Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Werkzeuge der Erzbischöfe von Saragossa und Toledo, die ihrerseits den von
Rom kommenden Weisungen gehorchten und damit vorzüglich die unkluge Politik
des Cabinets in der italienischen Frage veranlaßten.

Endlich im März 1863 trat O'Donnell ganz vor den Neukatholiken zurück,
und dieser rechte Flügel der Moderados regierte zwei Jahre lang in vier auf¬
einanderfolgenden Ministerien ganz nach dem Herzen der Camarilla. Die Presse
wurde noch mehr beschränkt, desgleichen das Wahlrecht., Ueberall feierten der
Absolutismus und der Ultramontanismus Triumphe, überall aber auch wandte
sich die Mittelclasse mehr und mehr entweder den Republikanern oder der seit
einigen Jahren entstandenen iberischen Partei zu, welche eine Vereinigung
Spaniens und Portugals unter der Dynastie des letzteren Staates erstrebte.
Daneben stieg die Korruption in allen Sphären der Verwaltung auf den höch¬
sten Grad. Politische Jndustrieritter erwarben sich in der Administration der
Kolonien, beim Tabaksmonopol und bei den indirekten Steuern Reichthümer,
Minister und Senatoren trieben ungescheut Actienschwindel, die Finanznoth
Wurde täglich wieder dringender, die Steuerlast unerträglicher. Vergebens ver¬
zichtete die Königin, um sich beliebt zu machen, auf einen Theil der Krongüter.
Zuletzt, im Juni 1866, entschloß sie sich, O'Donnell wieder zu berufen und
damit von Neuem in liberalere Bahnen einzulenken.

Der General verlangte Entfernung der Häupter der Camarilla vom Hofe,
Anerkennung Italiens. Verkauf der noch übrigen Kirchengüter. Erweiterung
des Wahlrechts und Erleichterung der Presse. Jsabella ging auf diese Be-
dingungen, so hart sie ihr vorkommen mußten, ein und forderte ihrerseits nur
Fernhaltung der Progressisten von dem neu zu bildenden Cabinet. Die Liberalen
sollten durch die neue Regierungsmethode gewonnen werden. Sie blieben indeß
in der Opposition, und während man sich auf dieser Seite nicht stärken konnte,
schwächte man sich zugleich auf der entgegengesetzten. Die Anerkennung Italiens
und der Verkauf der Kirchengüter führten die Klerikalen in die Reihen der
Gegner des Cabinets. Sie wühlten zunächst für den Kronprätendenten "Don
Carlos den Siebenten", und als der beabsichtigte Aufstand für diesen nicht zu
Stande kommen wollte, ertheilten sie ihren Anhängern die Weisung, mit den
Socialisten und Republikanern zu gehen, die jetzt in den untern Classen,
namentlich der großen Städte, bedrohlich starke Propaganda machten. Noch
gab sich O'Donnell der Hoffnung hin. daß sich ihm die nicht iberischen und
nicht republikanischen Progressisten gegen jene Koalition der absolutistisch-kleri-
kalen Partei mit der rothen Demokratie anschließen würden. Die letzten Wahlen
enttäuschten ihn: die große Mehrzahl der Progressisten enthielt sich der Ab-
stimmung.

Es war ein Gewitter in der Luft, alles erwartete mit Spannung den Los-
bruch. Derselbe erfolgte mit Prius Pronunciamento, wie es scheint zu früh.


Werkzeuge der Erzbischöfe von Saragossa und Toledo, die ihrerseits den von
Rom kommenden Weisungen gehorchten und damit vorzüglich die unkluge Politik
des Cabinets in der italienischen Frage veranlaßten.

Endlich im März 1863 trat O'Donnell ganz vor den Neukatholiken zurück,
und dieser rechte Flügel der Moderados regierte zwei Jahre lang in vier auf¬
einanderfolgenden Ministerien ganz nach dem Herzen der Camarilla. Die Presse
wurde noch mehr beschränkt, desgleichen das Wahlrecht., Ueberall feierten der
Absolutismus und der Ultramontanismus Triumphe, überall aber auch wandte
sich die Mittelclasse mehr und mehr entweder den Republikanern oder der seit
einigen Jahren entstandenen iberischen Partei zu, welche eine Vereinigung
Spaniens und Portugals unter der Dynastie des letzteren Staates erstrebte.
Daneben stieg die Korruption in allen Sphären der Verwaltung auf den höch¬
sten Grad. Politische Jndustrieritter erwarben sich in der Administration der
Kolonien, beim Tabaksmonopol und bei den indirekten Steuern Reichthümer,
Minister und Senatoren trieben ungescheut Actienschwindel, die Finanznoth
Wurde täglich wieder dringender, die Steuerlast unerträglicher. Vergebens ver¬
zichtete die Königin, um sich beliebt zu machen, auf einen Theil der Krongüter.
Zuletzt, im Juni 1866, entschloß sie sich, O'Donnell wieder zu berufen und
damit von Neuem in liberalere Bahnen einzulenken.

