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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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ans, wie unten an der Straße französische Chasseurs und ein Trupp preußischer
Reiter, der die Bedeckung von einer Kanone und Pulverwagen bildete, aufein¬
ander schössen. Einige von den Preußen und auch ein französischer Husar sind
dabei geblieben und liegen in unserer Flur begraben. Obige Kanone und Pul¬
verwagen hatten die Preußen an der Straße stehen lassen, welche hernach die
Franzosen holten, nachdem die hiesigen Einwohner viel Pulver vorher daraus
genommen hatten. Viele Mantelsäcke, Betten. Päckte, Kleider und Gewehre
waren weggeworfen, wovon solche, die es wagten, hinunter an die Straße
zu gehen, sich etwas zueigneten; das Meiste aber hatten die Witterdaischen und
Dachwicher geholt.

Am Tag nach der Kirmse, den Freitag, erschien ein Salons eonäuetus,
den ich von dem damaligen Prinz Murat in Erfurt ausgewirkt hatte, der
den französischen Truppen alles Plündern in gothaischen Landen untersagte.
Aber immer kamen noch Nachzügler, die Miene zum Plündern machten, und
ich selbst hatte noch mit zwei Reitern einen Streit darüber, und mußte ihnen
erst die gedruckte Ordre von Prinz Murat vorlesen, davon auch mir ein Exemplar
zugesendet worden war, worauf sie mit Unwillen fortritten.

Im Orte war kein Bissen Brod mehr, es mußte daher den ganzen Tag
gebacken werden. -- Darauf wurde es wieder still, das Kricgsgetümmel hörte
auf, die Leute gingen traurig umher, sie dachten an den großen Schaden und
suchten sich zu helfen, so gut sie konnten.

Seit dem tilsitcr Frieden kamen schwere Jahre, das unaufhörliche Hin-
und Herziehen der französischen Truppen brachte in unser Dorf stets neue Ein-
quartierung; wir mußten die Soldaten umsonst aufnehmen und ernähren. Wir
alle wurden arm und die Zucht im Dorfe wurde schlecht. Wie auch aus den
Kirchenbüchern zu sehen. In der Geschichte Deutschlands wirb aufgezeichnet
werden, unter welchen Verwänden wir gedrückt wurden. Als der Na¬
poleon gegen die Russen zog, wurden auch aus unserem Orte mehre meiner
jungen Beichtkinder ausgehoben; sie zogen in die Eiswüste und keiner kam
zurück.

Im Jahre 1813 ging es bis zum October mit einzelnen Truppenzügcn
fort wie bisher. Man hörte vieles aus der großen Welt, wer durch das Dorf kam,
wurde ausgefragt, es war stark auf die Franzosen gemünzt. Lange bevor die
große Schlacht bei Leipzig geschlagen wurde, merkten wir deutlich, was kommen
würde. Wir hatten hier im September polnische Lanciers von der französischen
Partei, die Napoleon als Reserve hatte nachrücken lassen; mir saß ein Obrist-
lieutnant vierzehn Tage lang im Hause, dessen Tafel ich mit Wein und Braten
und was so ein Mann forderte, unablässig versorgen mußte, auch eine Ein¬
quartierung von sogenannten Depots, das waren aber Flüchtlinge von Jüter-
bogk. wo die Franzosen sehr gelitten hatten, aber sie sollten nicht so heißen.


ans, wie unten an der Straße französische Chasseurs und ein Trupp preußischer
Reiter, der die Bedeckung von einer Kanone und Pulverwagen bildete, aufein¬
ander schössen. Einige von den Preußen und auch ein französischer Husar sind
dabei geblieben und liegen in unserer Flur begraben. Obige Kanone und Pul¬
verwagen hatten die Preußen an der Straße stehen lassen, welche hernach die
Franzosen holten, nachdem die hiesigen Einwohner viel Pulver vorher daraus
genommen hatten. Viele Mantelsäcke, Betten. Päckte, Kleider und Gewehre
waren weggeworfen, wovon solche, die es wagten, hinunter an die Straße
zu gehen, sich etwas zueigneten; das Meiste aber hatten die Witterdaischen und
Dachwicher geholt.

Am Tag nach der Kirmse, den Freitag, erschien ein Salons eonäuetus,
den ich von dem damaligen Prinz Murat in Erfurt ausgewirkt hatte, der
den französischen Truppen alles Plündern in gothaischen Landen untersagte.
Aber immer kamen noch Nachzügler, die Miene zum Plündern machten, und
ich selbst hatte noch mit zwei Reitern einen Streit darüber, und mußte ihnen
erst die gedruckte Ordre von Prinz Murat vorlesen, davon auch mir ein Exemplar
zugesendet worden war, worauf sie mit Unwillen fortritten.

Im Orte war kein Bissen Brod mehr, es mußte daher den ganzen Tag
gebacken werden. — Darauf wurde es wieder still, das Kricgsgetümmel hörte
auf, die Leute gingen traurig umher, sie dachten an den großen Schaden und
suchten sich zu helfen, so gut sie konnten.

