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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Ihre breiten. biegsamen Füße gebrauchen sie ganz bequem wie die


P.

untern Enden der Ruder. Sie breiten sie aus und falten sie beim Zurückziehen
wieder zusammen. Denn die Federn, welche bei diesen Vögeln nur wenig
benetzt werden, in nichts hindern und eher in die Höhe heben als senken. Ja.
du kannst das an mehren Vierfüßern bewundern.


E.

So ist also der Mensch das einzige Geschöpf, das unglücklich und in

allen diesen Dingen unwissend zur Welt kommt?


P.

So will es unser, der Sterblichen, Loos. Aber noch mehr würdest

du dich wundern, wenn du sähest, wie man sich von hohen Brücken herabstürzt,
was auch in Basel und Constanz geschieht. Es giebt in Zürich eine schöne
Kirche, welche gleich einem Schiffschnabel in die Limmat hinausgebaut ist und
nach dem Wasser genannt wird.


E.

Und weiter!

Ringsum ist dieselbe von Wasser umgeben, außer da, wo auf schmaler


P.

Strecke eine kunstvolle Brücke an die Kirche angebaut ist.


E.

Erzähle weiter.


P.

Da könntest du im Sommer einen merkwürdigen Wettkampf der jungen

Leute sehen. In diesem Umkreise folgen sie einander schnellen Zuges gegen
den äußern Theil der Kirche hin, wo wie am Vordertheil eines Schiffes die
Strömung des Flusses anprallt und nach beiden Seiten sich theilt.


E.

Und dann?

An dieser Stelle stürzen sie sich in die Ti'cfe des Flusses und zwar


P.

nach der Reihe. Es ist vom Rathe erkannt, daß, wer im Begriffe herabzu¬
stürzen, den nächstfolgenden nicht beim Namen ruft, oder wer nicht aus der
Tiefe irgendein Zeugniß, z. B. ein Steinchen oder etwas Anderes mit sich
herausbringt, dadurch gestraft werden soll, daß er mit angezogenem Hemde
von andern herabgeworfen wird.


E.

Eine harte Bestimmung.


P.

Dir, mein Erotes, wäre das wohl unerträglich. Da sähest du zuerst

geflügelte Knaben, dann Forellen, zuletzt Grundeln; denn der Fluß ist durch¬
sichtig wie Glas.

Man dürfte sich nicht wundern, wenn sie im Herabstürzen mit dem


E.

Kopf gefährlich auf den Grund ausstieben.

Sie werfen sich nieder mit vorgehaltenen Händen.


P.

Warum nicht mit den Füßen voraus?


E.
P.

Willst du das wissen?


E.

Allerdings.


P.

Es ist weniger Gefahr dabei. Denn nicht gering ist diese, daß wenn

du mit ausgebreiteten Füßen herabspringst, dich das heftig strömende Wasser
mitten durchschneide, was anderswo nicht nur einmal begegnet ist.


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Ihre breiten. biegsamen Füße gebrauchen sie ganz bequem wie die


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untern Enden der Ruder. Sie breiten sie aus und falten sie beim Zurückziehen
wieder zusammen. Denn die Federn, welche bei diesen Vögeln nur wenig
benetzt werden, in nichts hindern und eher in die Höhe heben als senken. Ja.
du kannst das an mehren Vierfüßern bewundern.


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So ist also der Mensch das einzige Geschöpf, das unglücklich und in

allen diesen Dingen unwissend zur Welt kommt?


P.

So will es unser, der Sterblichen, Loos. Aber noch mehr würdest

du dich wundern, wenn du sähest, wie man sich von hohen Brücken herabstürzt,
was auch in Basel und Constanz geschieht. Es giebt in Zürich eine schöne
Kirche, welche gleich einem Schiffschnabel in die Limmat hinausgebaut ist und
nach dem Wasser genannt wird.


E.

Und weiter!

Ringsum ist dieselbe von Wasser umgeben, außer da, wo auf schmaler


P.

Strecke eine kunstvolle Brücke an die Kirche angebaut ist.


E.

Erzähle weiter.


P.

Da könntest du im Sommer einen merkwürdigen Wettkampf der jungen

Leute sehen. In diesem Umkreise folgen sie einander schnellen Zuges gegen
den äußern Theil der Kirche hin, wo wie am Vordertheil eines Schiffes die
Strömung des Flusses anprallt und nach beiden Seiten sich theilt.


