Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bourbon war der Partei, an die er sich wendete, ein Undenkbares und der
Gegenpartei, trotz seines von ihr im Stillen anerkannten Rechts auf den Thron,
mit seiner Gesinnung ein Greuel.

Der Herzog von Montpensier, an den man auch bisweilen gedacht hat,
da er mit der Schwester der Königin vermählt und liberal ist, hat gegenwärtig
durchaus keine Chancen: er ist, obwohl nun fast zwanzig Jahre in Spanien,
n"es heute durch und durch Franzose, und die Spanier wollen keinen Franzosen
auf ihrem Throne. Außerdem aber würde der Kaiser Napoleon schwerlich die
Krone eines mächtigen Nachbarstaats auf das Haupt eines Orleans gelangen
sehen, ohne sofort alle Mittel in Bewegung zu setzen, um das unbequeme und
wo nicht für ihn, doch für seinen Erben gefährliche Ereigniß ungeschehen
zu machen.

Unzweifelhaft größere Aussicht hatte der Gedanke, der 18S4 schon auf.
tauchte und seitdem von manchen Constitutionellen sowie von vielen Demokraten
festgehalten worden ist, die portugiesische Dynastie auch mit der Krone Spaniens
zu schmücken. Aber bei näherer Betrachtung erscheint auch dieser Plan wenig
praktisch; jedenfalls könnte er nur unter ganz besonders günstigen Conjuncturen
verwirklicht werden.

Hätte man 1854 den König Dom Pedro oder später dessen Nachfolger
auf den Thron von Spanien berufen können, so würde erstens das Problem
der iberischen Union, welche Manchen als lockendes Ziel vorschwebt, gelöst
und zweitens an die Stelle der Bourbonen ein Monarch gesetzt worden sein,
der geneigt gewesen wäre, eine freie Verfassung zu bewilligen und gewissenhaft
in Ehren zu halten. Die Vereinigung der beiden vielfach verwandten Völker
unter einem freisinnigen Fürsten würde die Möglichkeit einer absolutistischen
Restauration völlig ausschließen und andrerseits die Furcht vor einer demokra¬
tisch-socialen Revolution, welche jetzt viele Gemüther beunruhigt, aufheben. Die
iberische Halbinsel, die dadurch eine Macht ersten Ranges würde, wäre fortan
dem französischen und gleichermaßen dem englischen Einfluß entzogen. Spanien
und Portugal haben zusammen eine Bevölkerung von 22 Millionen aus dem
Continent und den benachbarten Inseln, und dazu kommen noch 13 Millionen
in den Colonien beider Länder.

Diese Vortheile haben die Staatsmänner, welche an eine solche Vereinigung
dachten, hervorgehoben, und in der That, sie lassen sich auf den ersten Blick
nicht bestreiten. Dennoch war 1864 kaum an Ausführung dieses Plans zu
denken. Zunächst kannte die große Masse in Spanien den König von Portugal
nicht, konnte also auch keine Vorliebe für ihn hegen, zumal sie überhaupt nicht
grade geneigt ist, einen Fremden über sich herrschen zu sehen. Etwas Anderes
wäre es gewesen, wenn Dom Pedro durch irgendein Aufsehen erregendes
Unternehmen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hätte. Er War


Bourbon war der Partei, an die er sich wendete, ein Undenkbares und der
Gegenpartei, trotz seines von ihr im Stillen anerkannten Rechts auf den Thron,
mit seiner Gesinnung ein Greuel.

Der Herzog von Montpensier, an den man auch bisweilen gedacht hat,
da er mit der Schwester der Königin vermählt und liberal ist, hat gegenwärtig
durchaus keine Chancen: er ist, obwohl nun fast zwanzig Jahre in Spanien,
n»es heute durch und durch Franzose, und die Spanier wollen keinen Franzosen
auf ihrem Throne. Außerdem aber würde der Kaiser Napoleon schwerlich die
Krone eines mächtigen Nachbarstaats auf das Haupt eines Orleans gelangen
sehen, ohne sofort alle Mittel in Bewegung zu setzen, um das unbequeme und
wo nicht für ihn, doch für seinen Erben gefährliche Ereigniß ungeschehen
zu machen.

Unzweifelhaft größere Aussicht hatte der Gedanke, der 18S4 schon auf.
tauchte und seitdem von manchen Constitutionellen sowie von vielen Demokraten
festgehalten worden ist, die portugiesische Dynastie auch mit der Krone Spaniens
zu schmücken. Aber bei näherer Betrachtung erscheint auch dieser Plan wenig
praktisch; jedenfalls könnte er nur unter ganz besonders günstigen Conjuncturen
verwirklicht werden.

