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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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weder Esparteristen noch Vicalvaristen enthielte. Endlich, im Juni 1858
O'Donnell wieder ins Cabinet berufen und mit ihm ein System der Vermitte¬
lung und Versöhnung der Fractionen des gemäßigten Liberalismus adoptirt.
O'Donnell verschmolz die Progressisten, die ihm 1866 gefolgt waren, mit den
Moderados, welche sich nicht grade zum Absolutismus bekannten, zu einer Partei,
welche die "liberale Union" genannt wurde und allmälig durch Aufnahme
fähiger und redlicher Männer aller politischen Schattirungen dem verderblichen
Parteihader ein Ende machen sollte. Was auch die Fehler dieses Staatsmannes
sein mögen, Talent und Energie sind ihm nicht abzusprechen und ebenso wenig
Erfolge, nach denen wir in der Regel allein unser Urtheil fällen: für die
Monarchisten war er der Mann, der die Revolution aufhielt, die den Thron
weggeschwemmt haben würde, und für die Liberalen wurde er der Retter des
Nepräsentativsystems.

O'Donnell war erst kurze Zeit im Amte, als der Krieg mit Marokko ihm
eine reiche Quelle der Volksgunst eröffnete. Die Zeit der Kreuzzüge schien wie¬
dergekehrt, alle Welt dachte nur an Krieg und Ruhm, und als der Kampf zu
glänzenden Siegen führte, siel von dem Schimmer derselben auch auf die Krone
ein gutes Theil. Die öffentliche Meinung wurde ferner durch großartige und
zweckmäßige Staatsbauten und durch Vermehrung der Flotte gewonnen. Der
Credit Spaniens besserte sich. Mit Leichtigkeit wurden die republikanischen Be¬
wegungen Andalusiens, Alicantes und Estremaduras, die carlistische Verschwö¬
rung von San Carlos de la Rapita und die Bewegung von Loja im Jahre
18K1 niedergeschlagen. Aber die verhängnißvollen Verhältnisse, die den Thron
umgaben, wirkten gegen den geschickten und glücklichen Minister, der sich nur
dadurch im Amte erhalten konnte, daß er die Wünsche der Neukatholiken, welche
das Ohr der Königin hatten , so viel als irgend möglich berücksichtigte. Dazu
kam. daß die liberale Union allmälig ihren anfänglichen Charakter einbüßte. Per¬
sönlicher Ehrgeiz und Streben nach einträglichen Aemtern, in Spanien unge¬
fähr so starke Motive der höhern Politiker wie in Griechenland, die Sucht na¬
mentlich. Glück zu machen durch Anstellung in den Colonien, führten der
Partei nicht wenige unreine Elemente zu. und das Ende war Eifersucht. Zwie¬
spalt und schließliche Zersplitterung derselben. O'Donnell konnte den Egois¬
mus seiner Freunde nicht immer befriedigen, und dadurch hauptsächlich ver¬
lor er den Boden. Sein afrikanischer Ruhmesglanz erbleichte, als man ihn
mit der Wachskerze in der Hand in den Processionen gehen sah, welche die
Bigotterie des Hofes veranstaltete, und das Ausbleiben aller materiellen Vor¬
theile nach den großen Menschenopfern in Marokko trug auch nicht bei, sein
Ansehen zu mehren. Bald war nicht mehr er. sondern Posada Herrera, der
Minister des Innern, die eigentliche Seele der Regierung, und hinter diesem
wieder standen neben der Königin die Nonne Patrocinio und Pater Claret,


weder Esparteristen noch Vicalvaristen enthielte. Endlich, im Juni 1858
O'Donnell wieder ins Cabinet berufen und mit ihm ein System der Vermitte¬
lung und Versöhnung der Fractionen des gemäßigten Liberalismus adoptirt.
O'Donnell verschmolz die Progressisten, die ihm 1866 gefolgt waren, mit den
Moderados, welche sich nicht grade zum Absolutismus bekannten, zu einer Partei,
welche die „liberale Union" genannt wurde und allmälig durch Aufnahme
fähiger und redlicher Männer aller politischen Schattirungen dem verderblichen
Parteihader ein Ende machen sollte. Was auch die Fehler dieses Staatsmannes
sein mögen, Talent und Energie sind ihm nicht abzusprechen und ebenso wenig
Erfolge, nach denen wir in der Regel allein unser Urtheil fällen: für die
Monarchisten war er der Mann, der die Revolution aufhielt, die den Thron
weggeschwemmt haben würde, und für die Liberalen wurde er der Retter des
Nepräsentativsystems.

O'Donnell war erst kurze Zeit im Amte, als der Krieg mit Marokko ihm
eine reiche Quelle der Volksgunst eröffnete. Die Zeit der Kreuzzüge schien wie¬
dergekehrt, alle Welt dachte nur an Krieg und Ruhm, und als der Kampf zu
glänzenden Siegen führte, siel von dem Schimmer derselben auch auf die Krone
ein gutes Theil. Die öffentliche Meinung wurde ferner durch großartige und
zweckmäßige Staatsbauten und durch Vermehrung der Flotte gewonnen. Der
Credit Spaniens besserte sich. Mit Leichtigkeit wurden die republikanischen Be¬
wegungen Andalusiens, Alicantes und Estremaduras, die carlistische Verschwö¬
rung von San Carlos de la Rapita und die Bewegung von Loja im Jahre
18K1 niedergeschlagen. Aber die verhängnißvollen Verhältnisse, die den Thron
umgaben, wirkten gegen den geschickten und glücklichen Minister, der sich nur
dadurch im Amte erhalten konnte, daß er die Wünsche der Neukatholiken, welche
das Ohr der Königin hatten , so viel als irgend möglich berücksichtigte. Dazu
kam. daß die liberale Union allmälig ihren anfänglichen Charakter einbüßte. Per¬
sönlicher Ehrgeiz und Streben nach einträglichen Aemtern, in Spanien unge¬
fähr so starke Motive der höhern Politiker wie in Griechenland, die Sucht na¬
mentlich. Glück zu machen durch Anstellung in den Colonien, führten der
Partei nicht wenige unreine Elemente zu. und das Ende war Eifersucht. Zwie¬
spalt und schließliche Zersplitterung derselben. O'Donnell konnte den Egois¬
mus seiner Freunde nicht immer befriedigen, und dadurch hauptsächlich ver¬
lor er den Boden. Sein afrikanischer Ruhmesglanz erbleichte, als man ihn
mit der Wachskerze in der Hand in den Processionen gehen sah, welche die
Bigotterie des Hofes veranstaltete, und das Ausbleiben aller materiellen Vor¬
theile nach den großen Menschenopfern in Marokko trug auch nicht bei, sein
Ansehen zu mehren. Bald war nicht mehr er. sondern Posada Herrera, der
Minister des Innern, die eigentliche Seele der Regierung, und hinter diesem
wieder standen neben der Königin die Nonne Patrocinio und Pater Claret,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/202>, abgerufen am 26.06.2024.