Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

tige Durcharbeitung von Kopf und Gestalt, einfache und bedeutende monumen¬
tale Wirkung zeichnen die wohldrapirte Mantelsigur vortheilhaft genug aus.
Dem Künstler wurde die Genugthuung, alle Ehren einer feierlichen Denkmals¬
enthüllung zu empfangen und mit ihnen gekrönt seinen alten Vater an der
Stätte alter Leiden wiederzusehn. Die nächstfolgenden Jahre gehören seinem
italienischen Studienaufenthalt an. Zurückgekehrt und dauernd angesiedelt in
Berlin beginnt er jene lange Periode einer umfassenden nie stockenden produktiven
Thätigkeit, welche in Bezug auf innern Werth, auf Originalität, Größe und
echte Schönheit des Geleisteten der von seinem Meister geübten gewiß nicht, in
Bezug auf Zahl und Masse der fertig hingestellten Arbeiten kaum nachsteht.
Die ersten, die hier auszuführen sind, wurden 1843 vollendet, große decorativ
behandelte allegorische Gestalten der Provinzen des preußischen Staates in Gips
oder Stuck modellirt für die obere Wand des damals mit Aufwand aller ver¬
fügbaren künstlerischen Mittel neu ausgebauten und decorirten "weißen Saals"
im königlichen Schloß zu Berlin. Die hiesige Bilbhauerschaft hat wohl zu kei¬
ner andern Zeit so reichliche goldne Ernten eingeheimst, als bei jenen mit noch
unverkümmerter königlicher Freigebigkeit dotirter Luxusbauten der ersten Regie-
rungsjahre Friedrich Wilhelm des Vierten. Auch Drake konnte nun seine bürger¬
liche Existenz erst recht solide fundiren; gründete und baute sich selbst sein schö¬
nes Haus in der Schulgartcnstraße nahe dem Thiergarten, für dessen Balkon
er als Trägerinnen die prächtigen hoheitvollen Gestalten der Künste modellirte.
Bis dahin aber tritt seines künstlerischen Wesens eigenste Art noch nicht so
bestimmt ausgeprägt, nicht so scharf und charakteristisch umrissen hervor unter den
Genossen, ob er auch als einer der Tüchtigsten unter ihnen angesehen und geschätzt
werden mochte. Erst in dem herrlichen Hauptwerk seiner vierziger Jahre gelingt ihm
das, in dem Denkmal für König Friedrich Wilhelm den Dritten im Thiergarten.
Die Stadt Berlin hatte in sehr gerechtfertigter Dankbarkeit für diesen, den eigent¬
lichen Schöpfer und Stifter jenes unvergleichlichen Parks, der eine so große
Wohlthat für die gesammte Bevölkerung der Hauptstadt gewährt, beschlossen,
den Monarchen dort inmitten seiner grünen lebendigen Schöpfung in solcher Art
zu feiern und zu ehren, nicht als den Beherrscher eines großen Staats, oder
den "Befreier des Vaterlandes", wie es anderswo geschehen, sondern als den jedem
alten Berliner theuern, unvergeßlichen, guten, einfachen, schmuck- und anspruch¬
losen Landes-, Haus- und Familienvater, als welchen ihn diese Bürgerschaft so
lange unter sich walten und wandeln gesehen hatte. Nach langem Versuchen,
Projectiren, Wählen unter verschiedenen Vorschlägen und Entwürfen haben
sich 1842 die städtischen Vertreter, der regierende König und Drake, der mit
der Aufgabe Betraute, für das Denkmalsarrangement entschieden, dessen 1849
vollendete Marmorausführung seitdem den Thiergarten schmückt. Es war die
originellste, der modernen Anschauungs- und Empfindungsweise im besten Sinn


tige Durcharbeitung von Kopf und Gestalt, einfache und bedeutende monumen¬
tale Wirkung zeichnen die wohldrapirte Mantelsigur vortheilhaft genug aus.
Dem Künstler wurde die Genugthuung, alle Ehren einer feierlichen Denkmals¬
enthüllung zu empfangen und mit ihnen gekrönt seinen alten Vater an der
Stätte alter Leiden wiederzusehn. Die nächstfolgenden Jahre gehören seinem
italienischen Studienaufenthalt an. Zurückgekehrt und dauernd angesiedelt in
Berlin beginnt er jene lange Periode einer umfassenden nie stockenden produktiven
Thätigkeit, welche in Bezug auf innern Werth, auf Originalität, Größe und
echte Schönheit des Geleisteten der von seinem Meister geübten gewiß nicht, in
Bezug auf Zahl und Masse der fertig hingestellten Arbeiten kaum nachsteht.
