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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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aber weiter nichts als ein König, dessen Charakter und Lebensweise das Lob
der Achtbarkeit verdienten, und der nach der Verfassung regierte, und das
reicht nicht hin, die Massen zu begeistern, am wenigsten in Spanien.
'

Auch von Seiten des portugiesischen Volks und DomPetros selbst erhoben
sich Schwierigkeiten. Die Portugiesen sind mit den Spaniern verwandt, aber
nicht dasselbe Volk und überdies infolge früherer Ereignisse ungefähr ebenso mit
Antipathien gegen ihre Nachbarn erfüllt, wie die Dänen gegen die Schweden,
so daß ein Vergleich Iberiens mit Italien nicht recht passen will. Dom Pedro
aber würde die Krone von Iberien, wäre sie ihm angeboten worden, vielleicht
nicht ausgeschlagen, seinerseits aber kaum etwas gewagt haben, sie zu erobern.
Der stolze und gewaltthätige Charakter der Spanier war ihm unbequem. Ge¬
wöhnt, ein sanftes, gelehriges, nachgiebiges Geschlecht zu regieren, welches
allerdings dreißig Jahre voll kleine Revolutionen durchgemacht hatte, aber ohne
dabei viel Blut zu vergießen, schrak er vor den bluttriefenden Blättern der
neuesten spanischen Geschichte, den massenhaften Füstlladen und Garottirungen
besiegter Revolutionäre oder Reactionäre, welche sich bei den Nachbarn fast in
jedem Jahrzehnt einige Mal wiederholten, zurück. Man darf mit Garrido,
dem wir hier folgen, annehmen, daß die Portugiesen sich nicht widerseht haben
würden, wenn ihr König die Initiative ergriffen hätte, sie mit den Spaniern
in einen Staat zu vereinigen. Da der Antrag aber, wie die Dinge lagen,
von den letztem ausgehen mußte, so würden die Portugiesen ungern darauf
eingegangen sein, weil die Vereinigung in diesem Fall ein Aufgehen Portugals
in Spanien gewesen wäre.

Dom Luis. der Nachfolger Petros, erbte den guten Willen derer, die für
die iberische Union waren. Seine Thronbesteigung aber änderte an der Lage
der Dinge nichts; denn er hat denselben Charakter wie sein Bruder, und es
ist daher anzunehmen, daß er unter gleichen Umständen die gleiche Politik ver¬
folgen würde wie dieser.

Nun läßt sich für eine Vereinigung Portugals mit Spanien freilich auch
vom Standpunkt eines unbefangenen Portugiesen noch mancherlei sagen. Por¬
tugal ist nur dem Namen nach ein unabhängiges Land, in Wahrheit aber nicht
viel mehr als eine Colonie Englands, welches seine Selbständigkeit einiger¬
maßen schützt und es dafür mit seinem Handel nach allen Richtungen hin aus¬
beutet. Es hat alle Lasten eines freien Landes zu tragen ohne das Gefühl,
daß diese Freiheit nach außen hin damit gesichert ist. Es unterhält ein Heer
und eine Flotte, aber wenn der Patron in London nicht zu seinen Gunsten
einschreitet, muß es sich Demüthigungen unterwerfen, welche die Grenze des
Erträglichen weit überschreiten. Man erinnere sich an den Vorfall von 1868.
wo Frankreich mit offner Gewalt einen weggenommenem französischen Sklaven¬
händler aus dem Tajo herausholte, der bereits den Gerichten übergeben war.


aber weiter nichts als ein König, dessen Charakter und Lebensweise das Lob
der Achtbarkeit verdienten, und der nach der Verfassung regierte, und das
reicht nicht hin, die Massen zu begeistern, am wenigsten in Spanien.
'

Auch von Seiten des portugiesischen Volks und DomPetros selbst erhoben
sich Schwierigkeiten. Die Portugiesen sind mit den Spaniern verwandt, aber
nicht dasselbe Volk und überdies infolge früherer Ereignisse ungefähr ebenso mit
Antipathien gegen ihre Nachbarn erfüllt, wie die Dänen gegen die Schweden,
so daß ein Vergleich Iberiens mit Italien nicht recht passen will. Dom Pedro
aber würde die Krone von Iberien, wäre sie ihm angeboten worden, vielleicht
nicht ausgeschlagen, seinerseits aber kaum etwas gewagt haben, sie zu erobern.
Der stolze und gewaltthätige Charakter der Spanier war ihm unbequem. Ge¬
wöhnt, ein sanftes, gelehriges, nachgiebiges Geschlecht zu regieren, welches
allerdings dreißig Jahre voll kleine Revolutionen durchgemacht hatte, aber ohne
dabei viel Blut zu vergießen, schrak er vor den bluttriefenden Blättern der
neuesten spanischen Geschichte, den massenhaften Füstlladen und Garottirungen
besiegter Revolutionäre oder Reactionäre, welche sich bei den Nachbarn fast in
jedem Jahrzehnt einige Mal wiederholten, zurück. Man darf mit Garrido,
dem wir hier folgen, annehmen, daß die Portugiesen sich nicht widerseht haben
würden, wenn ihr König die Initiative ergriffen hätte, sie mit den Spaniern
in einen Staat zu vereinigen. Da der Antrag aber, wie die Dinge lagen,
von den letztem ausgehen mußte, so würden die Portugiesen ungern darauf
eingegangen sein, weil die Vereinigung in diesem Fall ein Aufgehen Portugals
in Spanien gewesen wäre.

