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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Unterricht auch in den ritterschaftlichen Schulen eine genügende Vorbereitung
für die Confirmation gewähre -- worauf es allein ankomme -- ergiebt sich nach
diesem Ausschußbericht daraus, daß die Kinder in der Regel mit dem vollendeten
vierzehnten Lebensjahre zur Confirmation gelangen. Ueber den Betrieb eines
Handwerks Seitens der Schullehrer bemerkt derselbe, daß, wenn man ihnen
diesen Betrieb entziehe und folglich ihr Einkommen anderweitig entsprechend
erhöhe, dadurch nicht nur die Gutsherrschaften eine drückende und unnöthige
Pecuniäre Last sich ausladen, sondern auch den Schullehrern viele müßige Stun¬
den geschaffen und sie zur Ueberhebung über den ihnen weislich und naturgemäß
angewiesenen, der Stellung ihrer Schulkinder und der Eltern derselben ent¬
sprechenden Standpunkt verleitet würden.

Noch deutlicher traten die Gründe der Abneigung gegen jede Hebung des
ntterschaftlichen Schulwesens in der Verhandlung selbst hervor. Herr v. Oertzen-
Kittendorf eröffnete dieselbe mit der Bemerkung: ein guter Unterricht komme aus
dem Herzen, nicht aus dem Verstände, und über das, was in der Bibel stehe,
hinaus brauchten die Kinder nichts zu wissen. Als weitere bemerkenswerthe
Aussprüche über diesen Gegenstand mögen noch folgende verzeichnet werden:
Herr Landrath v. Rieden: im Preußischen seien die Schullehrer zwar besser
besoldet als in Mecklenburg, aber dies beruhe auf dem höheren Schulgelde,
welches selbst von Unbemittelten ohne Barmherzigkeit beigetrieben werde. Herr
Klosterhauptmann v. Maltzan: Die Lage der Schullehrer müsse überall so weit
verbessert werden, daß sie wenigstens einem gut situirter Hoftagelöhner gleich¬
standen. Herr Landrath v. Plüskow: Die Handwerker seien die besten Schul-
lehrer, und es sei überhaupt mit dem Schulwesen in der Ritterschaft vortrefflich
bestellt. Herr Klockmann-Hoppenrade: Er müsse sich dagegen verwahren, daß
"seine Kinder" (er meinte die Schulkinder seines Gutes) dümmer seien, als die
Kinder in den großherzoglichen Domainen. Herr Landrath Graf v. Bassewitz:
Ein berühmter Mann in Preußen (der Name blieb verschwiegen) habe den rich¬
tigen Grundsatz aufgestellt, daß die Schullehrer immer in derselben Stellung
sich befinden müßten wie die Eltern der von ihnen unterrichteten Kinder. Da"
durch daß man in Preußen die Lehrer über den gemeinen Mann erhoben habe,
hätten jene ihren Einfluß auf die arbeitenden Classen verloren und sei der
Glaube und das religiöse Bewußtsein immer mehr geschwunden. .,

Im Einklang mit diesen Aussprüchen feudaler Weisheit ward mit V4 gegen
36 Stimmen der Beschluß gefaßt, den bockschen Antrag auf sich beruhen zu
lassen und das Schulwesen im Ritterschaftlichen auch noch fernerhin in dem
wahrhaft kläglichen Zustande zu erhalten, von welchem alljährlich die Procent,
Sätze der nicht rechnen, nicht schreiben und nicht lesen kommenden Recruten aus
der Ritterschaft ein so unwiderlegliches Zeugniß geben.

Während die Ritterschaft sich der Hebung des Schulwesens versagte, fand


Unterricht auch in den ritterschaftlichen Schulen eine genügende Vorbereitung
für die Confirmation gewähre — worauf es allein ankomme — ergiebt sich nach
diesem Ausschußbericht daraus, daß die Kinder in der Regel mit dem vollendeten
vierzehnten Lebensjahre zur Confirmation gelangen. Ueber den Betrieb eines
Handwerks Seitens der Schullehrer bemerkt derselbe, daß, wenn man ihnen
diesen Betrieb entziehe und folglich ihr Einkommen anderweitig entsprechend
erhöhe, dadurch nicht nur die Gutsherrschaften eine drückende und unnöthige
Pecuniäre Last sich ausladen, sondern auch den Schullehrern viele müßige Stun¬
den geschaffen und sie zur Ueberhebung über den ihnen weislich und naturgemäß
angewiesenen, der Stellung ihrer Schulkinder und der Eltern derselben ent¬
sprechenden Standpunkt verleitet würden.