Die ersten, die hier auszuführen sind, wurden 1843 vollendet, große decorativ
behandelte allegorische Gestalten der Provinzen des preußischen Staates in Gips
oder Stuck modellirt für die obere Wand des damals mit Aufwand aller ver¬
fügbaren künstlerischen Mittel neu ausgebauten und decorirten „weißen Saals"
im königlichen Schloß zu Berlin. Die hiesige Bilbhauerschaft hat wohl zu kei¬
ner andern Zeit so reichliche goldne Ernten eingeheimst, als bei jenen mit noch
unverkümmerter königlicher Freigebigkeit dotirter Luxusbauten der ersten Regie-
rungsjahre Friedrich Wilhelm des Vierten. Auch Drake konnte nun seine bürger¬
liche Existenz erst recht solide fundiren; gründete und baute sich selbst sein schö¬
nes Haus in der Schulgartcnstraße nahe dem Thiergarten, für dessen Balkon
er als Trägerinnen die prächtigen hoheitvollen Gestalten der Künste modellirte.
Bis dahin aber tritt seines künstlerischen Wesens eigenste Art noch nicht so
bestimmt ausgeprägt, nicht so scharf und charakteristisch umrissen hervor unter den
Genossen, ob er auch als einer der Tüchtigsten unter ihnen angesehen und geschätzt
werden mochte. Erst in dem herrlichen Hauptwerk seiner vierziger Jahre gelingt ihm
das, in dem Denkmal für König Friedrich Wilhelm den Dritten im Thiergarten.
Die Stadt Berlin hatte in sehr gerechtfertigter Dankbarkeit für diesen, den eigent¬
lichen Schöpfer und Stifter jenes unvergleichlichen Parks, der eine so große
Wohlthat für die gesammte Bevölkerung der Hauptstadt gewährt, beschlossen,
den Monarchen dort inmitten seiner grünen lebendigen Schöpfung in solcher Art
zu feiern und zu ehren, nicht als den Beherrscher eines großen Staats, oder
den „Befreier des Vaterlandes", wie es anderswo geschehen, sondern als den jedem
alten Berliner theuern, unvergeßlichen, guten, einfachen, schmuck- und anspruch¬
losen Landes-, Haus- und Familienvater, als welchen ihn diese Bürgerschaft so
lange unter sich walten und wandeln gesehen hatte. Nach langem Versuchen,
Projectiren, Wählen unter verschiedenen Vorschlägen und Entwürfen haben
sich 1842 die städtischen Vertreter, der regierende König und Drake, der mit
der Aufgabe Betraute, für das Denkmalsarrangement entschieden, dessen 1849
vollendete Marmorausführung seitdem den Thiergarten schmückt. Es war die
originellste, der modernen Anschauungs- und Empfindungsweise im besten Sinn


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0248" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284718"/>
          <p xml:id="ID_864" prev="#ID_863" next="#ID_865"> tige Durcharbeitung von Kopf und Gestalt, einfache und bedeutende monumen¬<lb/>
tale Wirkung zeichnen die wohldrapirte Mantelsigur vortheilhaft genug aus.<lb/>
Dem Künstler wurde die Genugthuung, alle Ehren einer feierlichen Denkmals¬<lb/>
enthüllung zu empfangen und mit ihnen gekrönt seinen alten Vater an der<lb/>
Stätte alter Leiden wiederzusehn. Die nächstfolgenden Jahre gehören seinem<lb/>
italienischen Studienaufenthalt an. Zurückgekehrt und dauernd angesiedelt in<lb/>
Berlin beginnt er jene lange Periode einer umfassenden nie stockenden produktiven<lb/>
Thätigkeit, welche in Bezug auf innern Werth, auf Originalität, Größe und<lb/>
echte Schönheit des Geleisteten der von seinem Meister geübten gewiß nicht, in<lb/>
Bezug auf Zahl und Masse der fertig hingestellten Arbeiten kaum nachsteht.<lb/>
Die ersten, die hier auszuführen sind, wurden 1843 vollendet, große decorativ<lb/>
behandelte allegorische Gestalten der Provinzen des preußischen Staates in Gips<lb/>
oder Stuck modellirt für die obere Wand des damals mit Aufwand aller ver¬<lb/>
fügbaren künstlerischen Mittel neu ausgebauten und decorirten &#x201E;weißen Saals"<lb/>
im königlichen Schloß zu Berlin. Die hiesige Bilbhauerschaft hat wohl zu kei¬<lb/>
ner andern Zeit so reichliche goldne Ernten eingeheimst, als bei jenen mit noch<lb/>
unverkümmerter königlicher Freigebigkeit dotirter Luxusbauten der ersten Regie-<lb/>
rungsjahre Friedrich Wilhelm des Vierten. Auch Drake konnte nun seine bürger¬<lb/>
liche Existenz erst recht solide fundiren; gründete und baute sich selbst sein schö¬<lb/>
nes Haus in der Schulgartcnstraße nahe dem Thiergarten, für dessen Balkon<lb/>
er als Trägerinnen die prächtigen hoheitvollen Gestalten der Künste modellirte.<lb/>
Bis dahin aber tritt seines künstlerischen Wesens eigenste Art noch nicht so<lb/>
bestimmt ausgeprägt, nicht so scharf und charakteristisch umrissen hervor unter den<lb/>
Genossen, ob er auch als einer der Tüchtigsten unter ihnen angesehen und geschätzt<lb/>
werden mochte. Erst in dem herrlichen Hauptwerk seiner vierziger Jahre gelingt ihm<lb/>