Seit dem tilsitcr Frieden kamen schwere Jahre, das unaufhörliche Hin-
und Herziehen der französischen Truppen brachte in unser Dorf stets neue Ein-
quartierung; wir mußten die Soldaten umsonst aufnehmen und ernähren. Wir
alle wurden arm und die Zucht im Dorfe wurde schlecht. Wie auch aus den
Kirchenbüchern zu sehen. In der Geschichte Deutschlands wirb aufgezeichnet
werden, unter welchen Verwänden wir gedrückt wurden. Als der Na¬
poleon gegen die Russen zog, wurden auch aus unserem Orte mehre meiner
jungen Beichtkinder ausgehoben; sie zogen in die Eiswüste und keiner kam
zurück.

Im Jahre 1813 ging es bis zum October mit einzelnen Truppenzügcn
fort wie bisher. Man hörte vieles aus der großen Welt, wer durch das Dorf kam,
wurde ausgefragt, es war stark auf die Franzosen gemünzt. Lange bevor die
große Schlacht bei Leipzig geschlagen wurde, merkten wir deutlich, was kommen
würde. Wir hatten hier im September polnische Lanciers von der französischen
Partei, die Napoleon als Reserve hatte nachrücken lassen; mir saß ein Obrist-
lieutnant vierzehn Tage lang im Hause, dessen Tafel ich mit Wein und Braten
und was so ein Mann forderte, unablässig versorgen mußte, auch eine Ein¬
quartierung von sogenannten Depots, das waren aber Flüchtlinge von Jüter-
bogk. wo die Franzosen sehr gelitten hatten, aber sie sollten nicht so heißen.


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[0154] ans, wie unten an der Straße französische Chasseurs und ein Trupp preußischer Reiter, der die Bedeckung von einer Kanone und Pulverwagen bildete, aufein¬ ander schössen. Einige von den Preußen und auch ein französischer Husar sind dabei geblieben und liegen in unserer Flur begraben. Obige Kanone und Pul¬ verwagen hatten die Preußen an der Straße stehen lassen, welche hernach die Franzosen holten, nachdem die hiesigen Einwohner viel Pulver vorher daraus genommen hatten. Viele Mantelsäcke, Betten. Päckte, Kleider und Gewehre waren weggeworfen, wovon solche, die es wagten, hinunter an die Straße zu gehen, sich etwas zueigneten; das Meiste aber hatten die Witterdaischen und Dachwicher geholt. Am Tag nach der Kirmse, den Freitag, erschien ein Salons eonäuetus, den ich von dem damaligen Prinz Murat in Erfurt ausgewirkt hatte, der den französischen Truppen alles Plündern in gothaischen Landen untersagte. Aber immer kamen noch Nachzügler, die Miene zum Plündern machten, und ich selbst hatte noch mit zwei Reitern einen Streit darüber, und mußte ihnen erst die gedruckte Ordre von Prinz Murat vorlesen, davon auch mir ein Exemplar zugesendet worden war, worauf sie mit Unwillen fortritten. Im Orte war kein Bissen Brod mehr, es mußte daher den ganzen Tag gebacken werden. — Darauf wurde es wieder still, das Kricgsgetümmel hörte auf, die Leute gingen traurig umher, sie dachten an den großen Schaden und suchten sich zu helfen, so gut sie konnten. Seit dem tilsitcr Frieden kamen schwere Jahre, das unaufhörliche Hin- und Herziehen der französischen Truppen brachte in unser Dorf stets neue Ein- quartierung; wir mußten die Soldaten umsonst aufnehmen und ernähren. Wir alle wurden arm und die Zucht im Dorfe wurde schlecht. Wie auch aus den Kirchenbüchern zu sehen. In der Geschichte Deutschlands wirb aufgezeichnet werden, unter welchen Verwänden wir gedrückt wurden. Als der Na¬ poleon gegen die Russen zog, wurden auch aus unserem Orte mehre meiner jungen Beichtkinder ausgehoben; sie zogen in die Eiswüste und keiner kam zurück. Im Jahre 1813 ging es bis zum October mit einzelnen Truppenzügcn fort wie bisher. Man hörte vieles aus der großen Welt, wer durch das Dorf kam, wurde ausgefragt, es war stark auf die Franzosen gemünzt. Lange bevor die große Schlacht bei Leipzig geschlagen wurde, merkten wir deutlich, was kommen würde. Wir hatten hier im September polnische Lanciers von der französischen Partei, die Napoleon als Reserve hatte nachrücken lassen; mir saß ein Obrist- lieutnant vierzehn Tage lang im Hause, dessen Tafel ich mit Wein und Braten und was so ein Mann forderte, unablässig versorgen mußte, auch eine Ein¬ quartierung von sogenannten Depots, das waren aber Flüchtlinge von Jüter- bogk. wo die Franzosen sehr gelitten hatten, aber sie sollten nicht so heißen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/154>, abgerufen am 29.06.2024.