Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.cellirungen entstandene Proletariat im Preußischen als Schreckbild vor. Ein Der Großherzog sah sich damit in die Lage versetzt, für die Dauer des Diese Hoffnung möchte von Wenigen getheilt werden. Wie man aber Nur in einer Frage, welche Mecklenburg während der letzten Jahre viel¬ cellirungen entstandene Proletariat im Preußischen als Schreckbild vor. Ein Der Großherzog sah sich damit in die Lage versetzt, für die Dauer des Diese Hoffnung möchte von Wenigen getheilt werden. Wie man aber Nur in einer Frage, welche Mecklenburg während der letzten Jahre viel¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0240" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284710"/> <p xml:id="ID_839" prev="#ID_838"> cellirungen entstandene Proletariat im Preußischen als Schreckbild vor. Ein<lb/> anderer Ritter, der Vice-Landmarschall v. Maltzan-Gr.-Luckow, berief sich aus<lb/> die Thatsache, daß eine Auswanderung auch in Preußen stattfinde, daß also in<lb/> einer vermehrten Parcellirbarkeit des Grundbesitzes kein Palliativ gegen Aus¬<lb/> wanderung zu suchen sei. Im benachbarten demminer Kreise habe die Bevölke¬<lb/> rung sich um 4000 Seelen vermindert, obgleich sie dort im Besitz aller Rechte<lb/> sei, welche man hier gewähren wolle, worauf Pogge-Pölitz entgegnete: wenn<lb/> die Auswanderung in Vorpommern ebenso stark sei wie in Mecklenburg, so<lb/> rühre dies daher, daß dort die Bauerschaften ebenso wie hier von den Rittern<lb/> verdrängt seien, während in der Mark Brandenburg die Landesherren die Ritter<lb/> daran zu verhindern gewußt hätten. Dazu gab noch einer der wenigen Freunde<lb/> einer Reform aus der adeligen Ritterschaft, v. Oertzen-Brunn, die thatsächliche<lb/> Mittheilung, daß er, nahe an der Grenze des demminer Kreises wohnend, die<lb/> eigenthümliche Erfahrung gemacht habe, daß, obwohl seine Gutsleute in guter<lb/> Lage und wohlhabend wären, doch von den vielen tausend pommerschen Aus¬<lb/> wanderern kein einziger Neigung gehabt, in die durch Auswanderung eines<lb/> Theiles seiner eigenen Gutsleute leer gewordenen Wohnungen einzuziehen. Es<lb/> müsse dies doch daran liegen, daß hier Verhältnisse obwalteten, welche dem<lb/> ländlichen Arbeiter nicht zusagten. Das Ende der lange hin und her wogenden<lb/> Erörterungen war. daß der Gesetzentwurf mit 98 gegen 32 Stimmen abge¬<lb/> lehnt ward.</p><lb/> <p xml:id="ID_840"> Der Großherzog sah sich damit in die Lage versetzt, für die Dauer des<lb/> gegenwärtigen Landtags auf eine Fortsetzung der Verhandlungen zu verzichten,<lb/> verband damit aber die Erklärung, daß er an seiner Auffassung der Sachlage<lb/> festhalten müsse. Indem der Großherzog im Landtagsabschied diese Erklärung<lb/> wiederholte, gab er nur so viel zu, daß die ständischen Bemerkungen zu einer<lb/> sorgfältigen wiederholten Prüfung des Gesetzentwurfs genügende Veranlassung<lb/> böten. Er behalte sich daher vor, auf den Gegenstand der Proposition zurück¬<lb/> zukommen, und gebe sich vertrauensvoll der Hoffnung hin, bei den weiteren<lb/> Berathungen über diese wichtige Angelegenheit sich kräftig von den getreuen<lb/> Ständen unterstützt zu sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_841"> Diese Hoffnung möchte von Wenigen getheilt werden. Wie man aber<lb/> auch darüber denke, jedenfalls ist die von der Regierung selbst für so dringlich<lb/> erachtete Angelegenheit durch das Ergebniß der ständischen Berathung in eine<lb/> graue Ferne gerückt, und der Landtag hat auch bei dieser überaus wichtigen<lb/> Frage bewährt, daß er nur noch im Negiren etwas zu leisten vermag.