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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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regeln. Trotz der Energie seines Willens wäre es schwerlich gelungen, wenn
nicht die Mechanik zu Hilfe gekommen wäre, welche dem jungen Drake die Be¬
kanntschaft und Freundschaft eines Dilettanten derselben, eines Beamten, der
seine Mußestunden mit ihrer Uebung ausfüllte, verschafft hätte, der ihm,
dem ihn Lehrenden und mit ihm Arbeitenden, die Möglichkeit der physischen
Existenz erleichtern half. Später hat dann Rauch, der nach und nach mit der
ganzen Größe der Begabung, und gleichzeitig mit der Lage und der heroischen
Ertragungs- und Opfersähigkeit seines Schülers bekannt geworden war, selbst
die Verbesserung seiner Situation in die Hand genommen und ihm in seiner
eignen Wohnung ein Unterkommen gegeben. Der eigentlich harte und gefähr¬
liche Kampf um das nackte Leben war von da ab von Drake genommen. Das
künstlerische Ringen begann erst recht.

1826 war er zu Rauch gekommen. Sein erstes ganz selbständiges plasti¬
sches Werk datirt von 1833: Die Gruppe eines sterbenden Kriegers, dem die
Siegesgöttin aufwinkend die Palme reicht. Es ist noch eine gewisse zarte Be¬
fangenheit darin, aber ein edler Schwung der Linien, der Komposition, eine
lautere Schönheit der Form und bei aller Beeinflussung durch das Studium
der Antike doch bereits etwas von jener seinen Beobachtung einer individuellen
Natur, welche Drakes spätere Arbeiten kennzeichnet. Dieses Jugendwerk machte
viel Aussehen in Berlin und enthufiasmirte z. B. den alten Schadow. Aus
den nächsten Jahren stammt die bekannte Gestalt der römischen Winzerin, die
er 15--20 Jahre später kolossal in Marmor ausführte und das wohl noch
mehr verbreitete und populär gewordne Relief zu der römischen Elegie Goethes:

Diese bewunderungswerthe Composition vermittelte später bei Drakes rö¬
mischem Aufenthalt (1837) eine nähere Verbindung mit Thorwaldsen in der
hübschesten Weise. Er hatte bei letzterem seinen Empfehlungsbrief abgegeben.
Welchen dieser an gewohnter Manier unter einem Wust von Papieren verkramt
hat. Als Drake den Meister wieder aufsucht, wühlt dieser etwas verdrießlich
und von dem Besuch nicht grade erfreut, in den Schubkästen nach jenem Schrei¬
ben herum, in jedem Augenblick Schriften, Zeichnungen. Stiche herauswerfend.
Einen derselben aber behält er in der Hand und mit den Worten, das sei ein¬
mal eine rechte und schöne Composition; der das gemacht habe, verstände seine
Kunst, zeigt er dem Besuch, dessen Namen er nicht ahnt, einen Stahlstich seines
(Drakes) eignen Reliefs zu jener Elegie! 1836 war Drakes erstes selbständi¬
ges Monumentalwerk, zu dessen Ausführung Rauch seinen bewährten Schüler
empfohlen hatte, die Broncestatue für Justus Möser für Osnabrück vollendet.
Feine eindringende Charakterauffassung der darzustellenden Persönlichkeit, euch-


regeln. Trotz der Energie seines Willens wäre es schwerlich gelungen, wenn
nicht die Mechanik zu Hilfe gekommen wäre, welche dem jungen Drake die Be¬
kanntschaft und Freundschaft eines Dilettanten derselben, eines Beamten, der
seine Mußestunden mit ihrer Uebung ausfüllte, verschafft hätte, der ihm,
dem ihn Lehrenden und mit ihm Arbeitenden, die Möglichkeit der physischen
Existenz erleichtern half. Später hat dann Rauch, der nach und nach mit der
ganzen Größe der Begabung, und gleichzeitig mit der Lage und der heroischen
Ertragungs- und Opfersähigkeit seines Schülers bekannt geworden war, selbst
die Verbesserung seiner Situation in die Hand genommen und ihm in seiner
eignen Wohnung ein Unterkommen gegeben. Der eigentlich harte und gefähr¬
liche Kampf um das nackte Leben war von da ab von Drake genommen. Das
künstlerische Ringen begann erst recht.

