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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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den Mönchen!" und begrüßte die Kutten ohne Rücksicht auf die Gegenwart
Ihrer Majestät und deren Leibgarde mit Steinwürfen, so daß Königin und
Mönche in aller Eile die Kirche verließen."

Ein Gesetz hat den öffentlichen Unterricht geordnet. Der Elementarunter¬
richt ist obligatorisch und wird armen Kindern umsonst ertheilt. Es giebt höhere
Bürgerschulen, in denen unter anderm Latein und die Elemente des Griechischen,
Geschichte, Geographie, Algebra und Geometrie, Physik und Chemie gelehrt
werden. Man hat Handels-, Ingenieur-, Navigations-, Thierarzneischulen und
Seminare zur Ausbildung von Schullehrern, endlich Universitäten. In jedem
Dorfe von 600 Einwohnern soll eine öffentliche Elementarschule für Knaben
und eine für Mädchen, in den Dörfern von 2000 Seelen sollen zwei Knaben-
und zwei Mädchenschulen, in denen von 4000 Seelen drei sein u. s. w. Jeder
Hauptort der Provinz muß eine Normalschule haben, jede Stadt von 10,000
Einwohnern eine Secundärschule. Die Kosten für die Unterrichtsanstalten ersten
und zweiten Grades trägt die Gemeinde, die für die höheren der Staat. Die
geringste Besoldung eines Dorfschullehrers beträgt 2,ö00 Realen oder circa
200 Thaler Pr. Die Professoren der höhern Schulanstalten und der Univer¬
sitäten dürfen nicht auf administrativen Wege abgesetzt werden, sondern die
Behörde kann sie nur auf richterliches Urtheil hin von ihren Stellen entfernen.

Im Ganzen hatte Spanien im Jahre 1860 schon 18,260 öffentliche und
3,800 private Schulen ersten Grades, deren Schülerzahl 1,046,558 betrug, 52
Schulen für höheren Unterricht (Ingenieurwesen, Handel. Architektur, Malerei,
Bildhauerei. Musik u. d.) mit 323 Professoren und 7,141 Schülern, endlich
eine Centraluniversität zu Madrid und neun Districtsuniversitäten: Granada,
Barcelona, Ovredo. Salamanca, Santiago, Sevilla. Valencia, Valladolid und
Saragossa, zusammen mit 412 Professoren und 6,181 Studenten.

Das Gesetz über den öffentlichen Unterricht ist von der reactionärsten Re¬
gierung gemacht worden, welche Spanien seit dreißig Jahren gehabt hat. Grund¬
gedanken desselben waren, das Schulwesen zu centralisiren und dem Einfluß des
Klerus ein weiteres Feld der Wirksamkeit zu schaffen. Die Negierung publicirt
Programme und einen Cursus, der bis zur Licentiatur durchgemacht werden
muß, und bei dem gewisse Bücher zu benutzen sind, welche die Regierung eben¬
falls alle drei Jahre vorschreibt. Der Bischof der Diöcese stellt den Katechismus
fest. Grammatik und Orthographie der spanischen Akademie sind allein ma߬
gebend. Die Schulbücher, welche von Religion und Moral handeln, müssen
von der Geistlichkeit approbirt sein. Aber trotz dieser Einschränkung der Lehr-
und Lernfreiheit brechen sich die neuen Ideen in den wissenschaftlichen Special-
schnlen unwiderstehlich Bahn. Das Studium der strengen Disciplinen, nament¬
lich der Naturkunde, bedrängt allenthalben die Theologie und verleiht den
moralischen und politischen Wissenschaften neuen Ausschwung. Ueberall findet


den Mönchen!" und begrüßte die Kutten ohne Rücksicht auf die Gegenwart
Ihrer Majestät und deren Leibgarde mit Steinwürfen, so daß Königin und
Mönche in aller Eile die Kirche verließen."

Ein Gesetz hat den öffentlichen Unterricht geordnet. Der Elementarunter¬
richt ist obligatorisch und wird armen Kindern umsonst ertheilt. Es giebt höhere
Bürgerschulen, in denen unter anderm Latein und die Elemente des Griechischen,
Geschichte, Geographie, Algebra und Geometrie, Physik und Chemie gelehrt
werden. Man hat Handels-, Ingenieur-, Navigations-, Thierarzneischulen und
Seminare zur Ausbildung von Schullehrern, endlich Universitäten. In jedem
Dorfe von 600 Einwohnern soll eine öffentliche Elementarschule für Knaben
und eine für Mädchen, in den Dörfern von 2000 Seelen sollen zwei Knaben-
und zwei Mädchenschulen, in denen von 4000 Seelen drei sein u. s. w. Jeder
Hauptort der Provinz muß eine Normalschule haben, jede Stadt von 10,000
Einwohnern eine Secundärschule. Die Kosten für die Unterrichtsanstalten ersten
und zweiten Grades trägt die Gemeinde, die für die höheren der Staat. Die
geringste Besoldung eines Dorfschullehrers beträgt 2,ö00 Realen oder circa
200 Thaler Pr. Die Professoren der höhern Schulanstalten und der Univer¬
sitäten dürfen nicht auf administrativen Wege abgesetzt werden, sondern die
Behörde kann sie nur auf richterliches Urtheil hin von ihren Stellen entfernen.

