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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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hatte man theils ein Lager gelegt, auf welchem man sehr weich ruhte, theils
Feuer, theils den Pferden zum Fressen vorgeworfen, die es zerstampft und zer-
treten hatten. Wo man Hafer, Korn:c. auf den Böden gefunden, hatte man
es eingesteckt, mit fortgenommen und den Pferden so vorgeschüttet auf die bloße
Erde. Hierher war alles geschafft worden, was man aus Küchen. Kellern,
Vorrathskammern. Kuh-, Schaf-, Schweine- und Hühnerställen hatte fortbringen
können. Dieses alles war in diesem Lager geschlachtet worden, und zwar auf
die Art, daß man den Thieren blos den Kopf abgehauen, das Fell herabgerissen,
Keulen und Stücke Fleisch abgetrennt, an Degen gesteckt und so gebraten.
Man fand dergleichen noch halb und Ungar gebraten umherliegen, was man
nicht hatte genießen können und wieder weggeworfen; man fand die abgezoge¬
nen Schaffelle in ganzen Haufen auseinanderliegen; bei einem Inwohner in
Gierstädt hatte man allein etliche dreißig Schafe genommen; ihre Köpfe. Ein¬
geweide, Schweins-, Hühner-, Gänse-, Entenköpfe, Butter, Mus, Fett- und Käse¬
töpfe lagen umher. Um das Feuer zu unterhalten, hatte man aus den Häusern
Tische, Schränke, Stühle, Bänke geholt; ich sah auch noch Ueberbleibsel von
einem Leinweberstuhl, Bohlen und Bretter hatte man ins Feuer geworfen und
verbrannt, Karren und Wagen, auf welchen man das alles nebst ausgehobenen
Hofthoren und Hausthüren beigeschafft hatte, hatte man zuletzt ins Feuer ge¬
schoben und zum Theil halb, zum Theil ganz verbrannt. Mein Gartenhäuschen
unterm gierstädter Kirchenhoiz nebst der großen Baumschule, die ich auf dem
dabeiliegenden Acker hatte, war verwüstet und die jungen Bäumchen mit ihren
Pfählen in das Feuer geworfen und zusammen verbrannt.

Es war erbärmlich anzusehen, wie ein Lager wilder Kannibalen. Nach¬
dem die letzten Voltigeurs nichts mehr in der Pfarre gesunden, so ihnen an¬
ständig war, so zogen sie mir noch einen neuen Oberrock von Tuch aus, und
ich mußte in der bloßen Jacke gehen. Sie hatten gewartet, bis ich die Treppe
herunterging; zwei gingen hinter mir drein, zwei standen unten vor der Treppe
und zwei in der Mitte, alle mit Gewehr und aufgepflanzten Bajonnetten. Die
letzten griffen mich an. Wie ich sah. daß ich so eingeschlossen war, so zog
ich den Oberrock selbst aus und gab ihnen denselben mit den Worten: Da mir
alles genommen wäre, so möchten sie dies auch noch hinnehmen. Meiner Frau,
die stets an meiner Seite war, kehrten sie noch die Taschen um und nahmen
ihr die paar Pfennige, die sie darinnen hatte. Diese Plünderung und der
Schade, den ich dabei erlitten hatte, kam über 500 Thaler, wie ich ihn her¬
nach auf Befehl der Obrigkeit berechnen und einsenden mußte, sowie auch alle
thun mußten, die der Plünderung in hiesiger Gegend unterworfen worden
waren.

Man hatte von Jena aus über Erfurt bis in unsere Gegend scharmuzirt,
und selbst in unserer Flur geschal) es noch. Ich sah von meinem Saalsenster


hatte man theils ein Lager gelegt, auf welchem man sehr weich ruhte, theils
Feuer, theils den Pferden zum Fressen vorgeworfen, die es zerstampft und zer-
treten hatten. Wo man Hafer, Korn:c. auf den Böden gefunden, hatte man
es eingesteckt, mit fortgenommen und den Pferden so vorgeschüttet auf die bloße
Erde. Hierher war alles geschafft worden, was man aus Küchen. Kellern,
Vorrathskammern. Kuh-, Schaf-, Schweine- und Hühnerställen hatte fortbringen
können. Dieses alles war in diesem Lager geschlachtet worden, und zwar auf
die Art, daß man den Thieren blos den Kopf abgehauen, das Fell herabgerissen,
Keulen und Stücke Fleisch abgetrennt, an Degen gesteckt und so gebraten.
Man fand dergleichen noch halb und Ungar gebraten umherliegen, was man
nicht hatte genießen können und wieder weggeworfen; man fand die abgezoge¬
nen Schaffelle in ganzen Haufen auseinanderliegen; bei einem Inwohner in
Gierstädt hatte man allein etliche dreißig Schafe genommen; ihre Köpfe. Ein¬
geweide, Schweins-, Hühner-, Gänse-, Entenköpfe, Butter, Mus, Fett- und Käse¬
töpfe lagen umher. Um das Feuer zu unterhalten, hatte man aus den Häusern
Tische, Schränke, Stühle, Bänke geholt; ich sah auch noch Ueberbleibsel von
einem Leinweberstuhl, Bohlen und Bretter hatte man ins Feuer geworfen und
verbrannt, Karren und Wagen, auf welchen man das alles nebst ausgehobenen
Hofthoren und Hausthüren beigeschafft hatte, hatte man zuletzt ins Feuer ge¬
schoben und zum Theil halb, zum Theil ganz verbrannt. Mein Gartenhäuschen
unterm gierstädter Kirchenhoiz nebst der großen Baumschule, die ich auf dem
dabeiliegenden Acker hatte, war verwüstet und die jungen Bäumchen mit ihren
Pfählen in das Feuer geworfen und zusammen verbrannt.

Es war erbärmlich anzusehen, wie ein Lager wilder Kannibalen. Nach¬
dem die letzten Voltigeurs nichts mehr in der Pfarre gesunden, so ihnen an¬
ständig war, so zogen sie mir noch einen neuen Oberrock von Tuch aus, und
ich mußte in der bloßen Jacke gehen. Sie hatten gewartet, bis ich die Treppe
herunterging; zwei gingen hinter mir drein, zwei standen unten vor der Treppe
und zwei in der Mitte, alle mit Gewehr und aufgepflanzten Bajonnetten. Die
letzten griffen mich an. Wie ich sah. daß ich so eingeschlossen war, so zog
ich den Oberrock selbst aus und gab ihnen denselben mit den Worten: Da mir
alles genommen wäre, so möchten sie dies auch noch hinnehmen. Meiner Frau,
die stets an meiner Seite war, kehrten sie noch die Taschen um und nahmen
ihr die paar Pfennige, die sie darinnen hatte. Diese Plünderung und der
Schade, den ich dabei erlitten hatte, kam über 500 Thaler, wie ich ihn her¬
nach auf Befehl der Obrigkeit berechnen und einsenden mußte, sowie auch alle
thun mußten, die der Plünderung in hiesiger Gegend unterworfen worden
waren.

Man hatte von Jena aus über Erfurt bis in unsere Gegend scharmuzirt,
und selbst in unserer Flur geschal) es noch. Ich sah von meinem Saalsenster


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/153>, abgerufen am 29.06.2024.