Der General verlangte Entfernung der Häupter der Camarilla vom Hofe,
Anerkennung Italiens. Verkauf der noch übrigen Kirchengüter. Erweiterung
des Wahlrechts und Erleichterung der Presse. Jsabella ging auf diese Be-
dingungen, so hart sie ihr vorkommen mußten, ein und forderte ihrerseits nur
Fernhaltung der Progressisten von dem neu zu bildenden Cabinet. Die Liberalen
sollten durch die neue Regierungsmethode gewonnen werden. Sie blieben indeß
in der Opposition, und während man sich auf dieser Seite nicht stärken konnte,
schwächte man sich zugleich auf der entgegengesetzten. Die Anerkennung Italiens
und der Verkauf der Kirchengüter führten die Klerikalen in die Reihen der
Gegner des Cabinets. Sie wühlten zunächst für den Kronprätendenten „Don
Carlos den Siebenten", und als der beabsichtigte Aufstand für diesen nicht zu
Stande kommen wollte, ertheilten sie ihren Anhängern die Weisung, mit den
Socialisten und Republikanern zu gehen, die jetzt in den untern Classen,
namentlich der großen Städte, bedrohlich starke Propaganda machten. Noch
gab sich O'Donnell der Hoffnung hin. daß sich ihm die nicht iberischen und
nicht republikanischen Progressisten gegen jene Koalition der absolutistisch-kleri-
kalen Partei mit der rothen Demokratie anschließen würden. Die letzten Wahlen
enttäuschten ihn: die große Mehrzahl der Progressisten enthielt sich der Ab-
stimmung.

