Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Zeit ein Versuch gemacht werden wird, die iberische Union herzustellen. Es ist
aber auch nicht unmöglich. Trotz der angeführten Bedenken könnte, wenn die
Mittelpartei in Madrid zu der Erkenntniß käme, daß der Dynastie Bourbon
und ihrer neukatholischen Umgebung gegenüber reformiren wollen den Stein, des
Sisyphus wälzen heißt, wenn die Reaction wieder einmal in eclatanter Weise
über den Fortschritt triumphirte und ein Rückschlag der Revolution mit der
Republik drohte, der Fall eintreten, daß alle constitutionellen Fractionen sich
vereinigten und sich der portugiesischen Dynastie als einziger Retterin vor der
Anarchie in die Arme würfen.

In diesem Falle würde viel daraus ankommen, wie Frankreich und Eng¬
land sich zu dem Unternehmen verhielten. Man kann nicht hoffen, daß diese
Mächte dasselbe für Dom Luis thun würden, was sie für Victor Emanuel ge¬
than haben, da ihre Interessen auf der iberischen Halbinsel nicht dieselben sind
wie auf der apenninischen. Frankreich würde dort keine neue Großmacht
liberalen Charakters wünschen können, so lange Napoleon in ihm regiert. Eng¬
land hätte in Portugal den Verlust eines ergiebigen Absatzgebiets, in Spanien
den Verlust Gibraltars zu fürchten und in der Vereinigung beider Länder einen
Rivalen zur See. Nur ein sehr energisches und möglichst allgemeines Erfassen
der Unionsidee von Seiten der Portugiesen und der Spanier und ein kräftiger
und umsichtiger Führer könnten dann jenen Antipathien die Wage halten und
eine andere Einmischung als die durch kleine Intriguen ausschließen.




Der mecklenburgische Landtag des Jahres 1865.
2.

Ebenfalls ein Gegenstand von Interesse für weitere Kreise war die Ver¬
handlung des Landtags über das großherzogliche Rescript, welches die Wieder-
aufhebung der den Tagelöhnern gewährten Entfreiungen von der SonntagS-
heiligung befürwortete. Die Entsreiung diene, so sagte jene Aeußerung der
großherzoglichen Negierung, nur dazu, eine große Classe von Personen der Hei¬
ligung der Sonn- und Festtage zu entziehen. Die Bestimmung wegen der
Leistung von Erntefuhren an Sonntagen habe zugleich eine nicht unerhebliche
Zahl an sich nicht entfreiter Personen in den Kreis dieser Entfremdung von


Zeit ein Versuch gemacht werden wird, die iberische Union herzustellen. Es ist
aber auch nicht unmöglich. Trotz der angeführten Bedenken könnte, wenn die
Mittelpartei in Madrid zu der Erkenntniß käme, daß der Dynastie Bourbon
und ihrer neukatholischen Umgebung gegenüber reformiren wollen den Stein, des
Sisyphus wälzen heißt, wenn die Reaction wieder einmal in eclatanter Weise
über den Fortschritt triumphirte und ein Rückschlag der Revolution mit der
Republik drohte, der Fall eintreten, daß alle constitutionellen Fractionen sich
vereinigten und sich der portugiesischen Dynastie als einziger Retterin vor der
Anarchie in die Arme würfen.

In diesem Falle würde viel daraus ankommen, wie Frankreich und Eng¬
land sich zu dem Unternehmen verhielten. Man kann nicht hoffen, daß diese
Mächte dasselbe für Dom Luis thun würden, was sie für Victor Emanuel ge¬
than haben, da ihre Interessen auf der iberischen Halbinsel nicht dieselben sind
wie auf der apenninischen. Frankreich würde dort keine neue Großmacht
liberalen Charakters wünschen können, so lange Napoleon in ihm regiert. Eng¬
land hätte in Portugal den Verlust eines ergiebigen Absatzgebiets, in Spanien
den Verlust Gibraltars zu fürchten und in der Vereinigung beider Länder einen
Rivalen zur See. Nur ein sehr energisches und möglichst allgemeines Erfassen
der Unionsidee von Seiten der Portugiesen und der Spanier und ein kräftiger
und umsichtiger Führer könnten dann jenen Antipathien die Wage halten und
eine andere Einmischung als die durch kleine Intriguen ausschließen.




Der mecklenburgische Landtag des Jahres 1865.
2.