Noch deutlicher traten die Gründe der Abneigung gegen jede Hebung des
ntterschaftlichen Schulwesens in der Verhandlung selbst hervor. Herr v. Oertzen-
Kittendorf eröffnete dieselbe mit der Bemerkung: ein guter Unterricht komme aus
dem Herzen, nicht aus dem Verstände, und über das, was in der Bibel stehe,
hinaus brauchten die Kinder nichts zu wissen. Als weitere bemerkenswerthe
Aussprüche über diesen Gegenstand mögen noch folgende verzeichnet werden:
Herr Landrath v. Rieden: im Preußischen seien die Schullehrer zwar besser
besoldet als in Mecklenburg, aber dies beruhe auf dem höheren Schulgelde,
welches selbst von Unbemittelten ohne Barmherzigkeit beigetrieben werde. Herr
Klosterhauptmann v. Maltzan: Die Lage der Schullehrer müsse überall so weit
verbessert werden, daß sie wenigstens einem gut situirter Hoftagelöhner gleich¬
standen. Herr Landrath v. Plüskow: Die Handwerker seien die besten Schul-
lehrer, und es sei überhaupt mit dem Schulwesen in der Ritterschaft vortrefflich
bestellt. Herr Klockmann-Hoppenrade: Er müsse sich dagegen verwahren, daß
"seine Kinder" (er meinte die Schulkinder seines Gutes) dümmer seien, als die
Kinder in den großherzoglichen Domainen. Herr Landrath Graf v. Bassewitz:
Ein berühmter Mann in Preußen (der Name blieb verschwiegen) habe den rich¬
tigen Grundsatz aufgestellt, daß die Schullehrer immer in derselben Stellung
sich befinden müßten wie die Eltern der von ihnen unterrichteten Kinder. Da»
durch daß man in Preußen die Lehrer über den gemeinen Mann erhoben habe,
hätten jene ihren Einfluß auf die arbeitenden Classen verloren und sei der
Glaube und das religiöse Bewußtsein immer mehr geschwunden. .,

Im Einklang mit diesen Aussprüchen feudaler Weisheit ward mit V4 gegen
36 Stimmen der Beschluß gefaßt, den bockschen Antrag auf sich beruhen zu
lassen und das Schulwesen im Ritterschaftlichen auch noch fernerhin in dem
wahrhaft kläglichen Zustande zu erhalten, von welchem alljährlich die Procent,
Sätze der nicht rechnen, nicht schreiben und nicht lesen kommenden Recruten aus
der Ritterschaft ein so unwiderlegliches Zeugniß geben.

Während die Ritterschaft sich der Hebung des Schulwesens versagte, fand


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[0179] Unterricht auch in den ritterschaftlichen Schulen eine genügende Vorbereitung für die Confirmation gewähre — worauf es allein ankomme — ergiebt sich nach diesem Ausschußbericht daraus, daß die Kinder in der Regel mit dem vollendeten vierzehnten Lebensjahre zur Confirmation gelangen. Ueber den Betrieb eines Handwerks Seitens der Schullehrer bemerkt derselbe, daß, wenn man ihnen diesen Betrieb entziehe und folglich ihr Einkommen anderweitig entsprechend erhöhe, dadurch nicht nur die Gutsherrschaften eine drückende und unnöthige Pecuniäre Last sich ausladen, sondern auch den Schullehrern viele müßige Stun¬ den geschaffen und sie zur Ueberhebung über den ihnen weislich und naturgemäß angewiesenen, der Stellung ihrer Schulkinder und der Eltern derselben ent¬ sprechenden Standpunkt verleitet würden. Noch deutlicher traten die Gründe der Abneigung gegen jede Hebung des ntterschaftlichen Schulwesens in der Verhandlung selbst hervor. Herr v. Oertzen- Kittendorf eröffnete dieselbe mit der Bemerkung: ein guter Unterricht komme aus dem Herzen, nicht aus dem Verstände, und über das, was in der Bibel stehe, hinaus brauchten die Kinder nichts zu wissen. Als weitere bemerkenswerthe Aussprüche über diesen Gegenstand mögen noch folgende verzeichnet werden: Herr Landrath v. Rieden: im Preußischen seien die Schullehrer zwar besser besoldet als in Mecklenburg, aber dies beruhe auf dem höheren Schulgelde, welches selbst von Unbemittelten ohne Barmherzigkeit beigetrieben werde. Herr Klosterhauptmann v. Maltzan: Die Lage der Schullehrer müsse überall so weit verbessert werden, daß sie wenigstens einem gut situirter Hoftagelöhner gleich¬ standen. Herr Landrath v. Plüskow: Die Handwerker seien die besten Schul- lehrer, und es sei überhaupt mit dem Schulwesen in der Ritterschaft vortrefflich bestellt. Herr Klockmann-Hoppenrade: Er müsse sich dagegen verwahren, daß "seine Kinder" (er meinte die Schulkinder seines Gutes) dümmer seien, als die Kinder in den großherzoglichen Domainen. Herr Landrath Graf v. Bassewitz: Ein berühmter Mann in Preußen (der Name blieb verschwiegen) habe den rich¬ tigen Grundsatz aufgestellt, daß die Schullehrer immer in derselben Stellung sich befinden müßten wie die Eltern der von ihnen unterrichteten Kinder. Da» durch daß man in Preußen die Lehrer über den gemeinen Mann erhoben habe, hätten jene ihren Einfluß auf die arbeitenden Classen verloren und sei der Glaube und das religiöse Bewußtsein immer mehr geschwunden. ., Im Einklang mit diesen Aussprüchen feudaler Weisheit ward mit V4 gegen 36 Stimmen der Beschluß gefaßt, den bockschen Antrag auf sich beruhen zu lassen und das Schulwesen im Ritterschaftlichen auch noch fernerhin in dem wahrhaft kläglichen Zustande zu erhalten, von welchem alljährlich die Procent, Sätze der nicht rechnen, nicht schreiben und nicht lesen kommenden Recruten aus der Ritterschaft ein so unwiderlegliches Zeugniß geben. Während die Ritterschaft sich der Hebung des Schulwesens versagte, fand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/179>, abgerufen am 28.09.2024.