Hätte man 1854 den König Dom Pedro oder später dessen Nachfolger
auf den Thron von Spanien berufen können, so würde erstens das Problem
der iberischen Union, welche Manchen als lockendes Ziel vorschwebt, gelöst
und zweitens an die Stelle der Bourbonen ein Monarch gesetzt worden sein,
der geneigt gewesen wäre, eine freie Verfassung zu bewilligen und gewissenhaft
in Ehren zu halten. Die Vereinigung der beiden vielfach verwandten Völker
unter einem freisinnigen Fürsten würde die Möglichkeit einer absolutistischen
Restauration völlig ausschließen und andrerseits die Furcht vor einer demokra¬
tisch-socialen Revolution, welche jetzt viele Gemüther beunruhigt, aufheben. Die
iberische Halbinsel, die dadurch eine Macht ersten Ranges würde, wäre fortan
dem französischen und gleichermaßen dem englischen Einfluß entzogen. Spanien
und Portugal haben zusammen eine Bevölkerung von 22 Millionen aus dem
Continent und den benachbarten Inseln, und dazu kommen noch 13 Millionen
in den Colonien beider Länder.

Diese Vortheile haben die Staatsmänner, welche an eine solche Vereinigung
dachten, hervorgehoben, und in der That, sie lassen sich auf den ersten Blick
nicht bestreiten. Dennoch war 1864 kaum an Ausführung dieses Plans zu
denken. Zunächst kannte die große Masse in Spanien den König von Portugal
nicht, konnte also auch keine Vorliebe für ihn hegen, zumal sie überhaupt nicht
grade geneigt ist, einen Fremden über sich herrschen zu sehen. Etwas Anderes
wäre es gewesen, wenn Dom Pedro durch irgendein Aufsehen erregendes
Unternehmen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hätte. Er War


