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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Anforderungen, die dürftige pecunicire Stellung der SchuUehrer, die Bestimmungen
über die Sommerschule. Er rügte, daß für die Ausbildung der ritterschaftlichen
Schullehrer keine Vorkehr getroffen sei, da das Seminar zu Dobbertin eine viel
zu kleine Anzahl und auch diese nur ungenügend ausbilde. Die Prüfung durch
den Präpösitus gebe nicht die geringste Gewähr für die Lehrfähigkeit. Die
Normen für das Einkommen seien deshalb in dem Gesetz so niedrig gegriffen,
weil vorausgesetzt werde, daß der Schullehrer ein Handwerk betreibe und aus
diesem einen wesentlichen Theil seines Einkommens ziehe. Folge davon sei,
daß die Lehrer in die größte Versuchung gerathen, die Schule als Nebensache
zu betrachten; auch die Prüfung müsse an Strenge verlieren, wenn sie zu be¬
rücksichtigen habe, daß der Lehrer gezwungen sei, einen wesentlichen Theil seines
Unterhalts aus der Betreibung eines Handwerks zu erwerben. Es sei demnach
auf Wegfall des Handwerksbetriebes der Schullehrer und Erhöhung ihres Lehrer-
einkommens hinzuwirken, auch dafür Sorge zu tragen, daß letzteres den ins¬
gesammt auf halbjährige Kündigung angestellten Lehrern nicht nach Willkür
geschmälert oder durch Kündigung ganz entzogen werden könne. Endlich wird
es getadelt, daß der Schulbesuch im Sommer aus vier Stunden wöchentlich
beschränkt sei, wobei Schulkinder und Lehrer nur Rückschritte machen könnten,
und der aus dieses alles gestützte Reformantrag dahin formulirt: daß für die
ritterschaftlichen Schulen tüchtige Lehrer seminaristisch ausgebildet werden; daß
dieselben nur angestellt werden, wenn sie ein Zeugniß des Seminars über ge¬
nügende Kenntnisse und Lehrfähigkeit und über ihre sittliche Führung besitzen;
daß ihre pecunicire Stellung verbessert und gesichert und die Sommerschule auf
mindestens vier Stunden täglich erweitert werde. Bei dem Allen sind die
Forderungen des Antragstellers hinsichtlich des SchulzielS nichts weniger als
hochfliegend, indem er den Unterricht im Rechnen und Schreiben nur für
"dringend wünschenswerth", für unbedingt erforderlich aber nur die Ausbildung
bis zum fließenden Lesen und für die Hauptsache den Religionsunterricht erklärt,
jedoch einen solchen, wo nicht blos ein mechanisches Auswendiglernen des
Katechismus, sondern eine Aneignung des Wortes Gottes mit dem Gemüth
als Aufgabe vorschwebe. Daß die gewöhnlichen Handwerker-Schullehrer nicht
im Stande sind, den Unterricht in diesem Sinne zu leiten, dafür beruft sich
Herr Bock auf den Umstand, "daß die Kinder aus vielen Schulen zur Zeit der
Confirmation kaum eine Frage beantworten können, die nicht im Katechis-
mus steht".

Anders Machten über diesen Gegenstand die fünf Ritter und sechs Bürger-
meister, welche das sogenannte ,,Polizeicomit6" des Landtag" bildeten, zu dessen
Ressort auch die Schulsachen gehören. Der auf Grund der Prüfung des An-
trags von ihnen einstimmig ertheilte Rath ging dahin, daß Ritter- und Land¬
schaft beschließen möchten, den Antrag auf sich beruhen zu lassen. Daß der


Anforderungen, die dürftige pecunicire Stellung der SchuUehrer, die Bestimmungen
über die Sommerschule. Er rügte, daß für die Ausbildung der ritterschaftlichen
Schullehrer keine Vorkehr getroffen sei, da das Seminar zu Dobbertin eine viel
zu kleine Anzahl und auch diese nur ungenügend ausbilde. Die Prüfung durch
den Präpösitus gebe nicht die geringste Gewähr für die Lehrfähigkeit. Die
Normen für das Einkommen seien deshalb in dem Gesetz so niedrig gegriffen,
weil vorausgesetzt werde, daß der Schullehrer ein Handwerk betreibe und aus
diesem einen wesentlichen Theil seines Einkommens ziehe. Folge davon sei,
daß die Lehrer in die größte Versuchung gerathen, die Schule als Nebensache
zu betrachten; auch die Prüfung müsse an Strenge verlieren, wenn sie zu be¬
rücksichtigen habe, daß der Lehrer gezwungen sei, einen wesentlichen Theil seines
Unterhalts aus der Betreibung eines Handwerks zu erwerben. Es sei demnach
auf Wegfall des Handwerksbetriebes der Schullehrer und Erhöhung ihres Lehrer-
einkommens hinzuwirken, auch dafür Sorge zu tragen, daß letzteres den ins¬
gesammt auf halbjährige Kündigung angestellten Lehrern nicht nach Willkür
geschmälert oder durch Kündigung ganz entzogen werden könne. Endlich wird
es getadelt, daß der Schulbesuch im Sommer aus vier Stunden wöchentlich
beschränkt sei, wobei Schulkinder und Lehrer nur Rückschritte machen könnten,
und der aus dieses alles gestützte Reformantrag dahin formulirt: daß für die
ritterschaftlichen Schulen tüchtige Lehrer seminaristisch ausgebildet werden; daß
dieselben nur angestellt werden, wenn sie ein Zeugniß des Seminars über ge¬
nügende Kenntnisse und Lehrfähigkeit und über ihre sittliche Führung besitzen;
daß ihre pecunicire Stellung verbessert und gesichert und die Sommerschule auf
mindestens vier Stunden täglich erweitert werde. Bei dem Allen sind die
Forderungen des Antragstellers hinsichtlich des SchulzielS nichts weniger als
hochfliegend, indem er den Unterricht im Rechnen und Schreiben nur für
„dringend wünschenswerth", für unbedingt erforderlich aber nur die Ausbildung
bis zum fließenden Lesen und für die Hauptsache den Religionsunterricht erklärt,
jedoch einen solchen, wo nicht blos ein mechanisches Auswendiglernen des
Katechismus, sondern eine Aneignung des Wortes Gottes mit dem Gemüth
als Aufgabe vorschwebe. Daß die gewöhnlichen Handwerker-Schullehrer nicht
im Stande sind, den Unterricht in diesem Sinne zu leiten, dafür beruft sich
Herr Bock auf den Umstand, „daß die Kinder aus vielen Schulen zur Zeit der
Confirmation kaum eine Frage beantworten können, die nicht im Katechis-
mus steht".

