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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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nach Venetien und Wälschtirol ausstrecke. Ob er nun inzwischen von Seiten
des florentiner Cabinets in dieser Beziehung beruhigende Zusicherungen erhal-
ten hat. muß dahingestellt bleiben. Gewiß ist. daß er auch diesmal mit Grazie
sich ins Unvermeidliche geschickt hat. War die aufregende Kühnheit, mit der
Bayern und Sachsen vorgegangen waren, nicht nach seinem Geschmack, so wollte
man doch die wenig beneidenswerthe Rolle, die von der Wiederherstellung des
Zollvereins noch unvergessen war, nicht zum zweiten Male spielen. Man drängte
sich nicht vor. man gefiel sich aber auch nicht in einer aussichtslosen Hart,
näckigkeit wie Hannover: still und geräuschlos that man. was man nicht lassen
konnte.

Solche Erfolge der auswärtigen Politik sind immerhin zweifelhafter Natur;
es giebt innere Erfolge, auf welche Herr v. Varnbüler um so stolzer sein darf.
Man erzählte, er habe sich das besondere Vertrauen des Königs vor allem da¬
durch erworben, daß er diesen darauf hinwies, wie zahm das einst gefürchtete
Organ der Demokratie, der Beobachter, seit seiner Amtsführung geworden sei.
Nun repräsentirt diese" Blatt freilich nur einen Theil und nicht den größeren
Theil unserer Demokratie, aber mit der Zähmung hat es allerdings seine Richtig¬
keit, wenn es auch nicht erst Herr v. Varnbüler ist. der die Brauchbarkeit der
föderalistischen Theorien für die dynastischen Zwecke entdeckt hat. Diese Födera¬
listen haben sich freilich auf der äußersten Linken postirt, ihre Ideale liegen in
der Schweiz und jenseit des Oceans, aber nur um so werthvoller wird dadurch
ihre Bundesgenossenschaft. Denn wenn sie auch in ihren Doctrinen den kühnsten
Abstraktionen sich überlassen, so ist das überaus ungefährlich; dagegen ist es
sehr nützlich, daß sie durch ihre nunmehr ganz ungescheute Polemik gegen die
nationale Einheit der Sache des Detailfürstcnthums einen populären Nimbus
verleihen. Was sie in Sachen der Theorie leisten, ist durchaus harmlos. Selbst
die verblümte Drohung mit der Revolution, die sich zuweilen hervorwagt, ist
ungefährlich; unverblümt hat ja doch das k. k. Einladungsschreiben zum Fürsten¬
tag die Revolution an die Wand gemalt; und warum z. B. an den mit be-
neidenswerther Ausdauer endlos ausgesponnenen Artikeln über die schweizerische
Heeresverfassung, welche die stehenden Lückenbüßer sind, den mindesten Anstoß
nehmen! Was sie dagegen wirklich leisten, konnte nicht willkommener sein, die
emsige Schürung des Preußenhasses, die systematische Bekämpfung der Einheits¬
tendenz, die Polemik gegen die politische Centralisation, welcher sie in nicht
mehr ungewöhnlicher, sei es bewußter oder unbewußter Weise, das Schreckbild
der administrativen Centralisation unterschieben, oder endlich die poetische Ver¬
herrlichung der.gemüthlichen Existenz eines Kleinstaats mit seiner Kernbevölkerung,
seinen traulichen Ortschaften, rauschenden Wäldern und der niedlichen Ver¬
fassung.

Den We-rei) einer solchen Partei weiß ein unbefangener Staatsmann wie


nach Venetien und Wälschtirol ausstrecke. Ob er nun inzwischen von Seiten
des florentiner Cabinets in dieser Beziehung beruhigende Zusicherungen erhal-
ten hat. muß dahingestellt bleiben. Gewiß ist. daß er auch diesmal mit Grazie
sich ins Unvermeidliche geschickt hat. War die aufregende Kühnheit, mit der
Bayern und Sachsen vorgegangen waren, nicht nach seinem Geschmack, so wollte
man doch die wenig beneidenswerthe Rolle, die von der Wiederherstellung des
Zollvereins noch unvergessen war, nicht zum zweiten Male spielen. Man drängte
sich nicht vor. man gefiel sich aber auch nicht in einer aussichtslosen Hart,
näckigkeit wie Hannover: still und geräuschlos that man. was man nicht lassen
konnte.

