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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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gruppirten sich die gemäßigten Progresfisten, auf der Rechten machten die mit
den Moderados vereinigten ehemaligen Carlisten, aus der Linken die entschiedenen
Progresfisten und die Demokraten oder Republikaner Opposition. Die Männer
der Umgebung Espcuteros erfreuten sich des Rufs strenger Redlichkeit, in
-Spanien eine Seltenheit, aber es waren meist alte Herren ohne Kraft und
Entschlossenheit, "sartores", Leisetreter, wie die Entschiedener sagten. Sie
hätten in ruhiger Zeit ohne Zweifel gut genug, weil wenig oder gar nicht
regiert; wie die Dinge lagen, thaten sie zu wenig zur Befestigung des Um¬
schwungs. Außerdem aber beging Espartero den großen Fehler, daß er das
Heer nicht verminderte und dadurch die Finanzen überbürdet ließ. Im Herbst
1841 brach in Madrid, Saragossa, Pampeluna und Bilbao ein Militäraufstand
aus, an dessen Spitze die Generale Leon, Concha und O'Donnell, Mitglieder
der Moderadopartci standen, und der die Entführung Jsabellas und die Wieder¬
herstellung der. Regentschaft Christincns zum Ziel hatte. Er wurde rasch nieder¬
geschlagen, aber die Hinrichtung Leons, der als romantischer Held starb, wurde
allgemein gemißbilligt und schwächte den moralischen Einfluß Esparteros bedeu¬
tend. Als neue Cortes gewählt waren, hatte die Linke die Mehrheit, Die
Republikaner Barcelonas erhoben sich und bemächtigten sich der Stadt und der
meisten Forts, und als der Regent darauf die Stadt bombardirte, schmälerte
er sich die Gunst, in der er in der öffentlichen Meinung stand, noch mehr.

Jetzt bildeten alle Fraciioncn der Opposition eine mächtige Vereinigung,
und vor dieser vermochte sich Espartero auf die Dauer nicht zu behaupten.
Vergebens rief er in der letzten Stunde Mendizabal ins Ministerium. Die
Mehrheit der Cortes zwang ihm den beliebten radicalen Volkstribun Lopez auf,
der aber nur wenige Tage im Cabinet blieb, da der Regent die von ihm ge¬
forderte Amnestie der verbannten Reactionäre nicht bewilligte. Als Lopez zu¬
rücktrat, brach 1844 ein allgemeiner Aufstand aus, den die Moderados unter¬
stützten. Die meisten jungen Generale, darunter auch gemäßigte Progresfisten,
wie Prim, schlössen sich den Insurgenten an und rissen einen Theil der Armee,
der unzufrieden war, weil man ihn unter der Fahne behalten, mit sich fort.
Die beiden Fractionen der Radicalen, die entschiedenen Progresfisten und die
Republikaner, konnten sich nicht mit einander verständigen. Die letzteren er¬
hoben sich, als infolge dessen die Moderirten zur Regierung gelangten, wurden
jedoch nach dreimonatlichen Kampfe niedergeworfen. Die Moderados behaupteten
sich am Ruder und schonten nun auch die gemäßigten unter ihren Gegnern
nicht. Die liberalen Generale und Gouverneure wurden entlassen und durch
reaktionäre, zum Theil selbst durch alte Carlisten ersetzt, die Bischöfe, die mit
Don Carlos in die Verbannung gegangen waren, zurückgerufen, der Verkauf
der Kirchengüter eingestellt, das Selfgovernment der Gemeinden beschränkt.
'Auch Christine kehrte zurück, und Jsabella, obwohl kaum vierzehn Jahre alt,


gruppirten sich die gemäßigten Progresfisten, auf der Rechten machten die mit
den Moderados vereinigten ehemaligen Carlisten, aus der Linken die entschiedenen
Progresfisten und die Demokraten oder Republikaner Opposition. Die Männer
der Umgebung Espcuteros erfreuten sich des Rufs strenger Redlichkeit, in
-Spanien eine Seltenheit, aber es waren meist alte Herren ohne Kraft und
Entschlossenheit, „sartores", Leisetreter, wie die Entschiedener sagten. Sie
hätten in ruhiger Zeit ohne Zweifel gut genug, weil wenig oder gar nicht
regiert; wie die Dinge lagen, thaten sie zu wenig zur Befestigung des Um¬
schwungs. Außerdem aber beging Espartero den großen Fehler, daß er das
Heer nicht verminderte und dadurch die Finanzen überbürdet ließ. Im Herbst
1841 brach in Madrid, Saragossa, Pampeluna und Bilbao ein Militäraufstand
aus, an dessen Spitze die Generale Leon, Concha und O'Donnell, Mitglieder
der Moderadopartci standen, und der die Entführung Jsabellas und die Wieder¬
herstellung der. Regentschaft Christincns zum Ziel hatte. Er wurde rasch nieder¬
geschlagen, aber die Hinrichtung Leons, der als romantischer Held starb, wurde
allgemein gemißbilligt und schwächte den moralischen Einfluß Esparteros bedeu¬
tend. Als neue Cortes gewählt waren, hatte die Linke die Mehrheit, Die
Republikaner Barcelonas erhoben sich und bemächtigten sich der Stadt und der
meisten Forts, und als der Regent darauf die Stadt bombardirte, schmälerte
er sich die Gunst, in der er in der öffentlichen Meinung stand, noch mehr.

Jetzt bildeten alle Fraciioncn der Opposition eine mächtige Vereinigung,
und vor dieser vermochte sich Espartero auf die Dauer nicht zu behaupten.
Vergebens rief er in der letzten Stunde Mendizabal ins Ministerium. Die
Mehrheit der Cortes zwang ihm den beliebten radicalen Volkstribun Lopez auf,
der aber nur wenige Tage im Cabinet blieb, da der Regent die von ihm ge¬
forderte Amnestie der verbannten Reactionäre nicht bewilligte. Als Lopez zu¬
rücktrat, brach 1844 ein allgemeiner Aufstand aus, den die Moderados unter¬
stützten. Die meisten jungen Generale, darunter auch gemäßigte Progresfisten,
wie Prim, schlössen sich den Insurgenten an und rissen einen Theil der Armee,
der unzufrieden war, weil man ihn unter der Fahne behalten, mit sich fort.
Die beiden Fractionen der Radicalen, die entschiedenen Progresfisten und die
Republikaner, konnten sich nicht mit einander verständigen. Die letzteren er¬
hoben sich, als infolge dessen die Moderirten zur Regierung gelangten, wurden
jedoch nach dreimonatlichen Kampfe niedergeworfen. Die Moderados behaupteten
sich am Ruder und schonten nun auch die gemäßigten unter ihren Gegnern
nicht. Die liberalen Generale und Gouverneure wurden entlassen und durch
reaktionäre, zum Theil selbst durch alte Carlisten ersetzt, die Bischöfe, die mit
Don Carlos in die Verbannung gegangen waren, zurückgerufen, der Verkauf
der Kirchengüter eingestellt, das Selfgovernment der Gemeinden beschränkt.
'Auch Christine kehrte zurück, und Jsabella, obwohl kaum vierzehn Jahre alt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/196>, abgerufen am 29.09.2024.