Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.In dem letzten großen Werk seines Lebens, dessen Vollendung selbst im Etwas früher als Rietschel war der zwei Jahre ältere August Kiß (geb. In dem vor Kurzem in diesen Blättern gegebenen Artikel über die Se. Ge- Grenzboten I. 1866. 17
In dem letzten großen Werk seines Lebens, dessen Vollendung selbst im Etwas früher als Rietschel war der zwei Jahre ältere August Kiß (geb. In dem vor Kurzem in diesen Blättern gegebenen Artikel über die Se. Ge- Grenzboten I. 1866. 17
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In dem letzten großen Werk seines Lebens, dessen Vollendung selbst im
Modell der Meister nicht mehr erleben sollte, dem kolossalen, viel umfassenden
Lutherdenkmal für Worms, hat er sich in den einzelnen Gestalten, besonders
in der des Haupthelden, der den Mittelpunkt des Ganzen bildet, wohl zur
höchsten Höhe seines künstlerischen Vermögens aufgeschwungen. Das Ganze
aber erscheint mir immer vielmehr als eine äußerliche Zusammenstellung, An¬
einanderreihung trefflicher Einzelgcbilde, denn als organisch in sich gegliedertes
einheitliches Monumentalwerk, und darum wird es trotz seiner ungewöhnlichen
Ausdehnung doch nie zu der Macht und Nachhaltigkeit der Wirkung gelangen,
wie z. B. das in seinen Dimensionen so mäßige Denkmal des großen Kurfür¬
sten auf der langen Brücke in Berlin.
Etwas früher als Rietschel war der zwei Jahre ältere August Kiß (geb.
1802 in Partogran im Fürstenthum Pleß in Oberschlesien) nach Berlin und
in Rauchs Werkstatt gekommen. Mehr aber noch, wie als dessen Schüler kann
er als der Friedrich Tiecks gelten, an dessen öffentlichen Arbeiten er frühe
schon beschäftigt war. Zur Ausbildung als Modelleur und Ciselirer war er
von der gleiwitzer Gießerei nach Berlin zum Gcwerbinstitut gesandt worden,
und seine technische Handfertigknt, sein praktisches Geschick war, als er sich der
reinen Bildhauerei zuwandte, so ausgebildet, als es seine Meister hier nur
wünschen konnten. Für Tieck modellirte er zuerst die beiden kolossalen Rosse¬
bändiger auf den Dacheckcn des hiesigen Museums, freie Nachbildungen derer
vom Monte Cavallo in Rom. An dieser Arbeit mag sich sein außerordent¬
liches Talent der Pferdebildncrci zuerst entwickelt haben.
In dem vor Kurzem in diesen Blättern gegebenen Artikel über die Se. Ge-
eorgsgruppe im berliner Schloßhof und ihren Autor haben wir über dessen
fernere Entwicklung und das, was er der berliner Schule geworden, was er
im Lauf eines glücklichen und ungemein thätigen Lebens in seiner Kunst ge¬
schaffen, ausführlich genug berichtet, um uns hier mit einer Hinweisung dar¬
auf begnügen und auf weitere Ausführungen darüber verzichten zu dürfen.
In der Darstellung feuriger Bewegtheit von Mensch und Thier war er Rauch
unzweifelhaft überlegen; nach dieser Richtung hin erweiterte er das von ihm
Ueberkommene. An strenger Correctheit und stetiger solider Tüchtigkeit, an
Ernst und Größe des monumentalen Charakters, an reiner (wenn auch immer
kühler) Schönheit kann er sich mit dem Meister nicht messen. Wichtig für die ber¬
liner Schule, wie für seinen eigenen Ruhm ist von allen seinen Werte» die
Amazonengruppe geworden. Die hat unsere Plastik auf Wege und Ziele hin¬
gewiesen, welche außerhalb ihres zuvor beherrschten Gebietes liegen; sie hat zum
gründlichen Studium, zur immer reicheren Erkenntniß des Pferdes, der Schön¬
heit des wilden Thieres als Gegenstand der Bildhauerkunst bedeutend ange¬
regt, wenn sie selbst auch in ihrer Art von Andern noch unerreicht geblieben ist.
Grenzboten I. 1866. 17
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