Anders Machten über diesen Gegenstand die fünf Ritter und sechs Bürger-
meister, welche das sogenannte ,,Polizeicomit6" des Landtag» bildeten, zu dessen
Ressort auch die Schulsachen gehören. Der auf Grund der Prüfung des An-
trags von ihnen einstimmig ertheilte Rath ging dahin, daß Ritter- und Land¬
schaft beschließen möchten, den Antrag auf sich beruhen zu lassen. Daß der


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[0178] Anforderungen, die dürftige pecunicire Stellung der SchuUehrer, die Bestimmungen über die Sommerschule. Er rügte, daß für die Ausbildung der ritterschaftlichen Schullehrer keine Vorkehr getroffen sei, da das Seminar zu Dobbertin eine viel zu kleine Anzahl und auch diese nur ungenügend ausbilde. Die Prüfung durch den Präpösitus gebe nicht die geringste Gewähr für die Lehrfähigkeit. Die Normen für das Einkommen seien deshalb in dem Gesetz so niedrig gegriffen, weil vorausgesetzt werde, daß der Schullehrer ein Handwerk betreibe und aus diesem einen wesentlichen Theil seines Einkommens ziehe. Folge davon sei, daß die Lehrer in die größte Versuchung gerathen, die Schule als Nebensache zu betrachten; auch die Prüfung müsse an Strenge verlieren, wenn sie zu be¬ rücksichtigen habe, daß der Lehrer gezwungen sei, einen wesentlichen Theil seines Unterhalts aus der Betreibung eines Handwerks zu erwerben. Es sei demnach auf Wegfall des Handwerksbetriebes der Schullehrer und Erhöhung ihres Lehrer- einkommens hinzuwirken, auch dafür Sorge zu tragen, daß letzteres den ins¬ gesammt auf halbjährige Kündigung angestellten Lehrern nicht nach Willkür geschmälert oder durch Kündigung ganz entzogen werden könne. Endlich wird es getadelt, daß der Schulbesuch im Sommer aus vier Stunden wöchentlich beschränkt sei, wobei Schulkinder und Lehrer nur Rückschritte machen könnten, und der aus dieses alles gestützte Reformantrag dahin formulirt: daß für die ritterschaftlichen Schulen tüchtige Lehrer seminaristisch ausgebildet werden; daß dieselben nur angestellt werden, wenn sie ein Zeugniß des Seminars über ge¬ nügende Kenntnisse und Lehrfähigkeit und über ihre sittliche Führung besitzen; daß ihre pecunicire Stellung verbessert und gesichert und die Sommerschule auf mindestens vier Stunden täglich erweitert werde. Bei dem Allen sind die Forderungen des Antragstellers hinsichtlich des SchulzielS nichts weniger als hochfliegend, indem er den Unterricht im Rechnen und Schreiben nur für „dringend wünschenswerth", für unbedingt erforderlich aber nur die Ausbildung bis zum fließenden Lesen und für die Hauptsache den Religionsunterricht erklärt, jedoch einen solchen, wo nicht blos ein mechanisches Auswendiglernen des Katechismus, sondern eine Aneignung des Wortes Gottes mit dem Gemüth als Aufgabe vorschwebe. Daß die gewöhnlichen Handwerker-Schullehrer nicht im Stande sind, den Unterricht in diesem Sinne zu leiten, dafür beruft sich Herr Bock auf den Umstand, „daß die Kinder aus vielen Schulen zur Zeit der Confirmation kaum eine Frage beantworten können, die nicht im Katechis- mus steht". Anders Machten über diesen Gegenstand die fünf Ritter und sechs Bürger- meister, welche das sogenannte ,,Polizeicomit6" des Landtag» bildeten, zu dessen Ressort auch die Schulsachen gehören. Der auf Grund der Prüfung des An- trags von ihnen einstimmig ertheilte Rath ging dahin, daß Ritter- und Land¬ schaft beschließen möchten, den Antrag auf sich beruhen zu lassen. Daß der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/178>, abgerufen am 22.12.2024.