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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Kilometer Eisenbahnen im Lande, 1862, nachdem man besonders in den zu¬
nächst vorhergehenden fünf Jahren eifrig gebaut hatte, bereits 1606 Kilometer.
Seitdem sind weitere Strecken vollendet worden, und bald wird jede geeignete
Gegend von Schienensträngen durchzogen sein. 1834 bekam Spanien die erste
Telegraphenlinie, 1868 hatte es mit 6,330 Kilometern bereits mehr als halb
so viel telegraphische Communication wie Frankreich und über 800 Kilometer
mehr als Preußen.

Nachdem ein verständiges Gesetz der 1864 zur Regierung gelangten Liberalen
die Errichtung von Banken gestattet, hatte Spanien 1858 solcher Institute be¬
reits eine beträchtliche Anzahl: neben der Bank von Spanien, welche einen
Notenumlauf von mehr als 280 Millionen Realen hatte, gab es Banken in
Barcelona. Cadiz, Malaga, Sevilla, Valladolid, Saragossa, Bilbao, San-
tander, Corunna und Jcrez, zusammen mit einer Notencirculation von mehr
als 138 Millionen. Dazu kamen in letzterwähnten Jahr drei große Credit¬
gesellschaften in Madrid, drei in Barcelona, eine in Valencia, mehre Ver-
sicherungs-, Discontirungs- und andere Actiengesellschaften, und zu Ende 1869
hatte Spanien bereits 103 solcher Institute, zusammen mit einem Capital von
4,212,973.000 Realen oder circa 298 Millionen Thalern Pr.

Endlich haben sich auch Sparkassen in die Poesie des alten Spanien ein¬
gedrängt. Sie sind allerdings noch nicht entfernt so zahlreich wie in länger
der wahren Civilisation erschlossnen Ländern, aber es ist ein guter Anfang mit
ihnen gemacht. 1869 gab es deren schon 10 mit 26,906 Einlegern und Ein¬
lagen im Betrag von mehr als 46 Millionen Realen. Namentlich kleine Hand¬
werker und Tagelöhner. Bergleute und Frauen benutzten sie, und die letztge¬
nannte Classe bildete fast ein Drittel der Einleger.

Noch wird viel gebettelt, aber die Lage der niedern Classe ist doch, wenigstens
in den Städten, erheblich besser geworden, da die Nachfrage nach Arbeitern
und mit dieser die Löhne bedeutend gestiegen sind. Die arbeitende Bevölkerung
der größeren Orte würde sich noch vortheilhafter stellen können, wenn sie über¬
all Associationen in der Weise wie die deutschen, englischen und französischen
Arbeiter gründeten, und in der That hat man in Madrid und Barcelona sowie
in einigen andern Städten Versuche der Art unternommen und Gesellschaften
errichtet, die den Zweck haben, Lebensmittel im Großen einzukaufen und sie
zum Kaufpreise unter die Vereinigten zu vertheilen, ja man hat auch hier schon
den weiteren Schritt zu Productivgenosfenschaften gethan. Allein die Regierung,
die den arbeitenden Classen nicht traut, legte bisher der Entwicklung der ge¬
dachten Institute allerlei Hindernisse in den Weg. Zunächst die Verpflichtung
zu kaufmännischer Buchhaltung, bei welcher die Bücher in Spanien Blatt für
Blatt gestempelt werden müssen. Dann dürfen Gesellschaften dieser Gattung
gesetzlich nicht über 500 Mitglieder zählen, was dem Wesen der Gegenseitigkeit


Kilometer Eisenbahnen im Lande, 1862, nachdem man besonders in den zu¬
nächst vorhergehenden fünf Jahren eifrig gebaut hatte, bereits 1606 Kilometer.
Seitdem sind weitere Strecken vollendet worden, und bald wird jede geeignete
Gegend von Schienensträngen durchzogen sein. 1834 bekam Spanien die erste
Telegraphenlinie, 1868 hatte es mit 6,330 Kilometern bereits mehr als halb
so viel telegraphische Communication wie Frankreich und über 800 Kilometer
mehr als Preußen.

Nachdem ein verständiges Gesetz der 1864 zur Regierung gelangten Liberalen
die Errichtung von Banken gestattet, hatte Spanien 1858 solcher Institute be¬
reits eine beträchtliche Anzahl: neben der Bank von Spanien, welche einen
Notenumlauf von mehr als 280 Millionen Realen hatte, gab es Banken in
Barcelona. Cadiz, Malaga, Sevilla, Valladolid, Saragossa, Bilbao, San-
tander, Corunna und Jcrez, zusammen mit einer Notencirculation von mehr
als 138 Millionen. Dazu kamen in letzterwähnten Jahr drei große Credit¬
gesellschaften in Madrid, drei in Barcelona, eine in Valencia, mehre Ver-
sicherungs-, Discontirungs- und andere Actiengesellschaften, und zu Ende 1869
hatte Spanien bereits 103 solcher Institute, zusammen mit einem Capital von
4,212,973.000 Realen oder circa 298 Millionen Thalern Pr.

