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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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des Friedens zuzuwenden, von Neuem mit Gedanken des Krieges und der Er¬
oberung. Zwei engverknüpfte Ausgaben waren es, welche der Ehrgeiz und die
Bigotterie dieser beiden Habsburger den Spaniern stellten: sie selbst zu Ma߬
gebenden in allen politischen Fragen zu machen und der Kirche den Sieg über
die Ketzer zu verschaffen. Die Nation erfaßte diese Aufgaben mit beispielloser
Hingebung und Energie, und man kann nicht sagen, daß sie vergeblich gekämpst
und gearbeitet. Spanien eroberte den besten Theil Amerikas, es wurde gleich¬
zeitig für drei Generationen die erste Macht Europas, und es erreichte auch auf
kirchlichem Gebiet Großes; denn die Beschränkung der reformatorischen Bewegung
auf die Minderheit der civilisirten Menschheit ist wesentlich sein Werk. Der
Spanier hatte im Hinblick auf diese universale Thätigkeit und deren Erfolge
alle Ursache, sich erhaben über andere Nationen zu fühlen. , In diesem ver¬
meintlich selbstlosen Dienst für das, was dem Volke als Fundament des Heils
erschien, in dieser gebietenden Stellung lag eine Quelle ungewöhnlichen Lebens¬
genusses, die dem ganzen Dasein höheren Schwung und Glanz verlieh.

Näher und nüchtern betrachtet aber hatte der Kampf für den Glauben und
den König, hatten die neuen Kreuzzüge gegen die Ketzer in Deutschland, England
und den Niederlanden, gegen die Heiden in Mexiko und Peru und gegen die
Barbaresken und den Großtürken auch eine sehr bedenkliche Kehrseite.

Das erste Viertel des sechzehnten Jahrhunderts hatte die neue Gestaltung
der spanischen Verhältnisse zu Ende des fünfzehnten noch fortentwickelt. Ueber¬
all blühte bürgerliche Thätigkeit auf, allenthalben hob der Kaufmann, der
Handwerker und selbst der Bauer neben dem Edelmann sein Haupt. Kaum
aber war Karl auf den Thron gelangt, als dieses Gedeihen zu stocken begann
und bald ging es damit reißend bergab. Seine Pläne nach außen hin verlangten
autokratisches Regiment und schwere Besteuerung des Landes. Das Bürgerthum
Castiliens und Valencias erhob sich dagegen und wurde mit Hilfe des Adels
und der Geistlichkeit niedergeworfen, und diese Stände spielten fortan neben
dem in Castilien so gut wie unbeschränkt herrschenden König die Hauptrolle.
Die großen Kriege in der alten und der neuen Welt begannen und vollendeten
den Ruin des bürgerlichen Elements. Ackerbau, Gewerbe und Handel wurden
mit erdrückenden Steuern belegt, wogegen der Soldat, der Beamte, der Aben¬
teurer aus den unterworfenen Ländern neben dem Bewußtsein, für Gott und
den König gestritten zu haben, glänzende Reichthümer heimbrachte. Die Folge
war, daß die Arbeit in der Werkstatt und auf dem Acker in Mißachtung ge-
neth, und mit dieser verbunden hießen der schwärmerische Glaubensdrang, die
feurige Phantasie, die ritterliche Loyalität, die von der großen Mehrzahl aus
der alten in die neue Zeit herüber bewahrt worden, alljährlich Tausende Pflug
und Handwerkszeug verlassen und der Werbetrommel folgen.

Und was der verblendete Sinn der Könige zu verderben übrig ließ, das ver-


Grenzbotm I. 1866. 22

des Friedens zuzuwenden, von Neuem mit Gedanken des Krieges und der Er¬
oberung. Zwei engverknüpfte Ausgaben waren es, welche der Ehrgeiz und die
Bigotterie dieser beiden Habsburger den Spaniern stellten: sie selbst zu Ma߬
gebenden in allen politischen Fragen zu machen und der Kirche den Sieg über
die Ketzer zu verschaffen. Die Nation erfaßte diese Aufgaben mit beispielloser
Hingebung und Energie, und man kann nicht sagen, daß sie vergeblich gekämpst
und gearbeitet. Spanien eroberte den besten Theil Amerikas, es wurde gleich¬
zeitig für drei Generationen die erste Macht Europas, und es erreichte auch auf
kirchlichem Gebiet Großes; denn die Beschränkung der reformatorischen Bewegung
auf die Minderheit der civilisirten Menschheit ist wesentlich sein Werk. Der
Spanier hatte im Hinblick auf diese universale Thätigkeit und deren Erfolge
alle Ursache, sich erhaben über andere Nationen zu fühlen. , In diesem ver¬
meintlich selbstlosen Dienst für das, was dem Volke als Fundament des Heils
erschien, in dieser gebietenden Stellung lag eine Quelle ungewöhnlichen Lebens¬
genusses, die dem ganzen Dasein höheren Schwung und Glanz verlieh.

Näher und nüchtern betrachtet aber hatte der Kampf für den Glauben und
den König, hatten die neuen Kreuzzüge gegen die Ketzer in Deutschland, England
und den Niederlanden, gegen die Heiden in Mexiko und Peru und gegen die
Barbaresken und den Großtürken auch eine sehr bedenkliche Kehrseite.