E.

Und dann?

An dieser Stelle stürzen sie sich in die Ti'cfe des Flusses und zwar


P.

nach der Reihe. Es ist vom Rathe erkannt, daß, wer im Begriffe herabzu¬
stürzen, den nächstfolgenden nicht beim Namen ruft, oder wer nicht aus der
Tiefe irgendein Zeugniß, z. B. ein Steinchen oder etwas Anderes mit sich
herausbringt, dadurch gestraft werden soll, daß er mit angezogenem Hemde
von andern herabgeworfen wird.


E.

Eine harte Bestimmung.


P.

Dir, mein Erotes, wäre das wohl unerträglich. Da sähest du zuerst

geflügelte Knaben, dann Forellen, zuletzt Grundeln; denn der Fluß ist durch¬
sichtig wie Glas.

Man dürfte sich nicht wundern, wenn sie im Herabstürzen mit dem


E.

Kopf gefährlich auf den Grund ausstieben.

Sie werfen sich nieder mit vorgehaltenen Händen.


P.

Warum nicht mit den Füßen voraus?


E.
P.

Willst du das wissen?


E.

Allerdings.


P.

Es ist weniger Gefahr dabei. Denn nicht gering ist diese, daß wenn

du mit ausgebreiteten Füßen herabspringst, dich das heftig strömende Wasser
mitten durchschneide, was anderswo nicht nur einmal begegnet ist.


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[0117] Ihre breiten. biegsamen Füße gebrauchen sie ganz bequem wie die P. untern Enden der Ruder. Sie breiten sie aus und falten sie beim Zurückziehen wieder zusammen. Denn die Federn, welche bei diesen Vögeln nur wenig benetzt werden, in nichts hindern und eher in die Höhe heben als senken. Ja. du kannst das an mehren Vierfüßern bewundern. E. So ist also der Mensch das einzige Geschöpf, das unglücklich und in allen diesen Dingen unwissend zur Welt kommt? P. So will es unser, der Sterblichen, Loos. Aber noch mehr würdest du dich wundern, wenn du sähest, wie man sich von hohen Brücken herabstürzt, was auch in Basel und Constanz geschieht. Es giebt in Zürich eine schöne Kirche, welche gleich einem Schiffschnabel in die Limmat hinausgebaut ist und nach dem Wasser genannt wird. E. Und weiter! Ringsum ist dieselbe von Wasser umgeben, außer da, wo auf schmaler P. Strecke eine kunstvolle Brücke an die Kirche angebaut ist. E. Erzähle weiter. P. Da könntest du im Sommer einen merkwürdigen Wettkampf der jungen Leute sehen. In diesem Umkreise folgen sie einander schnellen Zuges gegen den äußern Theil der Kirche hin, wo wie am Vordertheil eines Schiffes die Strömung des Flusses anprallt und nach beiden Seiten sich theilt. E. Und dann? An dieser Stelle stürzen sie sich in die Ti'cfe des Flusses und zwar P. nach der Reihe. Es ist vom Rathe erkannt, daß, wer im Begriffe herabzu¬ stürzen, den nächstfolgenden nicht beim Namen ruft, oder wer nicht aus der Tiefe irgendein Zeugniß, z. B. ein Steinchen oder etwas Anderes mit sich herausbringt, dadurch gestraft werden soll, daß er mit angezogenem Hemde von andern herabgeworfen wird. E. Eine harte Bestimmung. P. Dir, mein Erotes, wäre das wohl unerträglich. Da sähest du zuerst geflügelte Knaben, dann Forellen, zuletzt Grundeln; denn der Fluß ist durch¬ sichtig wie Glas. Man dürfte sich nicht wundern, wenn sie im Herabstürzen mit dem E. Kopf gefährlich auf den Grund ausstieben. Sie werfen sich nieder mit vorgehaltenen Händen. P. Warum nicht mit den Füßen voraus? E. P. Willst du das wissen? E. Allerdings. P. Es ist weniger Gefahr dabei. Denn nicht gering ist diese, daß wenn du mit ausgebreiteten Füßen herabspringst, dich das heftig strömende Wasser mitten durchschneide, was anderswo nicht nur einmal begegnet ist. 14*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/117>, abgerufen am 22.12.2024.