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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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vollkommen zuwider ist. indem sich im Verhältniß der Menge der Assoeiirten
die Gefahr vermindert und der Gewinn erhöht. Alle Vereine, auch die, welche
sich auf gegenseitige Unterstützung in Krankheitsfällen beschränken, bedürfen der
Erlaubniß der Behörde und müssen dieser periodisch Einsicht in ihre Bücher
gestatten. Alle gemeinsamen Beschlüsse auf Arbeitseinstellung, auf Erhöhung
der Löhne oder auf Verminderung der Arbeitsstunden sind streng verboten.

Der einzige Erfolg dieser Behinderungen ist, daß die Arbeiter, denen die
öffentliche Vereinigung verwehrt wird, sich zu geheimen Gesellschaften zusammen¬
thun, und daß eine Handelskrisis, durch welche die Fabriken zum Stocken ge¬
bracht werden, eine Masse von Menschen völlig mittellos auf die Straße wirft,
weil sie davon abgehalten worden sind, sich zu associiren und Ersparnisse zu
machen. Die geheimen Arbeitergesellschaften zählten 1885 in Catalonien allein
gegen- 90,000 Mitglieder, und an 50,000 derselben verließen eines Tages ihre
Werkstätten wie auf einen Schlag, ohne daß die Regierung eine Ahnung da¬
von gehabt hätte.

Die spanische Presse, die wir nun kurz charakterisiren wollen, ist nicht
ganz, was sie sein könnte. Man hat nur halbe Preßfreiheit, und das Gesetz
legt den Journalen allerlei sehr unbequeme Hindernisse in den Weg. Zur Be¬
gründung einer Zeitung oder Zeitschrift bedarf es der Genehmigung des
Ministeriums. Ferner hat der Herausgeber bei einem Blatt ersten Ranges in
Madrid und einer Anzahl andrer großer Städte eine Kaution zu stellen, die
nach preußischem Geld circa 21,000 Thaler beträgt, und einen verantwortlichen
Redacteur zu nennen, der 140 Thaler Pr. an directen Abgaben zahlt. Unter
der Herschaft der Neukatholiken, 1863 bis Mitte 1866, war factisch sogar eine
. Art Censur für religiöse und politische Dinge wieder eingeführt, obwohl die Ver¬
fassung dieselbe ausdrücklich verbot. Alle Artikel müssen unterzeichnet werden.
Und zu alledem kommen noch äußerliche Schwierigkeiten, wie der hohe Preis des
Papiers, welches hier 25 Procent theurer ist als in Frankreich, und der Mangel
an Handels- und Wechselverkehr in den kleineren Ortschaften, welcher die Einziehung
von Zahlungen erschwert. Trotzdem hat die Presse in Spanien tiefe Wurzeln
geschlagen und ist zu einem täglichen Bedürfniß in weiten Kreisen geworden.

1862 hatte das Land 279 Zeitungen, von denen die meisten aus Madrid und
Neukastilien, Catalonien, Andalusien, Granada, Valencia und Murcia kamen, und
unter welchen sich 62 politische Tagesblätter befanden. 52 waren religiöse, die
den Bischöfen gehörten, 58 Organe der Regierung, 93 beschäftigten sich mit
wissenschaftlichen Gegenständen, Ackerbau, Industrie, Kreditwesen. Volkswirth-
schaft und schöner Literatur. Die 62 politischen Zeitungen hatten ungefähr
124.000 Abonnenten, die 58 Regierungsblätter circa 35.000. die religiösen
Journale und Zeitschriften etwa 16,000, die nichtpolitischen mit Abrechnung
der eben genannten gegen 65,000. Die Gesamtsumme der Zeitungsabonnenten


vollkommen zuwider ist. indem sich im Verhältniß der Menge der Assoeiirten
die Gefahr vermindert und der Gewinn erhöht. Alle Vereine, auch die, welche
sich auf gegenseitige Unterstützung in Krankheitsfällen beschränken, bedürfen der
Erlaubniß der Behörde und müssen dieser periodisch Einsicht in ihre Bücher
gestatten. Alle gemeinsamen Beschlüsse auf Arbeitseinstellung, auf Erhöhung
der Löhne oder auf Verminderung der Arbeitsstunden sind streng verboten.

Der einzige Erfolg dieser Behinderungen ist, daß die Arbeiter, denen die
öffentliche Vereinigung verwehrt wird, sich zu geheimen Gesellschaften zusammen¬
thun, und daß eine Handelskrisis, durch welche die Fabriken zum Stocken ge¬
bracht werden, eine Masse von Menschen völlig mittellos auf die Straße wirft,
weil sie davon abgehalten worden sind, sich zu associiren und Ersparnisse zu
machen. Die geheimen Arbeitergesellschaften zählten 1885 in Catalonien allein
gegen- 90,000 Mitglieder, und an 50,000 derselben verließen eines Tages ihre
Werkstätten wie auf einen Schlag, ohne daß die Regierung eine Ahnung da¬
von gehabt hätte.

