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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Zu beklagen bleibt immer, daß der Name ihres Urhebers zugleich auch
mit so offenbar schwachen Werken in Berlin verknüpft bleibt, wie die Statue
Beuths (in deren Postamentreliefs Friedrich Drakes großes und liebenswürdi¬
ges Talent seinen originellsten Ausdruck gefunden hat), wie die beiden Gruppen
von Garde du Corpsreitern mit ihren Pferden in Charlottenburg, wie die
neuen Broncestatuen der Helden Friedrichs des Großen auf dem Wilhelmsplatz.
Jene realistische Tendenz, welche, als Rietschel ihr Folge gab, zu so glück¬
lichen Resultaten führte, hat in diesen Werken die ganz entgegengesetzten her¬
vorgebracht und die moderne Bildhauerei Berlins damit ziemlich pietätlos gegen
die Denkmale einer höchst achtungswerthen Vergangenheit wie gegen die charak¬
teristische Schönheit der Erscheinung eines unserer öffentlichen Hauptplätze einen
nicht gut zu verwindenden Schlag geführt. Warum durften die interessan¬
ten Marmorstatuen aus dem letzten Jahrhundert, jene Arbeiten Tassärts und
Schadows mit den prächtigen, echt malerischen Postamenten und den reichen
Gattern darum nicht bleiben, wo und wie sie waren?! Daß ihr Marmor in
freier Lust dem sichern nahen Verderben entgegenging, dieser zumeist angeführte
Grund konnte kein stichhaltiger sein, da die von ihrem alten Ort entfernten
Denkmale nun doch ebenfalls in freier Luft, im Hof des Cadettenhauses, und,
wie man behauptet, nunmehr gegen zerstörende Einflüsse von Luft und Wetter
völlig gesichert, ihre Aufstellung gefunden haben. Wahrscheinlich ist die An¬
nahme, daß man an dem römischen Zvpfcvstüm, wie es das Rococo erfand
und liebte, bei zweien dieser Statuen, Schwerin und Winterfeld, Anstoß nahm
uno. da diese geändert werden sollten, die andern in die allgemeine Beseitigung
mit hineingezogen wurden. Nun haben wir die Helden freilich alle im treu¬
sten "Zcttcvstüm", nach dem man so eifrig verlangt, ja: das der nach Kißens
ganz eignem, neuem Modell gegossenen mag wohl noch genauer und richtiger
sein, als das der vier Brvncecvpieen nach Schadows und Tassärts bereits ur¬
sprünglich in echte Uniform gekleideten Statuen. Die Stoffe, Stickereien,
Schärpe", Knöpfe, Stiefeln, Degen sind so präcis und correct gegeben, wie es
nur Rauch von seinen Schülern verlangte. -- Aber welche Menschen sind die
Träger dieser Tracht, wie stehen sie, wie bewegen sie sich! Und um des Uebels
Maß voll zu machen, durch welche kahlen, knappen, nichtssagenden blankpolir-
ten Granitwürfel ersetzte man die originellen Postamente mit ihrer reichen ma¬
lerischen Profilirung, ihren aus Speeren und Lictorenstäben gebildeten Gittern!
Man kann den schönen gartenähnlichen Platz, aus dessen Rasen- und Linden¬
grün sonst die weltergrauen Marmordenkmale so erfreulich, so glücklich zu der
Umgebung stimmend, hervorschimmerten, nicht mehr Passiren, ohne den alten
bittern Aerger über die traurige Wandlung dieses ganzen Bildes, welche eine
wohlweise, besser wissende Neuzeit hineingebracht, immer wieder zu empfinden.

Theodor Kalidc. Land- und ursprünglich Gewerks- wie später Kunst-


Zu beklagen bleibt immer, daß der Name ihres Urhebers zugleich auch
mit so offenbar schwachen Werken in Berlin verknüpft bleibt, wie die Statue
Beuths (in deren Postamentreliefs Friedrich Drakes großes und liebenswürdi¬
ges Talent seinen originellsten Ausdruck gefunden hat), wie die beiden Gruppen
von Garde du Corpsreitern mit ihren Pferden in Charlottenburg, wie die
neuen Broncestatuen der Helden Friedrichs des Großen auf dem Wilhelmsplatz.
Jene realistische Tendenz, welche, als Rietschel ihr Folge gab, zu so glück¬
lichen Resultaten führte, hat in diesen Werken die ganz entgegengesetzten her¬
vorgebracht und die moderne Bildhauerei Berlins damit ziemlich pietätlos gegen
die Denkmale einer höchst achtungswerthen Vergangenheit wie gegen die charak¬
teristische Schönheit der Erscheinung eines unserer öffentlichen Hauptplätze einen
nicht gut zu verwindenden Schlag geführt. Warum durften die interessan¬
ten Marmorstatuen aus dem letzten Jahrhundert, jene Arbeiten Tassärts und
Schadows mit den prächtigen, echt malerischen Postamenten und den reichen
Gattern darum nicht bleiben, wo und wie sie waren?! Daß ihr Marmor in
freier Lust dem sichern nahen Verderben entgegenging, dieser zumeist angeführte
Grund konnte kein stichhaltiger sein, da die von ihrem alten Ort entfernten
Denkmale nun doch ebenfalls in freier Luft, im Hof des Cadettenhauses, und,
wie man behauptet, nunmehr gegen zerstörende Einflüsse von Luft und Wetter
völlig gesichert, ihre Aufstellung gefunden haben. Wahrscheinlich ist die An¬
nahme, daß man an dem römischen Zvpfcvstüm, wie es das Rococo erfand
und liebte, bei zweien dieser Statuen, Schwerin und Winterfeld, Anstoß nahm
uno. da diese geändert werden sollten, die andern in die allgemeine Beseitigung
mit hineingezogen wurden. Nun haben wir die Helden freilich alle im treu¬
sten „Zcttcvstüm", nach dem man so eifrig verlangt, ja: das der nach Kißens
ganz eignem, neuem Modell gegossenen mag wohl noch genauer und richtiger
sein, als das der vier Brvncecvpieen nach Schadows und Tassärts bereits ur¬
sprünglich in echte Uniform gekleideten Statuen. Die Stoffe, Stickereien,
Schärpe», Knöpfe, Stiefeln, Degen sind so präcis und correct gegeben, wie es
nur Rauch von seinen Schülern verlangte. — Aber welche Menschen sind die
Träger dieser Tracht, wie stehen sie, wie bewegen sie sich! Und um des Uebels
Maß voll zu machen, durch welche kahlen, knappen, nichtssagenden blankpolir-
ten Granitwürfel ersetzte man die originellen Postamente mit ihrer reichen ma¬
lerischen Profilirung, ihren aus Speeren und Lictorenstäben gebildeten Gittern!
Man kann den schönen gartenähnlichen Platz, aus dessen Rasen- und Linden¬
grün sonst die weltergrauen Marmordenkmale so erfreulich, so glücklich zu der
Umgebung stimmend, hervorschimmerten, nicht mehr Passiren, ohne den alten
bittern Aerger über die traurige Wandlung dieses ganzen Bildes, welche eine
wohlweise, besser wissende Neuzeit hineingebracht, immer wieder zu empfinden.

