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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Herr v. Varnbüler natürlich zu schätzen. Unbezahlbar ist die Ausdauer, mit
der sie einen Kantönligeist zu pflanzen, den Sinn des Volks in einen klein¬
lichen Gesichtskreis festzubannen sucht, uno was damals niemand begreisen
konnte, als sie vom Verlangen nach einer That beseelt im Frühjahr 1864 mit¬
ten von der Schleswigholsteiu-Bewegung hinweg sich als eigene Partei zu con-
stituiren versuchte, erwies sich als eine nicht übel angelegte Berechnung. Sie
that was an ihr war, den Patriotismus zu localistren, den Sinn für die gro¬
ßen Momente in der Herzogthümcrfrage zu ersticken und was als eine nationale
Angelegenheit im höchsten Sinne und vor allem als eine Machtfrage des Vater¬
lands zu werthen war. herabzudrücken zu einem Handel, bei dem die Behauptung
der provinziellen Autonomie, der Widerstand gegen die Einheit die Haupt¬
sache war.

Daß eine solche Richtung auch auswärts einige wenigstens verwandte Ele¬
mente fand, daß sie bei der gegenwärtigen Regierung in Preußen selbst dort
eines vereinzelten Beifalls sich erfreuen durste, ist erklärlich. Aber ein Anderes
war es nun, diese Elemente zu einer Partei zusammenzuschließen, so daß sie
mit einigem Anspruch, in öffentlichen Dingen gehört zu werden, auftreten konnte.
Eine Partei ist nicht denkbar ohne gemeinsame positive Zielpunkte. Was aber
die Föderativdemotratcn in und außerhalb Schwaben zusammenhielt, war.nur
ein Negatives, der Haß gegen Preußen, außerdem unklare phantastische Ideale.
Daraus eine Partei zu gründen, war ein schwieriges Unternehmen, das noch
nicht hat gelingen wollen. Seit zwei Jahren ist es "die Organisation der
Partei". welche die Kosten unzähliger Leitartikel und verschiedener Versammlun¬
gen trägt, immer wieder nichts als die "Organisation der Partei", ein Beweis,
daß es eben mit dieser Organisation nicht vorwärts will. Bewundernswerth
ist die Kunst der Reclame, unermüdlich der zudringliche Eiser, die öffentliche
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und so lange schon reden sie dem Publikum
vor, daß sie eine Partei seien, daß man es ja endlich herzlich gern glauben
möchte, wenn es nur wahr wäre.

Mit Heiterkeit hat man bei uns die Nachricht vernommen, daß die Ver¬
sammlung der Volkspartei zu Bamberg ihren Vorort von Nürnberg nach Stutt¬
gart verlegt habe. Man weiß, daß bis jetzt jeder Versuch scheiterte, die neue
Partei unter den Hut eines Programms zu bringen. In Darmstadt war da"
Triasprvgramm der Stuttgarter dmchgefallen, und es schrieb sich daher eine
gewisse Spannung zwischen Herrn Eckardt, dem Redacteur des deutschen Wochen¬
blatts, und den Herren vom Beobachter. Letztere waren überhaupt verstimmt.
In Bamberg glänzten sie sogar durch ihre Abwesenheit; Eckardt machte hier
den Versuch mit einem neuen Programm, das auf die Födcrativrepublik lautete,
aber auch dieses siel durch, indem, wie glaubhaft verlautet > nur drei Stimmen
für dasselbe sich erhoben. Unterdessen scheint Herr Cramer von Doos des


Herr v. Varnbüler natürlich zu schätzen. Unbezahlbar ist die Ausdauer, mit
der sie einen Kantönligeist zu pflanzen, den Sinn des Volks in einen klein¬
lichen Gesichtskreis festzubannen sucht, uno was damals niemand begreisen
konnte, als sie vom Verlangen nach einer That beseelt im Frühjahr 1864 mit¬
ten von der Schleswigholsteiu-Bewegung hinweg sich als eigene Partei zu con-
stituiren versuchte, erwies sich als eine nicht übel angelegte Berechnung. Sie
that was an ihr war, den Patriotismus zu localistren, den Sinn für die gro¬
ßen Momente in der Herzogthümcrfrage zu ersticken und was als eine nationale
Angelegenheit im höchsten Sinne und vor allem als eine Machtfrage des Vater¬
lands zu werthen war. herabzudrücken zu einem Handel, bei dem die Behauptung
der provinziellen Autonomie, der Widerstand gegen die Einheit die Haupt¬
sache war.