Im Ganzen hatte Spanien im Jahre 1860 schon 18,260 öffentliche und
3,800 private Schulen ersten Grades, deren Schülerzahl 1,046,558 betrug, 52
Schulen für höheren Unterricht (Ingenieurwesen, Handel. Architektur, Malerei,
Bildhauerei. Musik u. d.) mit 323 Professoren und 7,141 Schülern, endlich
eine Centraluniversität zu Madrid und neun Districtsuniversitäten: Granada,
Barcelona, Ovredo. Salamanca, Santiago, Sevilla. Valencia, Valladolid und
Saragossa, zusammen mit 412 Professoren und 6,181 Studenten.

Das Gesetz über den öffentlichen Unterricht ist von der reactionärsten Re¬
gierung gemacht worden, welche Spanien seit dreißig Jahren gehabt hat. Grund¬
gedanken desselben waren, das Schulwesen zu centralisiren und dem Einfluß des
Klerus ein weiteres Feld der Wirksamkeit zu schaffen. Die Negierung publicirt
Programme und einen Cursus, der bis zur Licentiatur durchgemacht werden
muß, und bei dem gewisse Bücher zu benutzen sind, welche die Regierung eben¬
falls alle drei Jahre vorschreibt. Der Bischof der Diöcese stellt den Katechismus
fest. Grammatik und Orthographie der spanischen Akademie sind allein ma߬
gebend. Die Schulbücher, welche von Religion und Moral handeln, müssen
von der Geistlichkeit approbirt sein. Aber trotz dieser Einschränkung der Lehr-
und Lernfreiheit brechen sich die neuen Ideen in den wissenschaftlichen Special-
schnlen unwiderstehlich Bahn. Das Studium der strengen Disciplinen, nament¬
lich der Naturkunde, bedrängt allenthalben die Theologie und verleiht den
moralischen und politischen Wissenschaften neuen Ausschwung. Ueberall findet


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[0220] den Mönchen!" und begrüßte die Kutten ohne Rücksicht auf die Gegenwart Ihrer Majestät und deren Leibgarde mit Steinwürfen, so daß Königin und Mönche in aller Eile die Kirche verließen." Ein Gesetz hat den öffentlichen Unterricht geordnet. Der Elementarunter¬ richt ist obligatorisch und wird armen Kindern umsonst ertheilt. Es giebt höhere Bürgerschulen, in denen unter anderm Latein und die Elemente des Griechischen, Geschichte, Geographie, Algebra und Geometrie, Physik und Chemie gelehrt werden. Man hat Handels-, Ingenieur-, Navigations-, Thierarzneischulen und Seminare zur Ausbildung von Schullehrern, endlich Universitäten. In jedem Dorfe von 600 Einwohnern soll eine öffentliche Elementarschule für Knaben und eine für Mädchen, in den Dörfern von 2000 Seelen sollen zwei Knaben- und zwei Mädchenschulen, in denen von 4000 Seelen drei sein u. s. w. Jeder Hauptort der Provinz muß eine Normalschule haben, jede Stadt von 10,000 Einwohnern eine Secundärschule. Die Kosten für die Unterrichtsanstalten ersten und zweiten Grades trägt die Gemeinde, die für die höheren der Staat. Die geringste Besoldung eines Dorfschullehrers beträgt 2,ö00 Realen oder circa 200 Thaler Pr. Die Professoren der höhern Schulanstalten und der Univer¬ sitäten dürfen nicht auf administrativen Wege abgesetzt werden, sondern die Behörde kann sie nur auf richterliches Urtheil hin von ihren Stellen entfernen. Im Ganzen hatte Spanien im Jahre 1860 schon 18,260 öffentliche und 3,800 private Schulen ersten Grades, deren Schülerzahl 1,046,558 betrug, 52 Schulen für höheren Unterricht (Ingenieurwesen, Handel. Architektur, Malerei, Bildhauerei. Musik u. d.) mit 323 Professoren und 7,141 Schülern, endlich eine Centraluniversität zu Madrid und neun Districtsuniversitäten: Granada, Barcelona, Ovredo. Salamanca, Santiago, Sevilla. Valencia, Valladolid und Saragossa, zusammen mit 412 Professoren und 6,181 Studenten. Das Gesetz über den öffentlichen Unterricht ist von der reactionärsten Re¬ gierung gemacht worden, welche Spanien seit dreißig Jahren gehabt hat. Grund¬ gedanken desselben waren, das Schulwesen zu centralisiren und dem Einfluß des Klerus ein weiteres Feld der Wirksamkeit zu schaffen. Die Negierung publicirt Programme und einen Cursus, der bis zur Licentiatur durchgemacht werden muß, und bei dem gewisse Bücher zu benutzen sind, welche die Regierung eben¬ falls alle drei Jahre vorschreibt. Der Bischof der Diöcese stellt den Katechismus fest. Grammatik und Orthographie der spanischen Akademie sind allein ma߬ gebend. Die Schulbücher, welche von Religion und Moral handeln, müssen von der Geistlichkeit approbirt sein. Aber trotz dieser Einschränkung der Lehr- und Lernfreiheit brechen sich die neuen Ideen in den wissenschaftlichen Special- schnlen unwiderstehlich Bahn. Das Studium der strengen Disciplinen, nament¬ lich der Naturkunde, bedrängt allenthalben die Theologie und verleiht den moralischen und politischen Wissenschaften neuen Ausschwung. Ueberall findet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/220>, abgerufen am 24.08.2024.