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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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und einiger neuen Unterrichtsanstalten, das ist alles, was man zu Gunsten des
Moderadoregiments anführen kann. Dagegen schufen sie ein System der Cen¬
tralisation, welches alle individuelle Thätigkeit vernichten, wenigstens schwächen
mußte. Sie ergingen sich in großen Reden über die Förderung der materiellen
Interessen, und als sie abtraten, hatte Spanien noch keine 70 Kilometer Eisen¬
bahn in Betrieb. Ihre Verschwendung der Staatsgelder, ihr Jagen nach ein¬
träglichen Aemtern, der Luxus, Mit dem sie sich umgaben, machte sie überdies
im Munde des Volks zum Gegenstand von Haß und Verachtung. Das Trei-
ben ihrer Gönnerinnen im Palast, von dem wir den Vorhang hier nicht zu
heben brauchen, trug weiter bei, dieses Regiment allmälig reif zum Sturz zu
machen.

Die meisten spanischen Aufstände dieses Jahrhunderts sind Militärrevolu-
tionen gewesen. Man vergleiche Garrido "Das heutige Spanien", der sie
S. 69 bis 71 aufzählt, und dem wir in dieser Darstellung der neuesten Ge-
schichte unsres Gegenstandes, soweit es sich um die Thatsachen handelt, folgen.
Auch der Sturz der Moderados wurde durch Generale herbeigeführt, und zwar
durch solche, welche mehr oder minder zu der oben bezeichneten Fraction Ser-
ranos gezählt wurden.

Das aus der äußersten Rechten der Moderados gebildete Ministerium Sar-
torius unterlag 1853 im Senate, blieb aber dennoch im Amte, da es sich der
Unterstützung der Königin sicher wußte. Darauf beschlossen im Juni 1864 die
Generale Dulce. O'Donnell, Echague und andere Offiziere der liberaleren Mo¬
derados, die Entlassung des Ministeriums zu erzwingen. Eine allgemeine Re-
Volution lag nicht in ihrer Absicht, und um diese zu verhüten, dem Volke der
Hauptstadt die Gelegenheit zu nehmen, sich in die Bewegung zu mischen , be-
gnügten sie sich, mir ihren Truppen Madrid zu verlassen und den Rest der
Garnison zum Anschluß an ihre Sache aufzufordern. Letzteres schlug fehl, und
nun nahmen die Ereignisse eine andere Wendung. Die Königin gab nicht
nach, und so sah O'Donnell keinen andern Ausweg, als sein moderirtes Glau¬
bensbekenntniß über Bord zu werfen und durch das Programm von Manza-
nares. in welchem er sich für die Verfassung von 1837 erklärte, an die weiter
links stehenden Parteien zu appelliren. Sofort änderte sich die Lage, mehre
große Städte erhoben sich zu gleicher Zeit, die Bewegung verlor ihren militä-
nschen Charakter, ihr Ziel war nicht mehr ein bloßer Ministerwechsel, sie wurde
M Revolution, und die Progressisten traten in die erste Reihe. Nach drei-
tägigen Straßenkampf in Madrid berief" die Königin Espartero, den alten
Führer dieser Partei, der in der Zwischenzeit zurückgezogen in Logrono gelebt,
sich aber nach Ausbruch der Jnsurrection in Saragossa an die Spitze der Ra-
dicalen gestellt und hier ein Programm erlassen, welches weiter ging als das
O'Donnellsche und die Nation zur Ernennung constituirender Cortes aufforderte,


Grenzboten I. 1866. 24

und einiger neuen Unterrichtsanstalten, das ist alles, was man zu Gunsten des
Moderadoregiments anführen kann. Dagegen schufen sie ein System der Cen¬
tralisation, welches alle individuelle Thätigkeit vernichten, wenigstens schwächen
mußte. Sie ergingen sich in großen Reden über die Förderung der materiellen
Interessen, und als sie abtraten, hatte Spanien noch keine 70 Kilometer Eisen¬
bahn in Betrieb. Ihre Verschwendung der Staatsgelder, ihr Jagen nach ein¬
träglichen Aemtern, der Luxus, Mit dem sie sich umgaben, machte sie überdies
im Munde des Volks zum Gegenstand von Haß und Verachtung. Das Trei-
ben ihrer Gönnerinnen im Palast, von dem wir den Vorhang hier nicht zu
heben brauchen, trug weiter bei, dieses Regiment allmälig reif zum Sturz zu
machen.

Die meisten spanischen Aufstände dieses Jahrhunderts sind Militärrevolu-
tionen gewesen. Man vergleiche Garrido „Das heutige Spanien", der sie
S. 69 bis 71 aufzählt, und dem wir in dieser Darstellung der neuesten Ge-
schichte unsres Gegenstandes, soweit es sich um die Thatsachen handelt, folgen.
Auch der Sturz der Moderados wurde durch Generale herbeigeführt, und zwar
durch solche, welche mehr oder minder zu der oben bezeichneten Fraction Ser-
ranos gezählt wurden.

Das aus der äußersten Rechten der Moderados gebildete Ministerium Sar-
torius unterlag 1853 im Senate, blieb aber dennoch im Amte, da es sich der
Unterstützung der Königin sicher wußte. Darauf beschlossen im Juni 1864 die
Generale Dulce. O'Donnell, Echague und andere Offiziere der liberaleren Mo¬
derados, die Entlassung des Ministeriums zu erzwingen. Eine allgemeine Re-
Volution lag nicht in ihrer Absicht, und um diese zu verhüten, dem Volke der
Hauptstadt die Gelegenheit zu nehmen, sich in die Bewegung zu mischen , be-
gnügten sie sich, mir ihren Truppen Madrid zu verlassen und den Rest der
Garnison zum Anschluß an ihre Sache aufzufordern. Letzteres schlug fehl, und
nun nahmen die Ereignisse eine andere Wendung. Die Königin gab nicht
nach, und so sah O'Donnell keinen andern Ausweg, als sein moderirtes Glau¬
bensbekenntniß über Bord zu werfen und durch das Programm von Manza-
nares. in welchem er sich für die Verfassung von 1837 erklärte, an die weiter
links stehenden Parteien zu appelliren. Sofort änderte sich die Lage, mehre
große Städte erhoben sich zu gleicher Zeit, die Bewegung verlor ihren militä-
nschen Charakter, ihr Ziel war nicht mehr ein bloßer Ministerwechsel, sie wurde
M Revolution, und die Progressisten traten in die erste Reihe. Nach drei-
tägigen Straßenkampf in Madrid berief" die Königin Espartero, den alten
Führer dieser Partei, der in der Zwischenzeit zurückgezogen in Logrono gelebt,
sich aber nach Ausbruch der Jnsurrection in Saragossa an die Spitze der Ra-
dicalen gestellt und hier ein Programm erlassen, welches weiter ging als das
O'Donnellsche und die Nation zur Ernennung constituirender Cortes aufforderte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/199>, abgerufen am 29.06.2024.