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0228" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284698"/>
          <p xml:id="ID_800" prev="#ID_799"> Bourbon war der Partei, an die er sich wendete, ein Undenkbares und der<lb/>
Gegenpartei, trotz seines von ihr im Stillen anerkannten Rechts auf den Thron,<lb/>
mit seiner Gesinnung ein Greuel.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_801"> Der Herzog von Montpensier, an den man auch bisweilen gedacht hat,<lb/>
da er mit der Schwester der Königin vermählt und liberal ist, hat gegenwärtig<lb/>
durchaus keine Chancen: er ist, obwohl nun fast zwanzig Jahre in Spanien,<lb/>
n»es heute durch und durch Franzose, und die Spanier wollen keinen Franzosen<lb/>
auf ihrem Throne. Außerdem aber würde der Kaiser Napoleon schwerlich die<lb/>
Krone eines mächtigen Nachbarstaats auf das Haupt eines Orleans gelangen<lb/>
sehen, ohne sofort alle Mittel in Bewegung zu setzen, um das unbequeme und<lb/>
wo nicht für ihn, doch für seinen Erben gefährliche Ereigniß ungeschehen<lb/>
zu machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_802"> Unzweifelhaft größere Aussicht hatte der Gedanke, der 18S4 schon auf.<lb/>
tauchte und seitdem von manchen Constitutionellen sowie von vielen Demokraten<lb/>
festgehalten worden ist, die portugiesische Dynastie auch mit der Krone Spaniens<lb/>
zu schmücken. Aber bei näherer Betrachtung erscheint auch dieser Plan wenig<lb/>
praktisch; jedenfalls könnte er nur unter ganz besonders günstigen Conjuncturen<lb/>
verwirklicht werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_803"> Hätte man 1854 den König Dom Pedro oder später dessen Nachfolger<lb/>
auf den Thron von Spanien berufen können, so würde erstens das Problem<lb/>
der iberischen Union, welche Manchen als lockendes Ziel vorschwebt, gelöst<lb/>
und zweitens an die Stelle der Bourbonen ein Monarch gesetzt worden sein,<lb/>
der geneigt gewesen wäre, eine freie Verfassung zu bewilligen und gewissenhaft<lb/>
in Ehren zu halten. Die Vereinigung der beiden vielfach verwandten Völker<lb/>
unter einem freisinnigen Fürsten würde die Möglichkeit einer absolutistischen<lb/>
Restauration völlig ausschließen und andrerseits die Furcht vor einer demokra¬<lb/>
tisch-socialen Revolution, welche jetzt viele Gemüther beunruhigt, aufheben. Die<lb/>
iberische Halbinsel, die dadurch eine Macht ersten Ranges würde, wäre fortan<lb/>
dem französischen und gleichermaßen dem englischen Einfluß entzogen. Spanien<lb/>
und Portugal haben zusammen eine Bevölkerung von 22 Millionen aus dem<lb/>
Continent und den benachbarten Inseln, und dazu kommen noch 13 Millionen<lb/>
in den Colonien beider Länder.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_804" next="#ID_805"> Diese Vortheile haben die Staatsmänner, welche an eine solche Vereinigung<lb/>
dachten, hervorgehoben, und in der That, sie lassen sich auf den ersten Blick<lb/>
nicht bestreiten. Dennoch war 1864 kaum an Ausführung dieses Plans zu<lb/>
denken. Zunächst kannte die große Masse in Spanien den König von Portugal<lb/>
nicht, konnte also auch keine Vorliebe für ihn hegen, zumal sie überhaupt nicht<lb/>
grade geneigt ist, einen Fremden über sich herrschen zu sehen. Etwas Anderes<lb/>
wäre es gewesen, wenn Dom Pedro durch irgendein Aufsehen erregendes<lb/>
Unternehmen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hätte.  Er War</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0228] Bourbon war der Partei, an die er sich wendete, ein Undenkbares und der Gegenpartei, trotz seines von ihr im Stillen anerkannten Rechts auf den Thron, mit seiner Gesinnung ein Greuel. Der Herzog von Montpensier, an den man auch bisweilen gedacht hat, da er mit der Schwester der Königin vermählt und liberal ist, hat gegenwärtig durchaus keine Chancen: er ist, obwohl nun fast zwanzig Jahre in Spanien, n»es heute durch und durch Franzose, und die Spanier wollen keinen Franzosen auf ihrem Throne. Außerdem aber würde der Kaiser Napoleon schwerlich die Krone eines mächtigen Nachbarstaats auf das Haupt eines Orleans gelangen sehen, ohne sofort alle Mittel in Bewegung zu setzen, um das unbequeme und wo nicht für ihn, doch für seinen Erben gefährliche Ereigniß ungeschehen zu machen. Unzweifelhaft größere Aussicht hatte der Gedanke, der 18S4 schon auf. tauchte und seitdem von manchen Constitutionellen sowie von vielen Demokraten festgehalten worden ist, die portugiesische Dynastie auch mit der Krone Spaniens zu schmücken. Aber bei näherer Betrachtung erscheint auch dieser Plan wenig praktisch; jedenfalls könnte er nur unter ganz besonders günstigen Conjuncturen verwirklicht werden. Hätte man 1854 den König Dom Pedro oder später dessen Nachfolger auf den Thron von Spanien berufen können, so würde erstens das Problem der iberischen Union, welche Manchen als lockendes Ziel vorschwebt, gelöst und zweitens an die Stelle der Bourbonen ein Monarch gesetzt worden sein, der geneigt gewesen wäre, eine freie Verfassung zu bewilligen und gewissenhaft in Ehren zu halten. Die Vereinigung der beiden vielfach verwandten Völker unter einem freisinnigen Fürsten würde die Möglichkeit einer absolutistischen Restauration völlig ausschließen und andrerseits die Furcht vor einer demokra¬ tisch-socialen Revolution, welche jetzt viele Gemüther beunruhigt, aufheben. Die iberische Halbinsel, die dadurch eine Macht ersten Ranges würde, wäre fortan dem französischen und gleichermaßen dem englischen Einfluß entzogen. Spanien und Portugal haben zusammen eine Bevölkerung von 22 Millionen aus dem Continent und den benachbarten Inseln, und dazu kommen noch 13 Millionen in den Colonien beider Länder. Diese Vortheile haben die Staatsmänner, welche an eine solche Vereinigung dachten, hervorgehoben, und in der That, sie lassen sich auf den ersten Blick nicht bestreiten. Dennoch war 1864 kaum an Ausführung dieses Plans zu denken. Zunächst kannte die große Masse in Spanien den König von Portugal nicht, konnte also auch keine Vorliebe für ihn hegen, zumal sie überhaupt nicht grade geneigt ist, einen Fremden über sich herrschen zu sehen. Etwas Anderes wäre es gewesen, wenn Dom Pedro durch irgendein Aufsehen erregendes Unternehmen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hätte. Er War

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/228
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/228>, abgerufen am 26.06.2024.