</p><lb/> <p xml:id="ID_842"> Nur in einer Frage, welche Mecklenburg während der letzten Jahre viel¬<lb/> fach in den Mund der Leute gebracht hat, glaubten die Stände einer Verände¬<lb/> rung ihres Besitzstandes zustimmen zu müssen. Sie betraf die Anwendung der<lb/> körperlichen Züchtigung.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0240]
cellirungen entstandene Proletariat im Preußischen als Schreckbild vor. Ein
anderer Ritter, der Vice-Landmarschall v. Maltzan-Gr.-Luckow, berief sich aus
die Thatsache, daß eine Auswanderung auch in Preußen stattfinde, daß also in
einer vermehrten Parcellirbarkeit des Grundbesitzes kein Palliativ gegen Aus¬
wanderung zu suchen sei. Im benachbarten demminer Kreise habe die Bevölke¬
rung sich um 4000 Seelen vermindert, obgleich sie dort im Besitz aller Rechte
sei, welche man hier gewähren wolle, worauf Pogge-Pölitz entgegnete: wenn
die Auswanderung in Vorpommern ebenso stark sei wie in Mecklenburg, so
rühre dies daher, daß dort die Bauerschaften ebenso wie hier von den Rittern
verdrängt seien, während in der Mark Brandenburg die Landesherren die Ritter
daran zu verhindern gewußt hätten. Dazu gab noch einer der wenigen Freunde
einer Reform aus der adeligen Ritterschaft, v. Oertzen-Brunn, die thatsächliche
Mittheilung, daß er, nahe an der Grenze des demminer Kreises wohnend, die
eigenthümliche Erfahrung gemacht habe, daß, obwohl seine Gutsleute in guter
Lage und wohlhabend wären, doch von den vielen tausend pommerschen Aus¬
wanderern kein einziger Neigung gehabt, in die durch Auswanderung eines
Theiles seiner eigenen Gutsleute leer gewordenen Wohnungen einzuziehen. Es
müsse dies doch daran liegen, daß hier Verhältnisse obwalteten, welche dem
ländlichen Arbeiter nicht zusagten. Das Ende der lange hin und her wogenden
Erörterungen war. daß der Gesetzentwurf mit 98 gegen 32 Stimmen abge¬
lehnt ward.
Der Großherzog sah sich damit in die Lage versetzt, für die Dauer des
gegenwärtigen Landtags auf eine Fortsetzung der Verhandlungen zu verzichten,
verband damit aber die Erklärung, daß er an seiner Auffassung der Sachlage
festhalten müsse. Indem der Großherzog im Landtagsabschied diese Erklärung
wiederholte, gab er nur so viel zu, daß die ständischen Bemerkungen zu einer
sorgfältigen wiederholten Prüfung des Gesetzentwurfs genügende Veranlassung
böten. Er behalte sich daher vor, auf den Gegenstand der Proposition zurück¬
zukommen, und gebe sich vertrauensvoll der Hoffnung hin, bei den weiteren
Berathungen über diese wichtige Angelegenheit sich kräftig von den getreuen
Ständen unterstützt zu sehen.
Diese Hoffnung möchte von Wenigen getheilt werden. Wie man aber
auch darüber denke, jedenfalls ist die von der Regierung selbst für so dringlich
erachtete Angelegenheit durch das Ergebniß der ständischen Berathung in eine
graue Ferne gerückt, und der Landtag hat auch bei dieser überaus wichtigen
Frage bewährt, daß er nur noch im Negiren etwas zu leisten vermag.
Nur in einer Frage, welche Mecklenburg während der letzten Jahre viel¬
fach in den Mund der Leute gebracht hat, glaubten die Stände einer Verände¬
rung ihres Besitzstandes zustimmen zu müssen. Sie betraf die Anwendung der
körperlichen Züchtigung.
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