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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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zur Bildung eines neuen Cabinets in die Hauptstadt. Er blieb aber zunächst
in Saragossa, indem er hoffen mochte, die Revolution in Madrid werde noch
gründlicher für ihn aufräumen, d. h> die Dynastie und den Thron stürzen.
Indeß gab er zuletzt nach, übernahm den Auftrag der Königin und übertrug
O'Donnell einen Theil der Gewalt, auf den dieser nicht mehr gerechnet hatte,
seit die Revolution einen Charakter angenommen, der allenthalben entschieden
liberal und in einigen Provinzen radical war. Ja der unvorsichtige alte Herr,
der nie ein großer Politiker gewesen war, beging sogar den Mißgriff, statt das
Kriegsministerium für sich zu behalten, es O'Donnell zu überlassen. Die Mo-
derados, verschlagen und geschickt wie immer, wußten sich diese und andere
Schwächen Esparteros und seiner Partei rasch zu Nutze zu machen, und nicht
lange währte es, so hatten sie das Heft wieder in den Händen. Die Progres-
sisten von Esparteros Farbe verschmähten die Verbindung mit der entschiedenen
Demokratie und sahen sich so gezwungen, ihren Gegnern in die Hände zu ar¬
beiten. Die Revolution, an der so verschiedenartige Elemente teilgenommen,
bot keine großen Garantien der Dauer dar, aber sie war anfangs radicaler als
jemals eine vorher in Spanien. Christine schwebte eine Zeit lang, vom ma¬
drider Volk in ihrem Palast belagert, in höchster Gefahr. Espartero rettete sie
und vermittelte ihre Abreise. Wen" Isabella ins Theater ging, vergaßen die
spanischen Caballeros die Höflichkeit so weit, daß sie die Hüte aufbehielten.
Als die constituirenden Cortes im Palast empfangen wurden, unterließen sie
die übliche Kniebeugung vor der Svnverämn, und als sie dem Ersten, der vor¬
beiging, die Hand zum Kuß reichte, ließ er sie mit ausgestrecktem Arm stehen
und that, als bemerkte er es nicht. Die Cortes von 1834 stellten den Thron
in Frage, und als sie ihn dann beibehielten, machten sie ihn von der Volks-
souvcrünetät abhängig. Männer der mviiarchischen Parteien aller Farben, von
der reactionärsten. wie Concha, bis zu der freisinnigsten, wie San Miguel, schlu¬
gen am 30. November vor, zu erklären: "Spanien ist eine constitutionelle
Monarchie, erblich in der Familie der Isabella von Bourbon und ihrer legi¬
timen Nachkommenschaft durch den Willen der Nation." Espartero hintertrieb
die Annahme dieses Antrags, und der Hof vergalt ihm seine Rücksichtnahme mit
Intriguen gegen seine Stellung. Die Monarchie trug äußerlich den Sieg davon,
aber ihre sittliche Niederlage war damals so vollständig, als es die Verhält¬
nisse erlaubten, und die Ministerien, die sich seitdem in Spanien abgelöst,
haben den Beweis nicht vollständig zu führen vermocht, daß sie lebens¬
kräftig sei.

Die Cortes behandelten die religiöse Frage ausführlicher als früher, und
die Mehrheit war freisinnig. 139 Stimmen gegen S6 wiesen die Verfolgung
der Nichtkatholiken zurück, und die Toleranz aller Bekenntnisse wurde nur mit
103 gegen 99 und nur weil die Regierung stark dagegen gewirkt, verworfen.


zur Bildung eines neuen Cabinets in die Hauptstadt. Er blieb aber zunächst
in Saragossa, indem er hoffen mochte, die Revolution in Madrid werde noch
gründlicher für ihn aufräumen, d. h> die Dynastie und den Thron stürzen.
Indeß gab er zuletzt nach, übernahm den Auftrag der Königin und übertrug
O'Donnell einen Theil der Gewalt, auf den dieser nicht mehr gerechnet hatte,
seit die Revolution einen Charakter angenommen, der allenthalben entschieden
liberal und in einigen Provinzen radical war. Ja der unvorsichtige alte Herr,
der nie ein großer Politiker gewesen war, beging sogar den Mißgriff, statt das
Kriegsministerium für sich zu behalten, es O'Donnell zu überlassen. Die Mo-
derados, verschlagen und geschickt wie immer, wußten sich diese und andere
Schwächen Esparteros und seiner Partei rasch zu Nutze zu machen, und nicht
lange währte es, so hatten sie das Heft wieder in den Händen. Die Progres-
sisten von Esparteros Farbe verschmähten die Verbindung mit der entschiedenen
Demokratie und sahen sich so gezwungen, ihren Gegnern in die Hände zu ar¬
beiten. Die Revolution, an der so verschiedenartige Elemente teilgenommen,
bot keine großen Garantien der Dauer dar, aber sie war anfangs radicaler als
jemals eine vorher in Spanien. Christine schwebte eine Zeit lang, vom ma¬
drider Volk in ihrem Palast belagert, in höchster Gefahr. Espartero rettete sie
und vermittelte ihre Abreise. Wen» Isabella ins Theater ging, vergaßen die
spanischen Caballeros die Höflichkeit so weit, daß sie die Hüte aufbehielten.
Als die constituirenden Cortes im Palast empfangen wurden, unterließen sie
die übliche Kniebeugung vor der Svnverämn, und als sie dem Ersten, der vor¬
beiging, die Hand zum Kuß reichte, ließ er sie mit ausgestrecktem Arm stehen
und that, als bemerkte er es nicht. Die Cortes von 1834 stellten den Thron
in Frage, und als sie ihn dann beibehielten, machten sie ihn von der Volks-
souvcrünetät abhängig. Männer der mviiarchischen Parteien aller Farben, von
der reactionärsten. wie Concha, bis zu der freisinnigsten, wie San Miguel, schlu¬
gen am 30. November vor, zu erklären: „Spanien ist eine constitutionelle
Monarchie, erblich in der Familie der Isabella von Bourbon und ihrer legi¬
timen Nachkommenschaft durch den Willen der Nation." Espartero hintertrieb
die Annahme dieses Antrags, und der Hof vergalt ihm seine Rücksichtnahme mit
Intriguen gegen seine Stellung. Die Monarchie trug äußerlich den Sieg davon,
aber ihre sittliche Niederlage war damals so vollständig, als es die Verhält¬
nisse erlaubten, und die Ministerien, die sich seitdem in Spanien abgelöst,
haben den Beweis nicht vollständig zu führen vermocht, daß sie lebens¬
kräftig sei.

Die Cortes behandelten die religiöse Frage ausführlicher als früher, und
die Mehrheit war freisinnig. 139 Stimmen gegen S6 wiesen die Verfolgung
der Nichtkatholiken zurück, und die Toleranz aller Bekenntnisse wurde nur mit
103 gegen 99 und nur weil die Regierung stark dagegen gewirkt, verworfen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/200>, abgerufen am 22.12.2024.