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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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raisonnablen Mann, er möchte mich gegen seine Kameraden in Schutz nehmen.
Er antwortete mir zwar nichts darauf, aber ein Wink machte seine Kameraden
mäßiger in ihren Forderungen. Sie stimmten sich auf 10 Louisdor herab,
dann auf einen, und endlich auf Wein. Da ich ihnen sagte, daß ich keinen
habe, so forderten sie Branntwein. Ich gab ihnen daher eine Bouteille in
Vorrat!) habenden Kirmsebranntwein zum Besten. Unterdessen er im Keller ge¬
holt wurde, wurde friedlicher gesprochen und ich demonstrirte ihnen, daß wir
keine Krusachsen wäre", die Truppen bei der preußischen Armee hatten, und
also nichts Feindseliges gegen sie unternommen, folglich noch ihre Freunde
wären." -- Nun singen sie an vertraulicher zu werden, tranken ihre" Brannt¬
wein, schwangen sich aufs Pferd und ritten weiter ins Dorf. Der Gute
tummelte noch sein Pferd ein paarmal vor der Pfarre herum, kam an die
Treppe zurückgeritten, reichte mir die Hand und nahm freundlichen Abschied.

Eben da dieser fort war, sprengte ein Trupp anderer mit wildem Gesä rei
und vorgehaltenem Säbel heran. Ich ließ geschwinde meine Hausthüre zumachen
und blieb in der Gasse, wo ich Abschied von jenem genommen hatte. Der
erste sprengte heran als wollte er mich über den Haufen reiten und konnte
kaum sein Pferd, wie es vor mir stand, zurückhalten. Als er seine Forderung
"Geld" wiederholte, so sagte ich ihm, das Geld hätten mir jene abgenommen,
wie er noch würde gesehen haben. Er schwieg also, und nachdem der ganze
Trupp mit gezogenen Schwertern sich um mich versammelt hatte, wurde ich
gefragt, wer ich wäre. Ich verdeutlichte ihnen dieses, und da ich mich in ihrer
Sprache mit ihnen verständigen konnte, so waren sie sehr zufrieden. Weil mich
mein Nachbar gegenüber, der Gerichtsschöppc, so friedlich mit ihnen unterhandeln
sah, so kam er herzu, aber gleich forderten sie von ihm Geld und Branntwein.
Er lief an des Schulmeisters Fenster, der sich hinter den Vorhängen zurückhielt
und forderte Branntwein von ihm für die Chasseurs. Darüber erhielt^ er mit
der flachen Säbelklinge einige Hiebe auf den Runen, nach welchen er auf ein¬
mal verschwand, und nun ging alles über den Schulmeister her, der die Haus¬
thüre öffnete und vermuthlich zu mir treten wollte, es hieb aber einer nach
ihm, daß er zurücksprang und die Thüre wieder zuschlug. Seine Mutter aber
kam zur Hofthür heraus und holte eine Bouteille Branntwein ans dem Guts-
höfe. Während dieser Zeit hatten mich die Chasseurs in der Mitte und sprachen
mit mir über Allerhand. Einer von ihnen, dessen Pferd sehr unruhig war,
ließ aus seinem Mantel, den er in der Mitte des Leibes umgürtet hatte, einen
schönen großen silbernen Pvtagelöffel fallen, den ich ihm bekümmert wieder
aufheben mußt,e und den er wieder an den vorigen Platz steckte, wo ich aus dem
Gerassel hören konnte, wenn das Pferd sprang, daß noch viel dergleichen
Waare daselbst vorhanden war. Diese hatten schon viel gemaust, und waren
fast satt und deswegen nicht von den Aergsten.


Grenzboten l. 186K, 18

raisonnablen Mann, er möchte mich gegen seine Kameraden in Schutz nehmen.
Er antwortete mir zwar nichts darauf, aber ein Wink machte seine Kameraden
mäßiger in ihren Forderungen. Sie stimmten sich auf 10 Louisdor herab,
dann auf einen, und endlich auf Wein. Da ich ihnen sagte, daß ich keinen
habe, so forderten sie Branntwein. Ich gab ihnen daher eine Bouteille in
Vorrat!) habenden Kirmsebranntwein zum Besten. Unterdessen er im Keller ge¬
holt wurde, wurde friedlicher gesprochen und ich demonstrirte ihnen, daß wir
keine Krusachsen wäre», die Truppen bei der preußischen Armee hatten, und
also nichts Feindseliges gegen sie unternommen, folglich noch ihre Freunde
wären." — Nun singen sie an vertraulicher zu werden, tranken ihre» Brannt¬
wein, schwangen sich aufs Pferd und ritten weiter ins Dorf. Der Gute
tummelte noch sein Pferd ein paarmal vor der Pfarre herum, kam an die
Treppe zurückgeritten, reichte mir die Hand und nahm freundlichen Abschied.

Eben da dieser fort war, sprengte ein Trupp anderer mit wildem Gesä rei
und vorgehaltenem Säbel heran. Ich ließ geschwinde meine Hausthüre zumachen
und blieb in der Gasse, wo ich Abschied von jenem genommen hatte. Der
erste sprengte heran als wollte er mich über den Haufen reiten und konnte
kaum sein Pferd, wie es vor mir stand, zurückhalten. Als er seine Forderung
„Geld" wiederholte, so sagte ich ihm, das Geld hätten mir jene abgenommen,
wie er noch würde gesehen haben. Er schwieg also, und nachdem der ganze
Trupp mit gezogenen Schwertern sich um mich versammelt hatte, wurde ich
gefragt, wer ich wäre. Ich verdeutlichte ihnen dieses, und da ich mich in ihrer
Sprache mit ihnen verständigen konnte, so waren sie sehr zufrieden. Weil mich
mein Nachbar gegenüber, der Gerichtsschöppc, so friedlich mit ihnen unterhandeln
sah, so kam er herzu, aber gleich forderten sie von ihm Geld und Branntwein.
Er lief an des Schulmeisters Fenster, der sich hinter den Vorhängen zurückhielt
und forderte Branntwein von ihm für die Chasseurs. Darüber erhielt^ er mit
der flachen Säbelklinge einige Hiebe auf den Runen, nach welchen er auf ein¬
mal verschwand, und nun ging alles über den Schulmeister her, der die Haus¬
thüre öffnete und vermuthlich zu mir treten wollte, es hieb aber einer nach
ihm, daß er zurücksprang und die Thüre wieder zuschlug. Seine Mutter aber
kam zur Hofthür heraus und holte eine Bouteille Branntwein ans dem Guts-
höfe. Während dieser Zeit hatten mich die Chasseurs in der Mitte und sprachen
mit mir über Allerhand. Einer von ihnen, dessen Pferd sehr unruhig war,
ließ aus seinem Mantel, den er in der Mitte des Leibes umgürtet hatte, einen
schönen großen silbernen Pvtagelöffel fallen, den ich ihm bekümmert wieder
aufheben mußt,e und den er wieder an den vorigen Platz steckte, wo ich aus dem
Gerassel hören konnte, wenn das Pferd sprang, daß noch viel dergleichen
Waare daselbst vorhanden war. Diese hatten schon viel gemaust, und waren
fast satt und deswegen nicht von den Aergsten.


Grenzboten l. 186K, 18
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/149>, abgerufen am 29.06.2024.