Es war ein Gewitter in der Luft, alles erwartete mit Spannung den Los-
bruch. Derselbe erfolgte mit Prius Pronunciamento, wie es scheint zu früh.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284673"/>
          <p xml:id="ID_674" prev="#ID_673"> Werkzeuge der Erzbischöfe von Saragossa und Toledo, die ihrerseits den von<lb/>
Rom kommenden Weisungen gehorchten und damit vorzüglich die unkluge Politik<lb/>
des Cabinets in der italienischen Frage veranlaßten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_675"> Endlich im März 1863 trat O'Donnell ganz vor den Neukatholiken zurück,<lb/>
und dieser rechte Flügel der Moderados regierte zwei Jahre lang in vier auf¬<lb/>
einanderfolgenden Ministerien ganz nach dem Herzen der Camarilla. Die Presse<lb/>
wurde noch mehr beschränkt, desgleichen das Wahlrecht., Ueberall feierten der<lb/>
Absolutismus und der Ultramontanismus Triumphe, überall aber auch wandte<lb/>
sich die Mittelclasse mehr und mehr entweder den Republikanern oder der seit<lb/>
einigen Jahren entstandenen iberischen Partei zu, welche eine Vereinigung<lb/>
Spaniens und Portugals unter der Dynastie des letzteren Staates erstrebte.<lb/>
Daneben stieg die Korruption in allen Sphären der Verwaltung auf den höch¬<lb/>
sten Grad. Politische Jndustrieritter erwarben sich in der Administration der<lb/>
Kolonien, beim Tabaksmonopol und bei den indirekten Steuern Reichthümer,<lb/>
Minister und Senatoren trieben ungescheut Actienschwindel, die Finanznoth<lb/>
Wurde täglich wieder dringender, die Steuerlast unerträglicher. Vergebens ver¬<lb/>
zichtete die Königin, um sich beliebt zu machen, auf einen Theil der Krongüter.<lb/>
Zuletzt, im Juni 1866, entschloß sie sich, O'Donnell wieder zu berufen und<lb/>
damit von Neuem in liberalere Bahnen einzulenken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_676"> Der General verlangte Entfernung der Häupter der Camarilla vom Hofe,<lb/>
Anerkennung Italiens. Verkauf der noch übrigen Kirchengüter. Erweiterung<lb/>
des Wahlrechts und Erleichterung der Presse. Jsabella ging auf diese Be-<lb/>
dingungen, so hart sie ihr vorkommen mußten, ein und forderte ihrerseits nur<lb/>
Fernhaltung der Progressisten von dem neu zu bildenden Cabinet. Die Liberalen<lb/>
sollten durch die neue Regierungsmethode gewonnen werden. Sie blieben indeß<lb/>
in der Opposition, und während man sich auf dieser Seite nicht stärken konnte,<lb/>
schwächte man sich zugleich auf der entgegengesetzten. Die Anerkennung Italiens<lb/>
und der Verkauf der Kirchengüter führten die Klerikalen in die Reihen der<lb/>
Gegner des Cabinets. Sie wühlten zunächst für den Kronprätendenten &#x201E;Don<lb/>
Carlos den Siebenten", und als der beabsichtigte Aufstand für diesen nicht zu<lb/>
Stande kommen wollte, ertheilten sie ihren Anhängern die Weisung, mit den<lb/>
Socialisten und Republikanern zu gehen, die jetzt in den untern Classen,<lb/>
namentlich der großen Städte, bedrohlich starke Propaganda machten. Noch<lb/>
gab sich O'Donnell der Hoffnung hin. daß sich ihm die nicht iberischen und<lb/>
nicht republikanischen Progressisten gegen jene Koalition der absolutistisch-kleri-<lb/>
kalen Partei mit der rothen Demokratie anschließen würden. Die letzten Wahlen<lb/>
enttäuschten ihn: die große Mehrzahl der Progressisten enthielt sich der Ab-<lb/>
stimmung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_677" next="#ID_678"> Es war ein Gewitter in der Luft, alles erwartete mit Spannung den Los-<lb/>
bruch. Derselbe erfolgte mit Prius Pronunciamento, wie es scheint zu früh.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0203] Werkzeuge der Erzbischöfe von Saragossa und Toledo, die ihrerseits den von Rom kommenden Weisungen gehorchten und damit vorzüglich die unkluge Politik des Cabinets in der italienischen Frage veranlaßten. Endlich im März 1863 trat O'Donnell ganz vor den Neukatholiken zurück, und dieser rechte Flügel der Moderados regierte zwei Jahre lang in vier auf¬ einanderfolgenden Ministerien ganz nach dem Herzen der Camarilla. Die Presse wurde noch mehr beschränkt, desgleichen das Wahlrecht., Ueberall feierten der Absolutismus und der Ultramontanismus Triumphe, überall aber auch wandte sich die Mittelclasse mehr und mehr entweder den Republikanern oder der seit einigen Jahren entstandenen iberischen Partei zu, welche eine Vereinigung Spaniens und Portugals unter der Dynastie des letzteren Staates erstrebte. Daneben stieg die Korruption in allen Sphären der Verwaltung auf den höch¬ sten Grad. Politische Jndustrieritter erwarben sich in der Administration der Kolonien, beim Tabaksmonopol und bei den indirekten Steuern Reichthümer, Minister und Senatoren trieben ungescheut Actienschwindel, die Finanznoth Wurde täglich wieder dringender, die Steuerlast unerträglicher. Vergebens ver¬ zichtete die Königin, um sich beliebt zu machen, auf einen Theil der Krongüter. Zuletzt, im Juni 1866, entschloß sie sich, O'Donnell wieder zu berufen und damit von Neuem in liberalere Bahnen einzulenken. Der General verlangte Entfernung der Häupter der Camarilla vom Hofe, Anerkennung Italiens. Verkauf der noch übrigen Kirchengüter. Erweiterung des Wahlrechts und Erleichterung der Presse. Jsabella ging auf diese Be- dingungen, so hart sie ihr vorkommen mußten, ein und forderte ihrerseits nur Fernhaltung der Progressisten von dem neu zu bildenden Cabinet. Die Liberalen sollten durch die neue Regierungsmethode gewonnen werden. Sie blieben indeß in der Opposition, und während man sich auf dieser Seite nicht stärken konnte, schwächte man sich zugleich auf der entgegengesetzten. Die Anerkennung Italiens und der Verkauf der Kirchengüter führten die Klerikalen in die Reihen der Gegner des Cabinets. Sie wühlten zunächst für den Kronprätendenten „Don Carlos den Siebenten", und als der beabsichtigte Aufstand für diesen nicht zu Stande kommen wollte, ertheilten sie ihren Anhängern die Weisung, mit den Socialisten und Republikanern zu gehen, die jetzt in den untern Classen, namentlich der großen Städte, bedrohlich starke Propaganda machten. Noch gab sich O'Donnell der Hoffnung hin. daß sich ihm die nicht iberischen und nicht republikanischen Progressisten gegen jene Koalition der absolutistisch-kleri- kalen Partei mit der rothen Demokratie anschließen würden. Die letzten Wahlen enttäuschten ihn: die große Mehrzahl der Progressisten enthielt sich der Ab- stimmung. Es war ein Gewitter in der Luft, alles erwartete mit Spannung den Los- bruch. Derselbe erfolgte mit Prius Pronunciamento, wie es scheint zu früh.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/203
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/203>, abgerufen am 26.06.2024.