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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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belief sich somit auf etwa 230,000, so daß im Verhältniß zu der Bevölkerung
ein Abnehmer auf 64 Köpfe kam. Die größten Zeitungen hatten zwischen 16 und
23,000 Abonnenten. Von den Journalen, welche nicht Organe der Regierung
waren, erschienen 62 in den Seehafenstädten, und von den übrigen fielen 38
auf Madrid; in den ackerbautreibenden und industriellen Gegenden des Innern
gab es nur 19.

Im Folgenden eine Uebersicht der madrider Presse im Jahr 1862 nach der
politischen Farbe der einzelnen Blätter:

Zur Regierung hielten sich 6 Zeitungen mit circa 39,000 Abonnenten:
El Constitucional, La Epoca, Le Diario Espagnol, La Verdad, La Correspon-
dencia und La Gazeta Official.

Der neukatholischen, d. h. ultramontanen Opposition dienten 4 Blätter
mit ungefähr 13.000 Abnehmern: La Espana, El Pensamiento Espagnol, La
Regeneracion und La Esperanza.

Die gemäßigte Opposition (Moderado-Partei) vertraten 5 Zeitungen und
Revüen mit etwa 6000 Abonnenten: El Remo, El Contemperaneo, La Cronica,
La Verdad und La Cronica de Ambos Mundos.

Progressistische Blätter hatte man 3 mit 16,000 Abnehmern: El Clamor
Publico, Novedades und Iberia.

Die demokratische Partei endlich hatte La Discusston und El Pueblo zu
Organen, die zusammen gegen 6000 Abnehmer zählten.

Der bei weitem größte Theil der Abonnenten ist als dem politischen Pro¬
gramm der betreffenden Zeitung zugethan zu betrachten; eine gewisse Zahl der
Abnehmer aber kann man als neutrale bezeichnen, so die öffentlichen Anstalten,
Erholungsgesellschaften. Kasinos, Clubs und Kaffeehäuser, die jedem der be¬
deutenden Blätter circa tausend Abonnements zuführen.

Hieran anknüpfend kommen wir noch einmal auf die spanischen Parteien
zurück. Wir haben in v. Ur. zu zeigen versucht, daß der Absolutismus und
der mittelalterliche Katholicismus die Hauptursachen des Verfalls Spaniens ge¬
wesen sind, und daß Wiedererstarkung des letzteren ungefähr im gleichen Verhältniß
mit der Schwächung der Krone und der Kirche vor sich gegangen ist. Man hat
ferner gesehen', daß in Spanien von einer stetig fortschreitenden Reform nicht
wohl die Rede sein kann, sondern daß es die Revolution ist, die dort das po¬
litische Leben des Volkes ausmacht, und daß ruhige Perioden, wie sie das
Talent O'Donnels herbeigeführt hat, nichts Anderes als Waffenstillstande zwischen
den Extremen sind, die, sobald sie sich, wie oft schon auf kurze Zeit geschehen,
in ihrem gemeinsamen und gleichstarken Haß gegen die Mittelpartei verbinden,
stets stärker als diese sind. Es wurde sodann gezeigt, daß die Bourbonen sich
dem Repräsentativsystem zwar aus Noth anbequemt, es aber nie im Ernst an¬
genommen haben und eS vermuthlich auch nie aufrichtig gut heißen, nie im


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belief sich somit auf etwa 230,000, so daß im Verhältniß zu der Bevölkerung
ein Abnehmer auf 64 Köpfe kam. Die größten Zeitungen hatten zwischen 16 und
23,000 Abonnenten. Von den Journalen, welche nicht Organe der Regierung
waren, erschienen 62 in den Seehafenstädten, und von den übrigen fielen 38
auf Madrid; in den ackerbautreibenden und industriellen Gegenden des Innern
gab es nur 19.

Im Folgenden eine Uebersicht der madrider Presse im Jahr 1862 nach der
politischen Farbe der einzelnen Blätter:

Zur Regierung hielten sich 6 Zeitungen mit circa 39,000 Abonnenten:
El Constitucional, La Epoca, Le Diario Espagnol, La Verdad, La Correspon-
dencia und La Gazeta Official.

Der neukatholischen, d. h. ultramontanen Opposition dienten 4 Blätter
mit ungefähr 13.000 Abnehmern: La Espana, El Pensamiento Espagnol, La
Regeneracion und La Esperanza.

Die gemäßigte Opposition (Moderado-Partei) vertraten 5 Zeitungen und
Revüen mit etwa 6000 Abonnenten: El Remo, El Contemperaneo, La Cronica,
La Verdad und La Cronica de Ambos Mundos.

Progressistische Blätter hatte man 3 mit 16,000 Abnehmern: El Clamor
Publico, Novedades und Iberia.

Die demokratische Partei endlich hatte La Discusston und El Pueblo zu
Organen, die zusammen gegen 6000 Abnehmer zählten.

Der bei weitem größte Theil der Abonnenten ist als dem politischen Pro¬
gramm der betreffenden Zeitung zugethan zu betrachten; eine gewisse Zahl der
Abnehmer aber kann man als neutrale bezeichnen, so die öffentlichen Anstalten,
Erholungsgesellschaften. Kasinos, Clubs und Kaffeehäuser, die jedem der be¬
deutenden Blätter circa tausend Abonnements zuführen.

Hieran anknüpfend kommen wir noch einmal auf die spanischen Parteien
zurück. Wir haben in v. Ur. zu zeigen versucht, daß der Absolutismus und
der mittelalterliche Katholicismus die Hauptursachen des Verfalls Spaniens ge¬
wesen sind, und daß Wiedererstarkung des letzteren ungefähr im gleichen Verhältniß
mit der Schwächung der Krone und der Kirche vor sich gegangen ist. Man hat
ferner gesehen', daß in Spanien von einer stetig fortschreitenden Reform nicht
wohl die Rede sein kann, sondern daß es die Revolution ist, die dort das po¬
litische Leben des Volkes ausmacht, und daß ruhige Perioden, wie sie das
Talent O'Donnels herbeigeführt hat, nichts Anderes als Waffenstillstande zwischen
den Extremen sind, die, sobald sie sich, wie oft schon auf kurze Zeit geschehen,
in ihrem gemeinsamen und gleichstarken Haß gegen die Mittelpartei verbinden,
stets stärker als diese sind. Es wurde sodann gezeigt, daß die Bourbonen sich
dem Repräsentativsystem zwar aus Noth anbequemt, es aber nie im Ernst an¬
genommen haben und eS vermuthlich auch nie aufrichtig gut heißen, nie im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/225>, abgerufen am 26.06.2024.