Die spanische Presse, die wir nun kurz charakterisiren wollen, ist nicht
ganz, was sie sein könnte. Man hat nur halbe Preßfreiheit, und das Gesetz
legt den Journalen allerlei sehr unbequeme Hindernisse in den Weg. Zur Be¬
gründung einer Zeitung oder Zeitschrift bedarf es der Genehmigung des
Ministeriums. Ferner hat der Herausgeber bei einem Blatt ersten Ranges in
Madrid und einer Anzahl andrer großer Städte eine Kaution zu stellen, die
nach preußischem Geld circa 21,000 Thaler beträgt, und einen verantwortlichen
Redacteur zu nennen, der 140 Thaler Pr. an directen Abgaben zahlt. Unter
der Herschaft der Neukatholiken, 1863 bis Mitte 1866, war factisch sogar eine
. Art Censur für religiöse und politische Dinge wieder eingeführt, obwohl die Ver¬
fassung dieselbe ausdrücklich verbot. Alle Artikel müssen unterzeichnet werden.
Und zu alledem kommen noch äußerliche Schwierigkeiten, wie der hohe Preis des
Papiers, welches hier 25 Procent theurer ist als in Frankreich, und der Mangel
an Handels- und Wechselverkehr in den kleineren Ortschaften, welcher die Einziehung
von Zahlungen erschwert. Trotzdem hat die Presse in Spanien tiefe Wurzeln
geschlagen und ist zu einem täglichen Bedürfniß in weiten Kreisen geworden.

1862 hatte das Land 279 Zeitungen, von denen die meisten aus Madrid und
Neukastilien, Catalonien, Andalusien, Granada, Valencia und Murcia kamen, und
unter welchen sich 62 politische Tagesblätter befanden. 52 waren religiöse, die
den Bischöfen gehörten, 58 Organe der Regierung, 93 beschäftigten sich mit
wissenschaftlichen Gegenständen, Ackerbau, Industrie, Kreditwesen. Volkswirth-
schaft und schöner Literatur. Die 62 politischen Zeitungen hatten ungefähr
124.000 Abonnenten, die 58 Regierungsblätter circa 35.000. die religiösen
Journale und Zeitschriften etwa 16,000, die nichtpolitischen mit Abrechnung
der eben genannten gegen 65,000. Die Gesamtsumme der Zeitungsabonnenten


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[0224] vollkommen zuwider ist. indem sich im Verhältniß der Menge der Assoeiirten die Gefahr vermindert und der Gewinn erhöht. Alle Vereine, auch die, welche sich auf gegenseitige Unterstützung in Krankheitsfällen beschränken, bedürfen der Erlaubniß der Behörde und müssen dieser periodisch Einsicht in ihre Bücher gestatten. Alle gemeinsamen Beschlüsse auf Arbeitseinstellung, auf Erhöhung der Löhne oder auf Verminderung der Arbeitsstunden sind streng verboten. Der einzige Erfolg dieser Behinderungen ist, daß die Arbeiter, denen die öffentliche Vereinigung verwehrt wird, sich zu geheimen Gesellschaften zusammen¬ thun, und daß eine Handelskrisis, durch welche die Fabriken zum Stocken ge¬ bracht werden, eine Masse von Menschen völlig mittellos auf die Straße wirft, weil sie davon abgehalten worden sind, sich zu associiren und Ersparnisse zu machen. Die geheimen Arbeitergesellschaften zählten 1885 in Catalonien allein gegen- 90,000 Mitglieder, und an 50,000 derselben verließen eines Tages ihre Werkstätten wie auf einen Schlag, ohne daß die Regierung eine Ahnung da¬ von gehabt hätte. Die spanische Presse, die wir nun kurz charakterisiren wollen, ist nicht ganz, was sie sein könnte. Man hat nur halbe Preßfreiheit, und das Gesetz legt den Journalen allerlei sehr unbequeme Hindernisse in den Weg. Zur Be¬ gründung einer Zeitung oder Zeitschrift bedarf es der Genehmigung des Ministeriums. Ferner hat der Herausgeber bei einem Blatt ersten Ranges in Madrid und einer Anzahl andrer großer Städte eine Kaution zu stellen, die nach preußischem Geld circa 21,000 Thaler beträgt, und einen verantwortlichen Redacteur zu nennen, der 140 Thaler Pr. an directen Abgaben zahlt. Unter der Herschaft der Neukatholiken, 1863 bis Mitte 1866, war factisch sogar eine . Art Censur für religiöse und politische Dinge wieder eingeführt, obwohl die Ver¬ fassung dieselbe ausdrücklich verbot. Alle Artikel müssen unterzeichnet werden. Und zu alledem kommen noch äußerliche Schwierigkeiten, wie der hohe Preis des Papiers, welches hier 25 Procent theurer ist als in Frankreich, und der Mangel an Handels- und Wechselverkehr in den kleineren Ortschaften, welcher die Einziehung von Zahlungen erschwert. Trotzdem hat die Presse in Spanien tiefe Wurzeln geschlagen und ist zu einem täglichen Bedürfniß in weiten Kreisen geworden. 1862 hatte das Land 279 Zeitungen, von denen die meisten aus Madrid und Neukastilien, Catalonien, Andalusien, Granada, Valencia und Murcia kamen, und unter welchen sich 62 politische Tagesblätter befanden. 52 waren religiöse, die den Bischöfen gehörten, 58 Organe der Regierung, 93 beschäftigten sich mit wissenschaftlichen Gegenständen, Ackerbau, Industrie, Kreditwesen. Volkswirth- schaft und schöner Literatur. Die 62 politischen Zeitungen hatten ungefähr 124.000 Abonnenten, die 58 Regierungsblätter circa 35.000. die religiösen Journale und Zeitschriften etwa 16,000, die nichtpolitischen mit Abrechnung der eben genannten gegen 65,000. Die Gesamtsumme der Zeitungsabonnenten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/224>, abgerufen am 22.12.2024.