Ebenfalls ein Gegenstand von Interesse für weitere Kreise war die Ver¬
handlung des Landtags über das großherzogliche Rescript, welches die Wieder-
aufhebung der den Tagelöhnern gewährten Entfreiungen von der SonntagS-
heiligung befürwortete. Die Entsreiung diene, so sagte jene Aeußerung der
großherzoglichen Negierung, nur dazu, eine große Classe von Personen der Hei¬
ligung der Sonn- und Festtage zu entziehen. Die Bestimmung wegen der
Leistung von Erntefuhren an Sonntagen habe zugleich eine nicht unerhebliche
Zahl an sich nicht entfreiter Personen in den Kreis dieser Entfremdung von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0231" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284701"/>
          <p xml:id="ID_811" prev="#ID_810"> Zeit ein Versuch gemacht werden wird, die iberische Union herzustellen. Es ist<lb/>
aber auch nicht unmöglich. Trotz der angeführten Bedenken könnte, wenn die<lb/>
Mittelpartei in Madrid zu der Erkenntniß käme, daß der Dynastie Bourbon<lb/>
und ihrer neukatholischen Umgebung gegenüber reformiren wollen den Stein, des<lb/>
Sisyphus wälzen heißt, wenn die Reaction wieder einmal in eclatanter Weise<lb/>
über den Fortschritt triumphirte und ein Rückschlag der Revolution mit der<lb/>
Republik drohte, der Fall eintreten, daß alle constitutionellen Fractionen sich<lb/>
vereinigten und sich der portugiesischen Dynastie als einziger Retterin vor der<lb/>
Anarchie in die Arme würfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_812"> In diesem Falle würde viel daraus ankommen, wie Frankreich und Eng¬<lb/>
land sich zu dem Unternehmen verhielten. Man kann nicht hoffen, daß diese<lb/>
Mächte dasselbe für Dom Luis thun würden, was sie für Victor Emanuel ge¬<lb/>
than haben, da ihre Interessen auf der iberischen Halbinsel nicht dieselben sind<lb/>
wie auf der apenninischen. Frankreich würde dort keine neue Großmacht<lb/>
liberalen Charakters wünschen können, so lange Napoleon in ihm regiert. Eng¬<lb/>
land hätte in Portugal den Verlust eines ergiebigen Absatzgebiets, in Spanien<lb/>
den Verlust Gibraltars zu fürchten und in der Vereinigung beider Länder einen<lb/>
Rivalen zur See. Nur ein sehr energisches und möglichst allgemeines Erfassen<lb/>
der Unionsidee von Seiten der Portugiesen und der Spanier und ein kräftiger<lb/>
und umsichtiger Führer könnten dann jenen Antipathien die Wage halten und<lb/>
eine andere Einmischung als die durch kleine Intriguen ausschließen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der mecklenburgische Landtag des Jahres 1865.<lb/>
2. </head><lb/>
          <p xml:id="ID_813" next="#ID_814"> Ebenfalls ein Gegenstand von Interesse für weitere Kreise war die Ver¬<lb/>
handlung des Landtags über das großherzogliche Rescript, welches die Wieder-<lb/>
aufhebung der den Tagelöhnern gewährten Entfreiungen von der SonntagS-<lb/>
heiligung befürwortete. Die Entsreiung diene, so sagte jene Aeußerung der<lb/>
großherzoglichen Negierung, nur dazu, eine große Classe von Personen der Hei¬<lb/>
ligung der Sonn- und Festtage zu entziehen. Die Bestimmung wegen der<lb/>
Leistung von Erntefuhren an Sonntagen habe zugleich eine nicht unerhebliche<lb/>
Zahl an sich nicht entfreiter Personen in den Kreis dieser Entfremdung von</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0231] Zeit ein Versuch gemacht werden wird, die iberische Union herzustellen. Es ist aber auch nicht unmöglich. Trotz der angeführten Bedenken könnte, wenn die Mittelpartei in Madrid zu der Erkenntniß käme, daß der Dynastie Bourbon und ihrer neukatholischen Umgebung gegenüber reformiren wollen den Stein, des Sisyphus wälzen heißt, wenn die Reaction wieder einmal in eclatanter Weise über den Fortschritt triumphirte und ein Rückschlag der Revolution mit der Republik drohte, der Fall eintreten, daß alle constitutionellen Fractionen sich vereinigten und sich der portugiesischen Dynastie als einziger Retterin vor der Anarchie in die Arme würfen. In diesem Falle würde viel daraus ankommen, wie Frankreich und Eng¬ land sich zu dem Unternehmen verhielten. Man kann nicht hoffen, daß diese Mächte dasselbe für Dom Luis thun würden, was sie für Victor Emanuel ge¬ than haben, da ihre Interessen auf der iberischen Halbinsel nicht dieselben sind wie auf der apenninischen. Frankreich würde dort keine neue Großmacht liberalen Charakters wünschen können, so lange Napoleon in ihm regiert. Eng¬ land hätte in Portugal den Verlust eines ergiebigen Absatzgebiets, in Spanien den Verlust Gibraltars zu fürchten und in der Vereinigung beider Länder einen Rivalen zur See. Nur ein sehr energisches und möglichst allgemeines Erfassen der Unionsidee von Seiten der Portugiesen und der Spanier und ein kräftiger und umsichtiger Führer könnten dann jenen Antipathien die Wage halten und eine andere Einmischung als die durch kleine Intriguen ausschließen. Der mecklenburgische Landtag des Jahres 1865. 2. Ebenfalls ein Gegenstand von Interesse für weitere Kreise war die Ver¬ handlung des Landtags über das großherzogliche Rescript, welches die Wieder- aufhebung der den Tagelöhnern gewährten Entfreiungen von der SonntagS- heiligung befürwortete. Die Entsreiung diene, so sagte jene Aeußerung der großherzoglichen Negierung, nur dazu, eine große Classe von Personen der Hei¬ ligung der Sonn- und Festtage zu entziehen. Die Bestimmung wegen der Leistung von Erntefuhren an Sonntagen habe zugleich eine nicht unerhebliche Zahl an sich nicht entfreiter Personen in den Kreis dieser Entfremdung von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/231
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/231>, abgerufen am 26.06.2024.