1826 war er zu Rauch gekommen. Sein erstes ganz selbständiges plasti¬
sches Werk datirt von 1833: Die Gruppe eines sterbenden Kriegers, dem die
Siegesgöttin aufwinkend die Palme reicht. Es ist noch eine gewisse zarte Be¬
fangenheit darin, aber ein edler Schwung der Linien, der Komposition, eine
lautere Schönheit der Form und bei aller Beeinflussung durch das Studium
der Antike doch bereits etwas von jener seinen Beobachtung einer individuellen
Natur, welche Drakes spätere Arbeiten kennzeichnet. Dieses Jugendwerk machte
viel Aussehen in Berlin und enthufiasmirte z. B. den alten Schadow. Aus
den nächsten Jahren stammt die bekannte Gestalt der römischen Winzerin, die
er 15—20 Jahre später kolossal in Marmor ausführte und das wohl noch
mehr verbreitete und populär gewordne Relief zu der römischen Elegie Goethes:

Diese bewunderungswerthe Composition vermittelte später bei Drakes rö¬
mischem Aufenthalt (1837) eine nähere Verbindung mit Thorwaldsen in der
hübschesten Weise. Er hatte bei letzterem seinen Empfehlungsbrief abgegeben.
Welchen dieser an gewohnter Manier unter einem Wust von Papieren verkramt
hat. Als Drake den Meister wieder aufsucht, wühlt dieser etwas verdrießlich
und von dem Besuch nicht grade erfreut, in den Schubkästen nach jenem Schrei¬
ben herum, in jedem Augenblick Schriften, Zeichnungen. Stiche herauswerfend.
Einen derselben aber behält er in der Hand und mit den Worten, das sei ein¬
mal eine rechte und schöne Composition; der das gemacht habe, verstände seine
Kunst, zeigt er dem Besuch, dessen Namen er nicht ahnt, einen Stahlstich seines
(Drakes) eignen Reliefs zu jener Elegie! 1836 war Drakes erstes selbständi¬
ges Monumentalwerk, zu dessen Ausführung Rauch seinen bewährten Schüler
empfohlen hatte, die Broncestatue für Justus Möser für Osnabrück vollendet.
Feine eindringende Charakterauffassung der darzustellenden Persönlichkeit, euch-


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[0247] regeln. Trotz der Energie seines Willens wäre es schwerlich gelungen, wenn nicht die Mechanik zu Hilfe gekommen wäre, welche dem jungen Drake die Be¬ kanntschaft und Freundschaft eines Dilettanten derselben, eines Beamten, der seine Mußestunden mit ihrer Uebung ausfüllte, verschafft hätte, der ihm, dem ihn Lehrenden und mit ihm Arbeitenden, die Möglichkeit der physischen Existenz erleichtern half. Später hat dann Rauch, der nach und nach mit der ganzen Größe der Begabung, und gleichzeitig mit der Lage und der heroischen Ertragungs- und Opfersähigkeit seines Schülers bekannt geworden war, selbst die Verbesserung seiner Situation in die Hand genommen und ihm in seiner eignen Wohnung ein Unterkommen gegeben. Der eigentlich harte und gefähr¬ liche Kampf um das nackte Leben war von da ab von Drake genommen. Das künstlerische Ringen begann erst recht. 1826 war er zu Rauch gekommen. Sein erstes ganz selbständiges plasti¬ sches Werk datirt von 1833: Die Gruppe eines sterbenden Kriegers, dem die Siegesgöttin aufwinkend die Palme reicht. Es ist noch eine gewisse zarte Be¬ fangenheit darin, aber ein edler Schwung der Linien, der Komposition, eine lautere Schönheit der Form und bei aller Beeinflussung durch das Studium der Antike doch bereits etwas von jener seinen Beobachtung einer individuellen Natur, welche Drakes spätere Arbeiten kennzeichnet. Dieses Jugendwerk machte viel Aussehen in Berlin und enthufiasmirte z. B. den alten Schadow. Aus den nächsten Jahren stammt die bekannte Gestalt der römischen Winzerin, die er 15—20 Jahre später kolossal in Marmor ausführte und das wohl noch mehr verbreitete und populär gewordne Relief zu der römischen Elegie Goethes: Diese bewunderungswerthe Composition vermittelte später bei Drakes rö¬ mischem Aufenthalt (1837) eine nähere Verbindung mit Thorwaldsen in der hübschesten Weise. Er hatte bei letzterem seinen Empfehlungsbrief abgegeben. Welchen dieser an gewohnter Manier unter einem Wust von Papieren verkramt hat. Als Drake den Meister wieder aufsucht, wühlt dieser etwas verdrießlich und von dem Besuch nicht grade erfreut, in den Schubkästen nach jenem Schrei¬ ben herum, in jedem Augenblick Schriften, Zeichnungen. Stiche herauswerfend. Einen derselben aber behält er in der Hand und mit den Worten, das sei ein¬ mal eine rechte und schöne Composition; der das gemacht habe, verstände seine Kunst, zeigt er dem Besuch, dessen Namen er nicht ahnt, einen Stahlstich seines (Drakes) eignen Reliefs zu jener Elegie! 1836 war Drakes erstes selbständi¬ ges Monumentalwerk, zu dessen Ausführung Rauch seinen bewährten Schüler empfohlen hatte, die Broncestatue für Justus Möser für Osnabrück vollendet. Feine eindringende Charakterauffassung der darzustellenden Persönlichkeit, euch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/247>, abgerufen am 26.06.2024.