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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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regiment die übrigen verstummen. Ein spanisches Heer ging nach Italien, um
den Papst wieder einsetzen zu helfen, die Geistlichkeit erhielt die noch nicht ver-
kauften Güter zurück, mit der Curie wurde ein Concordat geschlossen. Die
Absolutsten, durch ihren Erfolg trunken, dachten schon an eine weitere "Ver¬
besserung" der Konstitution: Wiederherstellung der Majorate, Ersetzung des Se¬
nats durch eine Pairskammer, ein Unterhaus, welches sich seinen Präsidenten
nicht selbst wählen, und dessen Verhandlungen nicht öffentlich sein sollten. Der
Urheber dieses Plans, Bravo Murillo. halte die Königin und die Geistlichkeit
auf seiner Seite, dennoch wagte er keinen Staatsstreich, da er nicht auf die
Unterstützung aller Fractionen der Moderados rechnen konnte.

Wie die Progresfisten sich nach ihrem Siege von 1840 in drei Bruchtheile:
Esparteristcn, gemäßigte Demokraten und Republikaner gespalten, so war auch die
moderirte Partei nach ihrem Triumph von 1844 in drei Fractionen zerfallen, deren
Hauptstärke, was für die weitere Betrachtung erwähnt werden muß, die c^roßen-
theils jungen Generale der Bürgerkriege bildeten, welche die Moderados zu
den höchsten Stellen in der Armee erhoben hatten. Jene Fractionen waren:
die Neukath oliken, absolutistische Ultras, geschworene Feinde des konstitu¬
tionellen Systems, deren Theoretiker Donoso Cortes, deren Staatsmann Bravo
Murillo und deren General Pezuela war; ferner das Centenen, Männer der
Constitution von 1845, an deren Spitze Narvaez, Martinez de la Rosa und
der Finanzier Mon stand""; endlich der linke Flügel, der Entwickelung der
Verfassung von 1845 im liberalen Sinne verlangte und gegen die zu starke Cen¬
tralisation der Verwaltung ankämpfte. Führer dieser Fraction waren Rios Ro¬
sas und Pacheco, in der Armee wurde sie durch Serrano vertreten. Die
letzteren berührten sich in ihren Anschauungen mit dem rechten Flügel der
Progresfisten, für den sein Führer Cortina im Jahr 1851, einen Theil des bis¬
herigen Programms der Partei aufgebend, mit der Negierung zusammengehen
zu wollen erklärte. Eine weiter fortgeschrittene Fraction unter Madoz und
Olozaga that Einspruch dagegen und hielt die alte Fahne aufrecht. Die Ent¬
schiedensten, an ihrer Spitze Orense, Marquis d'Albaida, gingen in das Lager
der Demokraten über, die ihrerseits in radicale, aber nicht antimonarchische Re¬
former, in Republikaner und in Socialisten zerfielen.

In der Zeit der Ruhe, die jetzt folgte, hob sich der Wohlstand Spaniens
beträchtlich, aber nicht so sehr infolge von Negierungsmaßregeln für materielle
Verbesserung, als weil die progressistischcn Reformen von 1837 und 1840 den
Anstoß dazu gegeben hatten. Die zehn Jahre von 1844 bis 1854, in welchen
die verschiedenen Fractionen der Moderados am Ruder waren, hätten, eifrig
und umsichtig zur Entwickelung der Hilfsquellen des Landes angewendet, ganz
andere Resultate ergeben müssen, als man sie erlebte. Eine unbedeutende Ver¬
besserung des Zollsystems, Abschaffung der Pässe, Errichtung einer Gensdarmerie


regiment die übrigen verstummen. Ein spanisches Heer ging nach Italien, um
den Papst wieder einsetzen zu helfen, die Geistlichkeit erhielt die noch nicht ver-
kauften Güter zurück, mit der Curie wurde ein Concordat geschlossen. Die
Absolutsten, durch ihren Erfolg trunken, dachten schon an eine weitere „Ver¬
besserung" der Konstitution: Wiederherstellung der Majorate, Ersetzung des Se¬
nats durch eine Pairskammer, ein Unterhaus, welches sich seinen Präsidenten
nicht selbst wählen, und dessen Verhandlungen nicht öffentlich sein sollten. Der
Urheber dieses Plans, Bravo Murillo. halte die Königin und die Geistlichkeit
auf seiner Seite, dennoch wagte er keinen Staatsstreich, da er nicht auf die
Unterstützung aller Fractionen der Moderados rechnen konnte.

Wie die Progresfisten sich nach ihrem Siege von 1840 in drei Bruchtheile:
Esparteristcn, gemäßigte Demokraten und Republikaner gespalten, so war auch die
moderirte Partei nach ihrem Triumph von 1844 in drei Fractionen zerfallen, deren
Hauptstärke, was für die weitere Betrachtung erwähnt werden muß, die c^roßen-
theils jungen Generale der Bürgerkriege bildeten, welche die Moderados zu
den höchsten Stellen in der Armee erhoben hatten. Jene Fractionen waren:
die Neukath oliken, absolutistische Ultras, geschworene Feinde des konstitu¬
tionellen Systems, deren Theoretiker Donoso Cortes, deren Staatsmann Bravo
Murillo und deren General Pezuela war; ferner das Centenen, Männer der
Constitution von 1845, an deren Spitze Narvaez, Martinez de la Rosa und
der Finanzier Mon stand««; endlich der linke Flügel, der Entwickelung der
Verfassung von 1845 im liberalen Sinne verlangte und gegen die zu starke Cen¬
tralisation der Verwaltung ankämpfte. Führer dieser Fraction waren Rios Ro¬
sas und Pacheco, in der Armee wurde sie durch Serrano vertreten. Die
letzteren berührten sich in ihren Anschauungen mit dem rechten Flügel der
Progresfisten, für den sein Führer Cortina im Jahr 1851, einen Theil des bis¬
herigen Programms der Partei aufgebend, mit der Negierung zusammengehen
zu wollen erklärte. Eine weiter fortgeschrittene Fraction unter Madoz und
Olozaga that Einspruch dagegen und hielt die alte Fahne aufrecht. Die Ent¬
schiedensten, an ihrer Spitze Orense, Marquis d'Albaida, gingen in das Lager
der Demokraten über, die ihrerseits in radicale, aber nicht antimonarchische Re¬
former, in Republikaner und in Socialisten zerfielen.

In der Zeit der Ruhe, die jetzt folgte, hob sich der Wohlstand Spaniens
beträchtlich, aber nicht so sehr infolge von Negierungsmaßregeln für materielle
Verbesserung, als weil die progressistischcn Reformen von 1837 und 1840 den
Anstoß dazu gegeben hatten. Die zehn Jahre von 1844 bis 1854, in welchen
die verschiedenen Fractionen der Moderados am Ruder waren, hätten, eifrig
und umsichtig zur Entwickelung der Hilfsquellen des Landes angewendet, ganz
andere Resultate ergeben müssen, als man sie erlebte. Eine unbedeutende Ver¬
besserung des Zollsystems, Abschaffung der Pässe, Errichtung einer Gensdarmerie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/198>, abgerufen am 29.06.2024.