Daß eine solche Richtung auch auswärts einige wenigstens verwandte Ele¬
mente fand, daß sie bei der gegenwärtigen Regierung in Preußen selbst dort
eines vereinzelten Beifalls sich erfreuen durste, ist erklärlich. Aber ein Anderes
war es nun, diese Elemente zu einer Partei zusammenzuschließen, so daß sie
mit einigem Anspruch, in öffentlichen Dingen gehört zu werden, auftreten konnte.
Eine Partei ist nicht denkbar ohne gemeinsame positive Zielpunkte. Was aber
die Föderativdemotratcn in und außerhalb Schwaben zusammenhielt, war.nur
ein Negatives, der Haß gegen Preußen, außerdem unklare phantastische Ideale.
Daraus eine Partei zu gründen, war ein schwieriges Unternehmen, das noch
nicht hat gelingen wollen. Seit zwei Jahren ist es „die Organisation der
Partei". welche die Kosten unzähliger Leitartikel und verschiedener Versammlun¬
gen trägt, immer wieder nichts als die „Organisation der Partei", ein Beweis,
daß es eben mit dieser Organisation nicht vorwärts will. Bewundernswerth
ist die Kunst der Reclame, unermüdlich der zudringliche Eiser, die öffentliche
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und so lange schon reden sie dem Publikum
vor, daß sie eine Partei seien, daß man es ja endlich herzlich gern glauben
möchte, wenn es nur wahr wäre.

Mit Heiterkeit hat man bei uns die Nachricht vernommen, daß die Ver¬
sammlung der Volkspartei zu Bamberg ihren Vorort von Nürnberg nach Stutt¬
gart verlegt habe. Man weiß, daß bis jetzt jeder Versuch scheiterte, die neue
Partei unter den Hut eines Programms zu bringen. In Darmstadt war da»
Triasprvgramm der Stuttgarter dmchgefallen, und es schrieb sich daher eine
gewisse Spannung zwischen Herrn Eckardt, dem Redacteur des deutschen Wochen¬
blatts, und den Herren vom Beobachter. Letztere waren überhaupt verstimmt.
In Bamberg glänzten sie sogar durch ihre Abwesenheit; Eckardt machte hier
den Versuch mit einem neuen Programm, das auf die Födcrativrepublik lautete,
aber auch dieses siel durch, indem, wie glaubhaft verlautet > nur drei Stimmen
für dasselbe sich erhoben. Unterdessen scheint Herr Cramer von Doos des


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[0162] Herr v. Varnbüler natürlich zu schätzen. Unbezahlbar ist die Ausdauer, mit der sie einen Kantönligeist zu pflanzen, den Sinn des Volks in einen klein¬ lichen Gesichtskreis festzubannen sucht, uno was damals niemand begreisen konnte, als sie vom Verlangen nach einer That beseelt im Frühjahr 1864 mit¬ ten von der Schleswigholsteiu-Bewegung hinweg sich als eigene Partei zu con- stituiren versuchte, erwies sich als eine nicht übel angelegte Berechnung. Sie that was an ihr war, den Patriotismus zu localistren, den Sinn für die gro¬ ßen Momente in der Herzogthümcrfrage zu ersticken und was als eine nationale Angelegenheit im höchsten Sinne und vor allem als eine Machtfrage des Vater¬ lands zu werthen war. herabzudrücken zu einem Handel, bei dem die Behauptung der provinziellen Autonomie, der Widerstand gegen die Einheit die Haupt¬ sache war. Daß eine solche Richtung auch auswärts einige wenigstens verwandte Ele¬ mente fand, daß sie bei der gegenwärtigen Regierung in Preußen selbst dort eines vereinzelten Beifalls sich erfreuen durste, ist erklärlich. Aber ein Anderes war es nun, diese Elemente zu einer Partei zusammenzuschließen, so daß sie mit einigem Anspruch, in öffentlichen Dingen gehört zu werden, auftreten konnte. Eine Partei ist nicht denkbar ohne gemeinsame positive Zielpunkte. Was aber die Föderativdemotratcn in und außerhalb Schwaben zusammenhielt, war.nur ein Negatives, der Haß gegen Preußen, außerdem unklare phantastische Ideale. Daraus eine Partei zu gründen, war ein schwieriges Unternehmen, das noch nicht hat gelingen wollen. Seit zwei Jahren ist es „die Organisation der Partei". welche die Kosten unzähliger Leitartikel und verschiedener Versammlun¬ gen trägt, immer wieder nichts als die „Organisation der Partei", ein Beweis, daß es eben mit dieser Organisation nicht vorwärts will. Bewundernswerth ist die Kunst der Reclame, unermüdlich der zudringliche Eiser, die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und so lange schon reden sie dem Publikum vor, daß sie eine Partei seien, daß man es ja endlich herzlich gern glauben möchte, wenn es nur wahr wäre. Mit Heiterkeit hat man bei uns die Nachricht vernommen, daß die Ver¬ sammlung der Volkspartei zu Bamberg ihren Vorort von Nürnberg nach Stutt¬ gart verlegt habe. Man weiß, daß bis jetzt jeder Versuch scheiterte, die neue Partei unter den Hut eines Programms zu bringen. In Darmstadt war da» Triasprvgramm der Stuttgarter dmchgefallen, und es schrieb sich daher eine gewisse Spannung zwischen Herrn Eckardt, dem Redacteur des deutschen Wochen¬ blatts, und den Herren vom Beobachter. Letztere waren überhaupt verstimmt. In Bamberg glänzten sie sogar durch ihre Abwesenheit; Eckardt machte hier den Versuch mit einem neuen Programm, das auf die Födcrativrepublik lautete, aber auch dieses siel durch, indem, wie glaubhaft verlautet > nur drei Stimmen für dasselbe sich erhoben. Unterdessen scheint Herr Cramer von Doos des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/162>, abgerufen am 29.06.2024.