Solche Erfolge der auswärtigen Politik sind immerhin zweifelhafter Natur;
es giebt innere Erfolge, auf welche Herr v. Varnbüler um so stolzer sein darf.
Man erzählte, er habe sich das besondere Vertrauen des Königs vor allem da¬
durch erworben, daß er diesen darauf hinwies, wie zahm das einst gefürchtete
Organ der Demokratie, der Beobachter, seit seiner Amtsführung geworden sei.
Nun repräsentirt diese« Blatt freilich nur einen Theil und nicht den größeren
Theil unserer Demokratie, aber mit der Zähmung hat es allerdings seine Richtig¬
keit, wenn es auch nicht erst Herr v. Varnbüler ist. der die Brauchbarkeit der
föderalistischen Theorien für die dynastischen Zwecke entdeckt hat. Diese Födera¬
listen haben sich freilich auf der äußersten Linken postirt, ihre Ideale liegen in
der Schweiz und jenseit des Oceans, aber nur um so werthvoller wird dadurch
ihre Bundesgenossenschaft. Denn wenn sie auch in ihren Doctrinen den kühnsten
Abstraktionen sich überlassen, so ist das überaus ungefährlich; dagegen ist es
sehr nützlich, daß sie durch ihre nunmehr ganz ungescheute Polemik gegen die
nationale Einheit der Sache des Detailfürstcnthums einen populären Nimbus
verleihen. Was sie in Sachen der Theorie leisten, ist durchaus harmlos. Selbst
die verblümte Drohung mit der Revolution, die sich zuweilen hervorwagt, ist
ungefährlich; unverblümt hat ja doch das k. k. Einladungsschreiben zum Fürsten¬
tag die Revolution an die Wand gemalt; und warum z. B. an den mit be-
neidenswerther Ausdauer endlos ausgesponnenen Artikeln über die schweizerische
Heeresverfassung, welche die stehenden Lückenbüßer sind, den mindesten Anstoß
nehmen! Was sie dagegen wirklich leisten, konnte nicht willkommener sein, die
emsige Schürung des Preußenhasses, die systematische Bekämpfung der Einheits¬
tendenz, die Polemik gegen die politische Centralisation, welcher sie in nicht
mehr ungewöhnlicher, sei es bewußter oder unbewußter Weise, das Schreckbild
der administrativen Centralisation unterschieben, oder endlich die poetische Ver¬
herrlichung der.gemüthlichen Existenz eines Kleinstaats mit seiner Kernbevölkerung,
seinen traulichen Ortschaften, rauschenden Wäldern und der niedlichen Ver¬
fassung.

Den We-rei) einer solchen Partei weiß ein unbefangener Staatsmann wie


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[0161] nach Venetien und Wälschtirol ausstrecke. Ob er nun inzwischen von Seiten des florentiner Cabinets in dieser Beziehung beruhigende Zusicherungen erhal- ten hat. muß dahingestellt bleiben. Gewiß ist. daß er auch diesmal mit Grazie sich ins Unvermeidliche geschickt hat. War die aufregende Kühnheit, mit der Bayern und Sachsen vorgegangen waren, nicht nach seinem Geschmack, so wollte man doch die wenig beneidenswerthe Rolle, die von der Wiederherstellung des Zollvereins noch unvergessen war, nicht zum zweiten Male spielen. Man drängte sich nicht vor. man gefiel sich aber auch nicht in einer aussichtslosen Hart, näckigkeit wie Hannover: still und geräuschlos that man. was man nicht lassen konnte. Solche Erfolge der auswärtigen Politik sind immerhin zweifelhafter Natur; es giebt innere Erfolge, auf welche Herr v. Varnbüler um so stolzer sein darf. Man erzählte, er habe sich das besondere Vertrauen des Königs vor allem da¬ durch erworben, daß er diesen darauf hinwies, wie zahm das einst gefürchtete Organ der Demokratie, der Beobachter, seit seiner Amtsführung geworden sei. Nun repräsentirt diese« Blatt freilich nur einen Theil und nicht den größeren Theil unserer Demokratie, aber mit der Zähmung hat es allerdings seine Richtig¬ keit, wenn es auch nicht erst Herr v. Varnbüler ist. der die Brauchbarkeit der föderalistischen Theorien für die dynastischen Zwecke entdeckt hat. Diese Födera¬ listen haben sich freilich auf der äußersten Linken postirt, ihre Ideale liegen in der Schweiz und jenseit des Oceans, aber nur um so werthvoller wird dadurch ihre Bundesgenossenschaft. Denn wenn sie auch in ihren Doctrinen den kühnsten Abstraktionen sich überlassen, so ist das überaus ungefährlich; dagegen ist es sehr nützlich, daß sie durch ihre nunmehr ganz ungescheute Polemik gegen die nationale Einheit der Sache des Detailfürstcnthums einen populären Nimbus verleihen. Was sie in Sachen der Theorie leisten, ist durchaus harmlos. Selbst die verblümte Drohung mit der Revolution, die sich zuweilen hervorwagt, ist ungefährlich; unverblümt hat ja doch das k. k. Einladungsschreiben zum Fürsten¬ tag die Revolution an die Wand gemalt; und warum z. B. an den mit be- neidenswerther Ausdauer endlos ausgesponnenen Artikeln über die schweizerische Heeresverfassung, welche die stehenden Lückenbüßer sind, den mindesten Anstoß nehmen! Was sie dagegen wirklich leisten, konnte nicht willkommener sein, die emsige Schürung des Preußenhasses, die systematische Bekämpfung der Einheits¬ tendenz, die Polemik gegen die politische Centralisation, welcher sie in nicht mehr ungewöhnlicher, sei es bewußter oder unbewußter Weise, das Schreckbild der administrativen Centralisation unterschieben, oder endlich die poetische Ver¬ herrlichung der.gemüthlichen Existenz eines Kleinstaats mit seiner Kernbevölkerung, seinen traulichen Ortschaften, rauschenden Wäldern und der niedlichen Ver¬ fassung. Den We-rei) einer solchen Partei weiß ein unbefangener Staatsmann wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/161>, abgerufen am 29.06.2024.