Das erste Viertel des sechzehnten Jahrhunderts hatte die neue Gestaltung
der spanischen Verhältnisse zu Ende des fünfzehnten noch fortentwickelt. Ueber¬
all blühte bürgerliche Thätigkeit auf, allenthalben hob der Kaufmann, der
Handwerker und selbst der Bauer neben dem Edelmann sein Haupt. Kaum
aber war Karl auf den Thron gelangt, als dieses Gedeihen zu stocken begann
und bald ging es damit reißend bergab. Seine Pläne nach außen hin verlangten
autokratisches Regiment und schwere Besteuerung des Landes. Das Bürgerthum
Castiliens und Valencias erhob sich dagegen und wurde mit Hilfe des Adels
und der Geistlichkeit niedergeworfen, und diese Stände spielten fortan neben
dem in Castilien so gut wie unbeschränkt herrschenden König die Hauptrolle.
Die großen Kriege in der alten und der neuen Welt begannen und vollendeten
den Ruin des bürgerlichen Elements. Ackerbau, Gewerbe und Handel wurden
mit erdrückenden Steuern belegt, wogegen der Soldat, der Beamte, der Aben¬
teurer aus den unterworfenen Ländern neben dem Bewußtsein, für Gott und
den König gestritten zu haben, glänzende Reichthümer heimbrachte. Die Folge
war, daß die Arbeit in der Werkstatt und auf dem Acker in Mißachtung ge-
neth, und mit dieser verbunden hießen der schwärmerische Glaubensdrang, die
feurige Phantasie, die ritterliche Loyalität, die von der großen Mehrzahl aus
der alten in die neue Zeit herüber bewahrt worden, alljährlich Tausende Pflug
und Handwerkszeug verlassen und der Werbetrommel folgen.

Und was der verblendete Sinn der Könige zu verderben übrig ließ, das ver-


Grenzbotm I. 1866. 22
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[0183] des Friedens zuzuwenden, von Neuem mit Gedanken des Krieges und der Er¬ oberung. Zwei engverknüpfte Ausgaben waren es, welche der Ehrgeiz und die Bigotterie dieser beiden Habsburger den Spaniern stellten: sie selbst zu Ma߬ gebenden in allen politischen Fragen zu machen und der Kirche den Sieg über die Ketzer zu verschaffen. Die Nation erfaßte diese Aufgaben mit beispielloser Hingebung und Energie, und man kann nicht sagen, daß sie vergeblich gekämpst und gearbeitet. Spanien eroberte den besten Theil Amerikas, es wurde gleich¬ zeitig für drei Generationen die erste Macht Europas, und es erreichte auch auf kirchlichem Gebiet Großes; denn die Beschränkung der reformatorischen Bewegung auf die Minderheit der civilisirten Menschheit ist wesentlich sein Werk. Der Spanier hatte im Hinblick auf diese universale Thätigkeit und deren Erfolge alle Ursache, sich erhaben über andere Nationen zu fühlen. , In diesem ver¬ meintlich selbstlosen Dienst für das, was dem Volke als Fundament des Heils erschien, in dieser gebietenden Stellung lag eine Quelle ungewöhnlichen Lebens¬ genusses, die dem ganzen Dasein höheren Schwung und Glanz verlieh. Näher und nüchtern betrachtet aber hatte der Kampf für den Glauben und den König, hatten die neuen Kreuzzüge gegen die Ketzer in Deutschland, England und den Niederlanden, gegen die Heiden in Mexiko und Peru und gegen die Barbaresken und den Großtürken auch eine sehr bedenkliche Kehrseite. Das erste Viertel des sechzehnten Jahrhunderts hatte die neue Gestaltung der spanischen Verhältnisse zu Ende des fünfzehnten noch fortentwickelt. Ueber¬ all blühte bürgerliche Thätigkeit auf, allenthalben hob der Kaufmann, der Handwerker und selbst der Bauer neben dem Edelmann sein Haupt. Kaum aber war Karl auf den Thron gelangt, als dieses Gedeihen zu stocken begann und bald ging es damit reißend bergab. Seine Pläne nach außen hin verlangten autokratisches Regiment und schwere Besteuerung des Landes. Das Bürgerthum Castiliens und Valencias erhob sich dagegen und wurde mit Hilfe des Adels und der Geistlichkeit niedergeworfen, und diese Stände spielten fortan neben dem in Castilien so gut wie unbeschränkt herrschenden König die Hauptrolle. Die großen Kriege in der alten und der neuen Welt begannen und vollendeten den Ruin des bürgerlichen Elements. Ackerbau, Gewerbe und Handel wurden mit erdrückenden Steuern belegt, wogegen der Soldat, der Beamte, der Aben¬ teurer aus den unterworfenen Ländern neben dem Bewußtsein, für Gott und den König gestritten zu haben, glänzende Reichthümer heimbrachte. Die Folge war, daß die Arbeit in der Werkstatt und auf dem Acker in Mißachtung ge- neth, und mit dieser verbunden hießen der schwärmerische Glaubensdrang, die feurige Phantasie, die ritterliche Loyalität, die von der großen Mehrzahl aus der alten in die neue Zeit herüber bewahrt worden, alljährlich Tausende Pflug und Handwerkszeug verlassen und der Werbetrommel folgen. Und was der verblendete Sinn der Könige zu verderben übrig ließ, das ver- Grenzbotm I. 1866. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/183>, abgerufen am 22.12.2024.