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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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fKr die ländlichen Arbeiter solche persönliche und Besitzesverhältnisse herbeizu¬
führen, welche sie bestimmen können, der ungewissen Zukunft in fernen Ländern
ihre gesicherte Heimath vorzuziehen. Liegt nun jetzt ein Hauptantrieb der Aus-
Wanderung in der Schwierigkeit, ja fast Unmöglichkeit für die-ländlichen Be¬
sitzlosen, einen kleinen Grundbesitz zu erwerben, so kann die Aufgabe der Gesetz¬
gebung nur als dahingehend aufgefaßt werden, die Hindernisse hinwegzuräumen,
die der Erreichung solches Zieles zur Zeit entgegenstehen. So lange solche
Hindernisse nicht weggeräumt werden, wird man sich dem Anerkenntnis nicht
entziehen können, daß die Besitzlosen durch die Verhältnisse und Einrichtungen
des Heimathlandes zur Auswanderung hingedrängt werden." Das Votum
vermißt aber in dem Gesetzentwurf noch die Regelung vieler dabei in Betracht
kommender Verhältnisse, namentlich über das Rechtsverhältniß zwischen Guts¬
herren und Häuslern, die Reception von Käufern der Erbzinsstellen in das Gut,
die Aufnahme von Miethseinwvhnern, die Veräußeriichkeit und das Vorkaufs¬
recht, die weitere Parcellirbarkeit der Stellen, die Erbfolge, die Verschuidbarkeit,
die Errichtung von Hypothekenbüchern. Bei aller Geneigtheit hinsichtlich der
Tendenz des Gesetzentwurfs gelangt daher auch dieses Votum zu dem Antrage,
denselben in seiner gegenwärtigen Gestalt abzulehnen, gleichzeitig aber auszu¬
sprechen , daß das Bedürfniß einer Reform in der bezeichneten Weise anerkannt
Werde.

Ein von drei bürgerlichen Mitgliedern der Ritterschaft (Bock-Gr.-Weltzin,
Pogge-Blankenhof und Schalburg-Herzberg) unterzeichnetes Votum stimmte mit
dem vorstehend mitgetheilten in der Bedürsnißsrage überein. Vorhanden sei
dieses Bedürfniß in demjenigen Theile der Bevölkerung, welcher Gelegenheit
habe, Capital zu ersparen, aber den Wunsch der Erwerbung eigenen Grund¬
besitzes in Mecklenburg nicht genügend befriedigen könne, worin ein Hauptgrund
der Auswanderung und des daraus folgenden Mangels an Arbeitern liege. An
den Einzelheiten des Gesetzentwurfes dagegen haben sie manches auszusetzen.
Hauptsächlich aber heben sie hervor, daß die ganze Maßregel von geringem
Praktischen Erfolge bleiben würde, wenn nicht solche Institutionen ins Leben
gerufen würden, welche eine allgemeine Ordnung der Armenversorgung und
der Jurisdictionsverhältnisse und eine möglichst freie Gestaltung der Beziehungen
zwischen Verkäufer und Käufer herbeiführen. Sie beantragen daher, unter Mit¬
theilung der von ihnen aufgestellten Bedenken eine neue Vorlage für den nächsten
Landtag zu erbitten.

In der Verhandlung glaubte ein Mitglied der feudalen Partei, Herr
v. Oertzen-Lübberstorf, die Auswanderung als eine vorübergehende Krankheit
bezeichnen zu dürfen, deren Verlauf man mit Ruhe erwarten könne, da es auf
Erden kein glücklicheres Leben gebe als das eines mecklenburgischen Gutstage¬
löhners. Der Landrath v. Rieden hielt der Versammlung das durch die Pgr-


fKr die ländlichen Arbeiter solche persönliche und Besitzesverhältnisse herbeizu¬
führen, welche sie bestimmen können, der ungewissen Zukunft in fernen Ländern
ihre gesicherte Heimath vorzuziehen. Liegt nun jetzt ein Hauptantrieb der Aus-
Wanderung in der Schwierigkeit, ja fast Unmöglichkeit für die-ländlichen Be¬
sitzlosen, einen kleinen Grundbesitz zu erwerben, so kann die Aufgabe der Gesetz¬
gebung nur als dahingehend aufgefaßt werden, die Hindernisse hinwegzuräumen,
die der Erreichung solches Zieles zur Zeit entgegenstehen. So lange solche
Hindernisse nicht weggeräumt werden, wird man sich dem Anerkenntnis nicht
entziehen können, daß die Besitzlosen durch die Verhältnisse und Einrichtungen
des Heimathlandes zur Auswanderung hingedrängt werden." Das Votum
vermißt aber in dem Gesetzentwurf noch die Regelung vieler dabei in Betracht
kommender Verhältnisse, namentlich über das Rechtsverhältniß zwischen Guts¬
herren und Häuslern, die Reception von Käufern der Erbzinsstellen in das Gut,
die Aufnahme von Miethseinwvhnern, die Veräußeriichkeit und das Vorkaufs¬
recht, die weitere Parcellirbarkeit der Stellen, die Erbfolge, die Verschuidbarkeit,
die Errichtung von Hypothekenbüchern. Bei aller Geneigtheit hinsichtlich der
Tendenz des Gesetzentwurfs gelangt daher auch dieses Votum zu dem Antrage,
denselben in seiner gegenwärtigen Gestalt abzulehnen, gleichzeitig aber auszu¬
sprechen , daß das Bedürfniß einer Reform in der bezeichneten Weise anerkannt
Werde.