Theodor Kalidc. Land- und ursprünglich Gewerks- wie später Kunst-


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[0142] Zu beklagen bleibt immer, daß der Name ihres Urhebers zugleich auch mit so offenbar schwachen Werken in Berlin verknüpft bleibt, wie die Statue Beuths (in deren Postamentreliefs Friedrich Drakes großes und liebenswürdi¬ ges Talent seinen originellsten Ausdruck gefunden hat), wie die beiden Gruppen von Garde du Corpsreitern mit ihren Pferden in Charlottenburg, wie die neuen Broncestatuen der Helden Friedrichs des Großen auf dem Wilhelmsplatz. Jene realistische Tendenz, welche, als Rietschel ihr Folge gab, zu so glück¬ lichen Resultaten führte, hat in diesen Werken die ganz entgegengesetzten her¬ vorgebracht und die moderne Bildhauerei Berlins damit ziemlich pietätlos gegen die Denkmale einer höchst achtungswerthen Vergangenheit wie gegen die charak¬ teristische Schönheit der Erscheinung eines unserer öffentlichen Hauptplätze einen nicht gut zu verwindenden Schlag geführt. Warum durften die interessan¬ ten Marmorstatuen aus dem letzten Jahrhundert, jene Arbeiten Tassärts und Schadows mit den prächtigen, echt malerischen Postamenten und den reichen Gattern darum nicht bleiben, wo und wie sie waren?! Daß ihr Marmor in freier Lust dem sichern nahen Verderben entgegenging, dieser zumeist angeführte Grund konnte kein stichhaltiger sein, da die von ihrem alten Ort entfernten Denkmale nun doch ebenfalls in freier Luft, im Hof des Cadettenhauses, und, wie man behauptet, nunmehr gegen zerstörende Einflüsse von Luft und Wetter völlig gesichert, ihre Aufstellung gefunden haben. Wahrscheinlich ist die An¬ nahme, daß man an dem römischen Zvpfcvstüm, wie es das Rococo erfand und liebte, bei zweien dieser Statuen, Schwerin und Winterfeld, Anstoß nahm uno. da diese geändert werden sollten, die andern in die allgemeine Beseitigung mit hineingezogen wurden. Nun haben wir die Helden freilich alle im treu¬ sten „Zcttcvstüm", nach dem man so eifrig verlangt, ja: das der nach Kißens ganz eignem, neuem Modell gegossenen mag wohl noch genauer und richtiger sein, als das der vier Brvncecvpieen nach Schadows und Tassärts bereits ur¬ sprünglich in echte Uniform gekleideten Statuen. Die Stoffe, Stickereien, Schärpe», Knöpfe, Stiefeln, Degen sind so präcis und correct gegeben, wie es nur Rauch von seinen Schülern verlangte. — Aber welche Menschen sind die Träger dieser Tracht, wie stehen sie, wie bewegen sie sich! Und um des Uebels Maß voll zu machen, durch welche kahlen, knappen, nichtssagenden blankpolir- ten Granitwürfel ersetzte man die originellen Postamente mit ihrer reichen ma¬ lerischen Profilirung, ihren aus Speeren und Lictorenstäben gebildeten Gittern! Man kann den schönen gartenähnlichen Platz, aus dessen Rasen- und Linden¬ grün sonst die weltergrauen Marmordenkmale so erfreulich, so glücklich zu der Umgebung stimmend, hervorschimmerten, nicht mehr Passiren, ohne den alten bittern Aerger über die traurige Wandlung dieses ganzen Bildes, welche eine wohlweise, besser wissende Neuzeit hineingebracht, immer wieder zu empfinden. Theodor Kalidc. Land- und ursprünglich Gewerks- wie später Kunst-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/142>, abgerufen am 29.06.2024.