Dom Luis. der Nachfolger Petros, erbte den guten Willen derer, die für
die iberische Union waren. Seine Thronbesteigung aber änderte an der Lage
der Dinge nichts; denn er hat denselben Charakter wie sein Bruder, und es
ist daher anzunehmen, daß er unter gleichen Umständen die gleiche Politik ver¬
folgen würde wie dieser.

Nun läßt sich für eine Vereinigung Portugals mit Spanien freilich auch
vom Standpunkt eines unbefangenen Portugiesen noch mancherlei sagen. Por¬
tugal ist nur dem Namen nach ein unabhängiges Land, in Wahrheit aber nicht
viel mehr als eine Colonie Englands, welches seine Selbständigkeit einiger¬
maßen schützt und es dafür mit seinem Handel nach allen Richtungen hin aus¬
beutet. Es hat alle Lasten eines freien Landes zu tragen ohne das Gefühl,
daß diese Freiheit nach außen hin damit gesichert ist. Es unterhält ein Heer
und eine Flotte, aber wenn der Patron in London nicht zu seinen Gunsten
einschreitet, muß es sich Demüthigungen unterwerfen, welche die Grenze des
Erträglichen weit überschreiten. Man erinnere sich an den Vorfall von 1868.
wo Frankreich mit offner Gewalt einen weggenommenem französischen Sklaven¬
händler aus dem Tajo herausholte, der bereits den Gerichten übergeben war.


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[0229] aber weiter nichts als ein König, dessen Charakter und Lebensweise das Lob der Achtbarkeit verdienten, und der nach der Verfassung regierte, und das reicht nicht hin, die Massen zu begeistern, am wenigsten in Spanien. ' Auch von Seiten des portugiesischen Volks und DomPetros selbst erhoben sich Schwierigkeiten. Die Portugiesen sind mit den Spaniern verwandt, aber nicht dasselbe Volk und überdies infolge früherer Ereignisse ungefähr ebenso mit Antipathien gegen ihre Nachbarn erfüllt, wie die Dänen gegen die Schweden, so daß ein Vergleich Iberiens mit Italien nicht recht passen will. Dom Pedro aber würde die Krone von Iberien, wäre sie ihm angeboten worden, vielleicht nicht ausgeschlagen, seinerseits aber kaum etwas gewagt haben, sie zu erobern. Der stolze und gewaltthätige Charakter der Spanier war ihm unbequem. Ge¬ wöhnt, ein sanftes, gelehriges, nachgiebiges Geschlecht zu regieren, welches allerdings dreißig Jahre voll kleine Revolutionen durchgemacht hatte, aber ohne dabei viel Blut zu vergießen, schrak er vor den bluttriefenden Blättern der neuesten spanischen Geschichte, den massenhaften Füstlladen und Garottirungen besiegter Revolutionäre oder Reactionäre, welche sich bei den Nachbarn fast in jedem Jahrzehnt einige Mal wiederholten, zurück. Man darf mit Garrido, dem wir hier folgen, annehmen, daß die Portugiesen sich nicht widerseht haben würden, wenn ihr König die Initiative ergriffen hätte, sie mit den Spaniern in einen Staat zu vereinigen. Da der Antrag aber, wie die Dinge lagen, von den letztem ausgehen mußte, so würden die Portugiesen ungern darauf eingegangen sein, weil die Vereinigung in diesem Fall ein Aufgehen Portugals in Spanien gewesen wäre. Dom Luis. der Nachfolger Petros, erbte den guten Willen derer, die für die iberische Union waren. Seine Thronbesteigung aber änderte an der Lage der Dinge nichts; denn er hat denselben Charakter wie sein Bruder, und es ist daher anzunehmen, daß er unter gleichen Umständen die gleiche Politik ver¬ folgen würde wie dieser. Nun läßt sich für eine Vereinigung Portugals mit Spanien freilich auch vom Standpunkt eines unbefangenen Portugiesen noch mancherlei sagen. Por¬ tugal ist nur dem Namen nach ein unabhängiges Land, in Wahrheit aber nicht viel mehr als eine Colonie Englands, welches seine Selbständigkeit einiger¬ maßen schützt und es dafür mit seinem Handel nach allen Richtungen hin aus¬ beutet. Es hat alle Lasten eines freien Landes zu tragen ohne das Gefühl, daß diese Freiheit nach außen hin damit gesichert ist. Es unterhält ein Heer und eine Flotte, aber wenn der Patron in London nicht zu seinen Gunsten einschreitet, muß es sich Demüthigungen unterwerfen, welche die Grenze des Erträglichen weit überschreiten. Man erinnere sich an den Vorfall von 1868. wo Frankreich mit offner Gewalt einen weggenommenem französischen Sklaven¬ händler aus dem Tajo herausholte, der bereits den Gerichten übergeben war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/229>, abgerufen am 26.06.2024.