das, in dem Denkmal für König Friedrich Wilhelm den Dritten im Thiergarten.<lb/>
Die Stadt Berlin hatte in sehr gerechtfertigter Dankbarkeit für diesen, den eigent¬<lb/>
lichen Schöpfer und Stifter jenes unvergleichlichen Parks, der eine so große<lb/>
Wohlthat für die gesammte Bevölkerung der Hauptstadt gewährt, beschlossen,<lb/>
den Monarchen dort inmitten seiner grünen lebendigen Schöpfung in solcher Art<lb/>
zu feiern und zu ehren, nicht als den Beherrscher eines großen Staats, oder<lb/>
den &#x201E;Befreier des Vaterlandes", wie es anderswo geschehen, sondern als den jedem<lb/>
alten Berliner theuern, unvergeßlichen, guten, einfachen, schmuck- und anspruch¬<lb/>
losen Landes-, Haus- und Familienvater, als welchen ihn diese Bürgerschaft so<lb/>
lange unter sich walten und wandeln gesehen hatte. Nach langem Versuchen,<lb/>
Projectiren, Wählen unter verschiedenen Vorschlägen und Entwürfen haben<lb/>
sich 1842 die städtischen Vertreter, der regierende König und Drake, der mit<lb/>
der Aufgabe Betraute, für das Denkmalsarrangement entschieden, dessen 1849<lb/>
vollendete Marmorausführung seitdem den Thiergarten schmückt. Es war die<lb/>
originellste, der modernen Anschauungs- und Empfindungsweise im besten Sinn</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0248] tige Durcharbeitung von Kopf und Gestalt, einfache und bedeutende monumen¬ tale Wirkung zeichnen die wohldrapirte Mantelsigur vortheilhaft genug aus. Dem Künstler wurde die Genugthuung, alle Ehren einer feierlichen Denkmals¬ enthüllung zu empfangen und mit ihnen gekrönt seinen alten Vater an der Stätte alter Leiden wiederzusehn. Die nächstfolgenden Jahre gehören seinem italienischen Studienaufenthalt an. Zurückgekehrt und dauernd angesiedelt in Berlin beginnt er jene lange Periode einer umfassenden nie stockenden produktiven Thätigkeit, welche in Bezug auf innern Werth, auf Originalität, Größe und echte Schönheit des Geleisteten der von seinem Meister geübten gewiß nicht, in Bezug auf Zahl und Masse der fertig hingestellten Arbeiten kaum nachsteht. Die ersten, die hier auszuführen sind, wurden 1843 vollendet, große decorativ behandelte allegorische Gestalten der Provinzen des preußischen Staates in Gips oder Stuck modellirt für die obere Wand des damals mit Aufwand aller ver¬ fügbaren künstlerischen Mittel neu ausgebauten und decorirten „weißen Saals" im königlichen Schloß zu Berlin. Die hiesige Bilbhauerschaft hat wohl zu kei¬ ner andern Zeit so reichliche goldne Ernten eingeheimst, als bei jenen mit noch unverkümmerter königlicher Freigebigkeit dotirter Luxusbauten der ersten Regie- rungsjahre Friedrich Wilhelm des Vierten. Auch Drake konnte nun seine bürger¬ liche Existenz erst recht solide fundiren; gründete und baute sich selbst sein schö¬ nes Haus in der Schulgartcnstraße nahe dem Thiergarten, für dessen Balkon er als Trägerinnen die prächtigen hoheitvollen Gestalten der Künste modellirte. Bis dahin aber tritt seines künstlerischen Wesens eigenste Art noch nicht so bestimmt ausgeprägt, nicht so scharf und charakteristisch umrissen hervor unter den Genossen, ob er auch als einer der Tüchtigsten unter ihnen angesehen und geschätzt werden mochte. Erst in dem herrlichen Hauptwerk seiner vierziger Jahre gelingt ihm das, in dem Denkmal für König Friedrich Wilhelm den Dritten im Thiergarten. Die Stadt Berlin hatte in sehr gerechtfertigter Dankbarkeit für diesen, den eigent¬ lichen Schöpfer und Stifter jenes unvergleichlichen Parks, der eine so große Wohlthat für die gesammte Bevölkerung der Hauptstadt gewährt, beschlossen, den Monarchen dort inmitten seiner grünen lebendigen Schöpfung in solcher Art zu feiern und zu ehren, nicht als den Beherrscher eines großen Staats, oder den „Befreier des Vaterlandes", wie es anderswo geschehen, sondern als den jedem alten Berliner theuern, unvergeßlichen, guten, einfachen, schmuck- und anspruch¬ losen Landes-, Haus- und Familienvater, als welchen ihn diese Bürgerschaft so lange unter sich walten und wandeln gesehen hatte. Nach langem Versuchen, Projectiren, Wählen unter verschiedenen Vorschlägen und Entwürfen haben sich 1842 die städtischen Vertreter, der regierende König und Drake, der mit der Aufgabe Betraute, für das Denkmalsarrangement entschieden, dessen 1849 vollendete Marmorausführung seitdem den Thiergarten schmückt. Es war die originellste, der modernen Anschauungs- und Empfindungsweise im besten Sinn

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/248
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/248>, abgerufen am 22.07.2024.