Endlich haben sich auch Sparkassen in die Poesie des alten Spanien ein¬
gedrängt. Sie sind allerdings noch nicht entfernt so zahlreich wie in länger
der wahren Civilisation erschlossnen Ländern, aber es ist ein guter Anfang mit
ihnen gemacht. 1869 gab es deren schon 10 mit 26,906 Einlegern und Ein¬
lagen im Betrag von mehr als 46 Millionen Realen. Namentlich kleine Hand¬
werker und Tagelöhner. Bergleute und Frauen benutzten sie, und die letztge¬
nannte Classe bildete fast ein Drittel der Einleger.

Noch wird viel gebettelt, aber die Lage der niedern Classe ist doch, wenigstens
in den Städten, erheblich besser geworden, da die Nachfrage nach Arbeitern
und mit dieser die Löhne bedeutend gestiegen sind. Die arbeitende Bevölkerung
der größeren Orte würde sich noch vortheilhafter stellen können, wenn sie über¬
all Associationen in der Weise wie die deutschen, englischen und französischen
Arbeiter gründeten, und in der That hat man in Madrid und Barcelona sowie
in einigen andern Städten Versuche der Art unternommen und Gesellschaften
errichtet, die den Zweck haben, Lebensmittel im Großen einzukaufen und sie
zum Kaufpreise unter die Vereinigten zu vertheilen, ja man hat auch hier schon
den weiteren Schritt zu Productivgenosfenschaften gethan. Allein die Regierung,
die den arbeitenden Classen nicht traut, legte bisher der Entwicklung der ge¬
dachten Institute allerlei Hindernisse in den Weg. Zunächst die Verpflichtung
zu kaufmännischer Buchhaltung, bei welcher die Bücher in Spanien Blatt für
Blatt gestempelt werden müssen. Dann dürfen Gesellschaften dieser Gattung
gesetzlich nicht über 500 Mitglieder zählen, was dem Wesen der Gegenseitigkeit


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[0223] Kilometer Eisenbahnen im Lande, 1862, nachdem man besonders in den zu¬ nächst vorhergehenden fünf Jahren eifrig gebaut hatte, bereits 1606 Kilometer. Seitdem sind weitere Strecken vollendet worden, und bald wird jede geeignete Gegend von Schienensträngen durchzogen sein. 1834 bekam Spanien die erste Telegraphenlinie, 1868 hatte es mit 6,330 Kilometern bereits mehr als halb so viel telegraphische Communication wie Frankreich und über 800 Kilometer mehr als Preußen. Nachdem ein verständiges Gesetz der 1864 zur Regierung gelangten Liberalen die Errichtung von Banken gestattet, hatte Spanien 1858 solcher Institute be¬ reits eine beträchtliche Anzahl: neben der Bank von Spanien, welche einen Notenumlauf von mehr als 280 Millionen Realen hatte, gab es Banken in Barcelona. Cadiz, Malaga, Sevilla, Valladolid, Saragossa, Bilbao, San- tander, Corunna und Jcrez, zusammen mit einer Notencirculation von mehr als 138 Millionen. Dazu kamen in letzterwähnten Jahr drei große Credit¬ gesellschaften in Madrid, drei in Barcelona, eine in Valencia, mehre Ver- sicherungs-, Discontirungs- und andere Actiengesellschaften, und zu Ende 1869 hatte Spanien bereits 103 solcher Institute, zusammen mit einem Capital von 4,212,973.000 Realen oder circa 298 Millionen Thalern Pr. Endlich haben sich auch Sparkassen in die Poesie des alten Spanien ein¬ gedrängt. Sie sind allerdings noch nicht entfernt so zahlreich wie in länger der wahren Civilisation erschlossnen Ländern, aber es ist ein guter Anfang mit ihnen gemacht. 1869 gab es deren schon 10 mit 26,906 Einlegern und Ein¬ lagen im Betrag von mehr als 46 Millionen Realen. Namentlich kleine Hand¬ werker und Tagelöhner. Bergleute und Frauen benutzten sie, und die letztge¬ nannte Classe bildete fast ein Drittel der Einleger. Noch wird viel gebettelt, aber die Lage der niedern Classe ist doch, wenigstens in den Städten, erheblich besser geworden, da die Nachfrage nach Arbeitern und mit dieser die Löhne bedeutend gestiegen sind. Die arbeitende Bevölkerung der größeren Orte würde sich noch vortheilhafter stellen können, wenn sie über¬ all Associationen in der Weise wie die deutschen, englischen und französischen Arbeiter gründeten, und in der That hat man in Madrid und Barcelona sowie in einigen andern Städten Versuche der Art unternommen und Gesellschaften errichtet, die den Zweck haben, Lebensmittel im Großen einzukaufen und sie zum Kaufpreise unter die Vereinigten zu vertheilen, ja man hat auch hier schon den weiteren Schritt zu Productivgenosfenschaften gethan. Allein die Regierung, die den arbeitenden Classen nicht traut, legte bisher der Entwicklung der ge¬ dachten Institute allerlei Hindernisse in den Weg. Zunächst die Verpflichtung zu kaufmännischer Buchhaltung, bei welcher die Bücher in Spanien Blatt für Blatt gestempelt werden müssen. Dann dürfen Gesellschaften dieser Gattung gesetzlich nicht über 500 Mitglieder zählen, was dem Wesen der Gegenseitigkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/223>, abgerufen am 26.06.2024.