesem
Thema hat Drake ungesucht all die heitern glücklichen Motive abgewonnen.
Welche offen darin zu Tage zu liegen scheinen: das Spiel der Kinder mit
Schwänen und Goldfischen, das Suchen Nach Eichkätzchen und Vogelnest, der
Tanz und der Gesang, die Lust der Jugend und die freundliche Antheilnahme
des Alters an ihren Freuden. Für diesen Inhalt aber hat er sich seine ganz
eigenartige Ausdrucksweise erst gefunden. Diese jungen Mütter, diese Mädchen,
Grenzboten I. 1866. 30
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