Ein von drei bürgerlichen Mitgliedern der Ritterschaft (Bock-Gr.-Weltzin,
Pogge-Blankenhof und Schalburg-Herzberg) unterzeichnetes Votum stimmte mit
dem vorstehend mitgetheilten in der Bedürsnißsrage überein. Vorhanden sei
dieses Bedürfniß in demjenigen Theile der Bevölkerung, welcher Gelegenheit
habe, Capital zu ersparen, aber den Wunsch der Erwerbung eigenen Grund¬
besitzes in Mecklenburg nicht genügend befriedigen könne, worin ein Hauptgrund
der Auswanderung und des daraus folgenden Mangels an Arbeitern liege. An
den Einzelheiten des Gesetzentwurfes dagegen haben sie manches auszusetzen.
Hauptsächlich aber heben sie hervor, daß die ganze Maßregel von geringem
Praktischen Erfolge bleiben würde, wenn nicht solche Institutionen ins Leben
gerufen würden, welche eine allgemeine Ordnung der Armenversorgung und
der Jurisdictionsverhältnisse und eine möglichst freie Gestaltung der Beziehungen
zwischen Verkäufer und Käufer herbeiführen. Sie beantragen daher, unter Mit¬
theilung der von ihnen aufgestellten Bedenken eine neue Vorlage für den nächsten
Landtag zu erbitten.

In der Verhandlung glaubte ein Mitglied der feudalen Partei, Herr
v. Oertzen-Lübberstorf, die Auswanderung als eine vorübergehende Krankheit
bezeichnen zu dürfen, deren Verlauf man mit Ruhe erwarten könne, da es auf
Erden kein glücklicheres Leben gebe als das eines mecklenburgischen Gutstage¬
löhners. Der Landrath v. Rieden hielt der Versammlung das durch die Pgr-


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[0239] fKr die ländlichen Arbeiter solche persönliche und Besitzesverhältnisse herbeizu¬ führen, welche sie bestimmen können, der ungewissen Zukunft in fernen Ländern ihre gesicherte Heimath vorzuziehen. Liegt nun jetzt ein Hauptantrieb der Aus- Wanderung in der Schwierigkeit, ja fast Unmöglichkeit für die-ländlichen Be¬ sitzlosen, einen kleinen Grundbesitz zu erwerben, so kann die Aufgabe der Gesetz¬ gebung nur als dahingehend aufgefaßt werden, die Hindernisse hinwegzuräumen, die der Erreichung solches Zieles zur Zeit entgegenstehen. So lange solche Hindernisse nicht weggeräumt werden, wird man sich dem Anerkenntnis nicht entziehen können, daß die Besitzlosen durch die Verhältnisse und Einrichtungen des Heimathlandes zur Auswanderung hingedrängt werden." Das Votum vermißt aber in dem Gesetzentwurf noch die Regelung vieler dabei in Betracht kommender Verhältnisse, namentlich über das Rechtsverhältniß zwischen Guts¬ herren und Häuslern, die Reception von Käufern der Erbzinsstellen in das Gut, die Aufnahme von Miethseinwvhnern, die Veräußeriichkeit und das Vorkaufs¬ recht, die weitere Parcellirbarkeit der Stellen, die Erbfolge, die Verschuidbarkeit, die Errichtung von Hypothekenbüchern. Bei aller Geneigtheit hinsichtlich der Tendenz des Gesetzentwurfs gelangt daher auch dieses Votum zu dem Antrage, denselben in seiner gegenwärtigen Gestalt abzulehnen, gleichzeitig aber auszu¬ sprechen , daß das Bedürfniß einer Reform in der bezeichneten Weise anerkannt Werde. Ein von drei bürgerlichen Mitgliedern der Ritterschaft (Bock-Gr.-Weltzin, Pogge-Blankenhof und Schalburg-Herzberg) unterzeichnetes Votum stimmte mit dem vorstehend mitgetheilten in der Bedürsnißsrage überein. Vorhanden sei dieses Bedürfniß in demjenigen Theile der Bevölkerung, welcher Gelegenheit habe, Capital zu ersparen, aber den Wunsch der Erwerbung eigenen Grund¬ besitzes in Mecklenburg nicht genügend befriedigen könne, worin ein Hauptgrund der Auswanderung und des daraus folgenden Mangels an Arbeitern liege. An den Einzelheiten des Gesetzentwurfes dagegen haben sie manches auszusetzen. Hauptsächlich aber heben sie hervor, daß die ganze Maßregel von geringem Praktischen Erfolge bleiben würde, wenn nicht solche Institutionen ins Leben gerufen würden, welche eine allgemeine Ordnung der Armenversorgung und der Jurisdictionsverhältnisse und eine möglichst freie Gestaltung der Beziehungen zwischen Verkäufer und Käufer herbeiführen. Sie beantragen daher, unter Mit¬ theilung der von ihnen aufgestellten Bedenken eine neue Vorlage für den nächsten Landtag zu erbitten. In der Verhandlung glaubte ein Mitglied der feudalen Partei, Herr v. Oertzen-Lübberstorf, die Auswanderung als eine vorübergehende Krankheit bezeichnen zu dürfen, deren Verlauf man mit Ruhe erwarten könne, da es auf Erden kein glücklicheres Leben gebe als das eines mecklenburgischen Gutstage¬ löhners. Der Landrath v. Rieden hielt der Versammlung das durch die Pgr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/239>, abgerufen am 26.06.2024.